Menschen und Nationen – Neurasthenie

Von Christoph Theligmann (Zuerst erschienen auf proscript.de am 17. April 2025)

Deutschland soll kriegstüchtig werden. Es wird über eine Wiederauflage Wehrpflicht diskutiert. Äußerungen wie Wir müssen in die Lage kommen, uns verteidigen zu können, um uns nicht verteidigen zu müssen, diese Sätze sind zu hören und zu lesen.

Thomas Mann Gedenkjahr. Sein Erstlingsroman Buddenbrook hat den Untertitel Verfall einer Familie.

Der Verfall vollzieht sich in vier Stech-Schritten: Erfolg, Komfort, Vergeistigung, Dekadenz. Gilt auch für Nationen. Was heute Burnout heißt, nannte man zu Thomas Manns Zeiten Neurasthenie.

Seine Erzählung erstreckt sich über ein Intermezzo von vier Generationen. Das sind ca. 75 Jahre. Bedenkt man den Zeitraum von durchschnittlich 25 Jahre je einer Generation, ist man irritiert von der Parallele: 80 Jahre seit Weltkriegsende 1945.

Vier Akte: Erfolg gleich aufgestanden aus Ruinen, Wirtschaftswunder gleich Komfort, Studentenrevolte gleich Vergeistigung, Ölkrise und nicht endendes Krisen-Mikado gleich zunehmender Verfall.

In dieser, negative Bezeichnung Endzeitstimmung, positive Bezeichnung Zeitenwende, erscheint ein umstrittener Bestseller. Warum ich niemals für mein Land kämpfen würde – Gegen die Kriegstüchtigkeit von Ole Nymoen, 27 Jahre alt.

In dem Buch die Argumente: Die Staatssouveränität will geschützt, soll wehrfähig sein. Dazu werden notfalls Menschenleben geopfert, obwohl die Menschen mit- und untereinander oft gar keine, geschweige denn tödliche Meinungsverschiedenheiten haben. Dennoch werden sie mit Waffen aufeinandergehetzt.

Der einzelne Bürgerwille, lieber in Unfreiheit zu leben, statt für die Freiheit zu sterben, zählt nicht. Auch die Frage, ob es nicht wert sei, eine demokratische Grundordnung zu verteidigen, stellt sich ja dann nicht, wenn man sich nicht als sinnvollen Teil einer Gesellschaft sieht, in der zwar jeder für sich verantwortlich sein soll, doch die Tolerierung von extremem Reichtum auf der einen, von Armut auf der anderen Seite die Vorgabe ist. Verteidigungswerte Gemeinschaft?

Errungenschaften, die da wären, Bildung und medizinische Versorgung etc. existieren in Wahrheit doch nur als Bedingungen für ein Humankapital, willens des Erfolgs einer Volkswirtschaft als Ganzes.

In einer zukünftigen Welt, die schon allein durch den Klimawandel gefährdet ist, sind es die Jüngeren, die als erstes die Zeche zahlen müssen. Die gleiche Altersgruppe, die vorzugsweise zu den Waffen gerufen wird, wenn es todernst wird. Dann wird verstärkt zuallererst und dann zuallerletzt an die Solidargemeinschaft dieser und später, falls vonnöten, aller Altersgruppen appelliert. Gleichzeitig der Kontrast der Konkurrenz unter den Staaten in jeweiliger repräsentativer Form der wenigen, die, daran hat sich nichts geändert, wie ein Sonnenkönig „L’Etat c’est moi – Der Staat bin ich“, tönen.

Warum ich niemals für mein Land …  Ein aktueller Widerruf zum Aufruf des Appells Gewehr bei Fuß.

Autor Christoph Theligmann lebt in Hiltrup. Der Politikwissenschaftler ist Redakteur der Sperre und Feuilletonist aus Neigung, was jeweils donnerstags neu auf seiner Webseite proscribt.de erfahren werden kann.

„Betreuungseinrichtungen sind kein Luxus“

Die Linke kritisiert Kita-Schließung in Coerde

Anfang des Monats teilte die Pressestelle der Stadt mit, dass die Kindertageseinrichtung (Kita) Am Edelbach in Coerde im Zuge einer langfristigen Umstrukturierung von der Stadt Münster Ende Juli dieses Jahres vorübergehend geschlossen würde. Auch diese Kita leide unter akutem Personalmangel und einer hohen Fluktuation bei den Mitarbeitenden. Zudem läge die Zahl der inklusiv betreuten Kinder dort über dem Durchschnitt und erfordere dauerhaft gezielte, individuelle Fördermaßnahmen.

Der Stadtteil Coerde sei seit Jahren mit verlässlichen Kinderbetreuungsplätze unterversorgt. Vor zwei Jahren fehlten 150 Plätze. Durch die Schließung der Kita Am Edelbach verschärft die Situation im Stadtteil, zumal in hohem Maße sind Kinder mit besonderem Förderbedarf betroffen sind. Gerade für die sei ein stabiles Umfeld existenziell wichtig, erklärt die Partei Die Linke in Münster.

Linke sieht Familien und Kinder in prekären Lebenslagen allein gelassen

„Beziehungsabbrüche durch Schließungen haben fatale Folgen“, erklärt Fatma Karana, Ratsfrau der Linken Münster. „Der aktuelle Bericht des Gesundheitsamtes zeigt: Frühkindliche Entwicklung – ob Spracherwerb, soziales Lernen oder emotionale Sicherheit – hängt maßgeblich von der Betreuungskontinuität ab. Gerade in Coerde, wo der Bedarf an Unterstützung riesig ist, werden Kinder nun erneut verunsichert und aus ihrem gewohnten Umfeld gerissen.“ Bereits Anfang dieses Jahres musste die Schließung des Kommunalen Sozialdienstes in Hiltrup hingenommen werden, nun folgt der nächste Schlag gegen die soziale Daseinsvorsorge. Die Betroffenen werden gezwungen, sich in einem ohnehin überlasteten System auf neue Bezugspersonen und Gruppen einzulassen. „Das ist kein Neuanfang, sondern ein Bruch“, so Fatma Karana.

Stadt setzt auf Kürzungen

Bereits im letzten Jahr scheiterte die Neueröffnung der Kita am Kiesekampweg am Rückzug des Trägers. „Statt Lösungen zu finden, setzt die Stadt mal wieder auf Kürzungen“, kritisiert Kathrin Gebel, MdB der Linken. „Betreuungseinrichtungen sind kein Luxus, sondern Grundvoraussetzung für Chancengerechtigkeit. Doch statt zum Wohle der Kinder in Fachkräfte und faire Löhne zu investieren, werden die Folgen der Kitakrise erneut jenen aufgebürdet, die Stabilität am dringendsten brauchen – Familien und Kinder in prekären Lebenslagen. Das ist schlimm und unsozial.“
Die Linke Münster fordert deshalb den sofortigen Stopp der Schließungen sowie den Ausbau verlässlicher Betreuungsplätze mit gezielter Förderung für Kinder mit besonderem Bedarf. Langfristig brauche es Investitionen in Personal und soziale Infrastruktur, um eine bedarfsgerechte Förderung zu sichern – statt weiterer Kürzungen im Gemeinwohl.

LOOPmünster startet in neue Projektphase

Viele Änderungen im Pilotprojekt

Mit LOOPmünster probieren die Stadtwerke seit 2020 aus, wie sich On-Demand-Mobilität in das Nahverkehrssystem in Münster Süden einfügt und welche Fortschritte bei der Mobilitätswende sich damit erzielen lassen. Die Kleinbusse fahren ohne feste Fahrpläne und Linienwege, gebucht werden sie ganz einfach per App. Bei den Fahrgästen erfreut sich LOOPmünster großer Beliebtheit: Insgesamt fast 450.000 Fahrgäste haben das System bereits genutzt, aktuell fahren 500 Fahrgäste am Tag mit. „Für die Mobilitätswende brauchen wir mehr als nur große Busse und Züge. Dazu gehören auch Carsharing, E-Scooter oder eben flexible Kleinbusse. LOOPmünster startet nun in eine neue Projektphase, in der wir ausprobieren, wie sich geänderte Rahmenbedingungen auswirken“, sagt Stadtwerke-Geschäftsführer Frank Gäfgen, dessen Vertrag der Rat der Stadt Münster am vergangenen Mittwoch bis 2029 verlängert hat.

Neue App muss installiert werden

Durch die nächste Projektphase ändert sich auch für die Fahrgäste etwas. Ab Dienstag, 28. März, können sie LOOPmünster nur noch über eine neue App buchen. Diese heißt LOOPmünster und ist kostenlos in den Appstores zu finden, auch in der alten App sowie unter www.loop-muenster.de finden sich die Links dorthin. Die bisherige App funktioniert ab dem 28. März nicht mehr. Grund dafür ist ein Anbieterwechsel beim Hintergrundsystem, das Buchungen verwaltet, optimale Fahrwege errechnet und vieles mehr. Der bisherige Anbieter hat den Betrieb eingestellt, daher waren die Stadtwerke gezwungen, auf ein neues System umzustellen.

LOOP-Fahrten kosten bald 1 € extra

Diese Änderung nutzen die Stadtwerke auch, eine bereits länger geplante Änderung umzusetzen: Ab dem 28. März fällt für die Fahrt mit LOOPmünster ein Aufpreis von einem Euro pro Fahrgast an. Davon ausgenommen sind schwerbehinderte Menschen mit Ausweis und Wertmarke sowie Kinder unter sechs Jahren. Ein gültiges Ticket oder Abo ist darüber hinaus weiterhin erforderlich. „Unser Auftrag ist es, mit LOOPmünster auszuprobieren, wie wir ein solches System in Münster langfristig etablieren können. Wir möchten zum Beispiel herausfinden, ob der höhere Komfort gegenüber einer Busfahrt – der auch mit höheren Betriebskosten einhergeht – den Fahrgästen einen Aufpreis wert ist und wie sich dieser auf die Nutzung und Verfügbarkeit der Kleinbusse auswirken. Auch andere Städte experimentieren bereits mit einem solchen Aufpreis“, erklärt Projektleiter Phil Rose. Die nur sehr selten genutzte Telefonbuchung wird ab dem 28. März eingestellt, die Kleinbusse können dann nur noch über die App bestellt werden. Die Stadtwerke bieten in diesem Zuge Schulungen zur App an, nähere Informationen dazu finden sich auf www.loop-muenster.de. Beide Änderungen sind bereits im letzten Jahr vom Rat der Stadt Münster beschlossen worden.

LOOPmünster geht ins vierte Jahr

Ursprünglich war geplant, LOOPmünster drei Jahre lang zu testen. Dafür erhalten die Stadtwerke Fördergelder in Höhe von fünf Millionen Euro vom Land NRW und drei Millionen Euro von der Stadt Münster. Da die Stadtwerke unter anderem während der Coronazeit, als weniger Fahrgäste unterwegs waren, die damit verbundenen Einsparpotenziale konsequent genutzt haben, kommen sie mit diesen Mitteln ein Jahr länger aus – und haben sich vom Land die Freigabe für ein viertes Jahr geben lassen. „Das bedeutet, dass LOOPmünster bis Herbst 2024 gesichert ist – ohne zusätzliche Kosten für Stadt und Land. Diese Zeit werden wir nutzen, um gemeinsam mit der Stadt eine Nachfolgelösung zu suchen. Sie muss praktikabel und finanzierbar sein, der Vorteil für die Mobilitätswende erkennbar“, sagt Frank Gäfgen.

Räumliche Beschränkung bleibt bestehen

Unverändert bleibt das Bediengebiet von LOOPmünster, das Hiltrup, Amelsbüren mit weiten Teilen der Davert, Berg Fidel, die Gewerbegebiete am und Loddenheide sowie die östlichen Teile von Mecklenbeck umfasst. Auch die Fahrerinnen und Fahrer bleiben den Kleinbussen erhalten. Für die wissenschaftliche Begleitforschung ist die FH Münster verantwortlich.

Zwei Seiten derselben Medaille

Der deutsche Überfall auf die Sowjetunion und die deutschen kolonialistischen Verbrechen

Am Dienstag, dem 22. Juni 2021, jährt sich der deutsche Überfall auf die Sowjetunion zum 80. Mal. „Zur gleichen Zeit, in der wir dieses verbrecherischen Krieges – eines Vernichtungskrieges – gedenken, hat die Bundesregierung den deutschen Völkermord vor über 100 Jahren an den Herero und Nama anerkannt. Das sind zwei Seiten ein und derselben Medaille“, erklärte Thomas Siepelmeyer vom Arbeitskreis Afrika (AKAFRIK), der am Montag (21. Juni) der kommenden Woche eine Mahn- und Gedenkveranstaltung mitorganisiert.

Fast versteckt steht das Stalingrad-Denkmal der „Traditionskameradschaft der 16. Panzer-Division und 16. Infanterie-Division Münster in Westfalen“ am Kalkmarkt (Münzstraße). Vor 60 Jahren – gestattet vom Rat der Stadt Münster – wurde es zunächst gegenüber dem Clemenshospital aufgestellt. Es gehört zu den wenigen Kriegsdenkmälern in Münster, die erst in der Bundesrepublik errichtet wurden. (Fotos: Werner Szybalski)

Deutschland überfiel 1941 die Sowjetunion

Am 22. Juni 1941 überfiel Deutschland die Sowjetunion. Dieser Krieg und die anschließende Besatzung durch die Deutschen brachten unermessliche Gewalt und unendliches Leid in das Land. 27 bis 35 Millionen Einwohner*innen der damaligen Sowjetunion starben im Zweiten Weltkrieg. Der Sieg über die Deutschen Aggressoren knapp vier Jahre später wurde von den Menschen in der Sowjetunion teuer bezahlt. So wurden zum Beispiel in der relativ kleinen weißrussischen Sowjetrepublik, in das heutige Belarus marschierten die Deutschen als erstes ein, fast 1000 Dörfer und Städte gewaltsam ausradiert. Durch die deutsche Belagerung von Leningrad, dem heutigen St. Petersburg, verhungerten zwischen 1941 und 1944 um die 800 000 Einwohner*innen. Auch Ex-Kanzler Helmut Schmidt war als Wehrmachtsoffizier für ein Jahr Teil dieses mörderischen Kommandos, was im offiziellen Gedenken in Deutschland nur selten größere Beachtung fand und findet.

„Rassenkriegs“ gegen die indigenen Völker Namibias

Zur gleichen Zeit, in der wir dieses verbrecherischen Überfalls gedenken, versucht die deutsche Regierung ein Abkommen mit Namibia abzuschließen. In diesem will sie den Völkermord der Deutschen an den Ovaherero und Nama – nach 113 Jahren – endlich anerkennen. „Die Bundesrepublik gab nun bekannt, die damaligen Praktiken eines »Rassenkriegs« (race war) gegen die indigenen Völker Namibias als das zu bezeichnen, was es war: Völkermord“, erläuterte Thomas Siepelmeyer. Verteilt über die nächsten 30 Jahre sollen insgesamt 1,1 Milliarden Euro „an bestehende Hilfsprogramme“ gezahlt werden.

„Diese Summe entspricht ungefähr dem Haushalt der Stadt Münster – für ein einziges Jahr! Für die Betroffenen eine Beleidigung“, so Siepelmeyer. Das Abkommen, das aus bilateralen Verhandlungen zwischen der deutschen und der namibischen Regierung hervorgegangen ist, würde von vielen traditionellen Führern und Repräsentanten der betroffenen Gemeinden abgelehnt und als „Beleidigung“ bezeichnet. Dies hält Afrika-Experte Thomas Siepelmeyer für eine zutreffende Einschätzung: „Es ist eine raffinierte diskursive Verwandlung von fortlaufenden Entwicklungshilfezahlungen in eine große versöhnliche Geste.“

Thomas Siepelmeyer

Die Betroffenen sähen dies als zusätzliche Beleidigung für die Jahrhunderte herablassende Haltung gegenüber Ungerechtigkeit und Degradierung der Menschen in Afrika. Der Versuch, die dunkle Vergangenheit in Bezug auf Namibia aufzuarbeiten, bliebe halbherzig. Siepelmeyer: „Aber immerhin, ein erster Schritt ist gemacht.“

Verständigung mit Russland fehlt

Für die Aufarbeiteung Deutschlands dunkler Vergangenheit in Osteuropa fehlt dieser erste Schritt noch. Man hat den Eindruck, dass viele deutsche Politiker daran arbeiten, bewusst oder unbewusst, die alten, von den Nazis übernommenen antirussischen Ressentiments zu reaktivieren. Eine Verständigung mit Russland fehlt. Ein dauerhafter Friede und Völkerverständigung könnte aber nur gelingen, wenn die russischen Ängste ernst genommen würden.

Die Angst vor Deutschland habe seine Gründe. Als Deutsche müssten wir uns immer wieder klar machen, dass diese Ängste und Befürchtungen nicht unbegründet seien. Die deutsche Nation wurde durch den Krieg gegen Frankreich 1870 chauvinistisch begründet. Ihre erste Aktion war die Unterstützung der französischen Reaktion bei der Niederschlagung der Pariser Kommune vor 150 Jahren. Die Blutspur des deutschen Militarismus führte über den Völkermord in Afrika und die beiden Weltkriege zum Völkermord an den Juden und Jüdinnen Europas, den Sinti und Roma und den Menschen in den Gebieten der überfallenen Sowjetunion.

„Eine aufgezwungene deutsche Identität lehnen wir ab. Wir stellen uns überall und immer auf die Seite der Opfer und ihrer Nachfahren. Zu den Opfern des deutschen Militarismus gehören auch die Zwangsarbeiter*innen. Tausende Männer, Frauen und Kinder wurden nach Deutschland verschleppt – auch nach Münster“, so der Aufruf zur Demonstration am kommenden Montag (21. Juni). Am Dienstag danach wird in Hiltrup, wo sich das Zwangsarbeitslager „Waldfried“ befand, den Zwangsarbeiter*innen mit einem Rundgang gedacht.

Veranstaltungen

  • Montag, 21. Juni 2021
  • Ab 16.30 Uhr: Kundgebung am Traindenkmal / Ludgeriplatz
  • Thomas Siepelmeyer: „Der deutsche Völkermord in Namibia“
  • 18.00 Uhr: Demonstration durch die Innenstadt
  • 18.30 Uhr: Kundgebung am Stalingrad-Schandmal am Kalkmarkt / Münzstraße
  • Gerhard Schepper: „Die russische Sicht ernst nehmen – Bericht über eine Reise nach Russland an Orte, wo mein Vater kämpfte“
  • Hugo Elkemann: „Wie eine neue Erinnerungskultur aussehen muss“
  • im Anschluss weitere Redner*innen, Musikstücke, Lesung sowie Diskussionsmöglichkeit
  • Dienstag, 22. Juni 2021
  • 16.00 Uhr: Rundgang zum Gedenken an die ermordeten Zwangsarbeiter in Hiltrup, Zwangsarbeitslager „Waldfriede“ zwischen Kanal und Hiltrup-Ost (VVN, pax christi, u.a.)
  • 19.00 Uhr: Eugen Drewermann: „Wege zum Frieden“ – Vortrag und Diskussion, Überwasserkirche (pax christi)

Späte oder verdrängte Erinnerung?

Überfall auf die Sowjetunion 1941 und sowjetische Zwangsarbeiter*innen in Hiltrup

Am 22. Juni diesen Jahres jährt sich zum 80. Mal der Überfall des Deutschen Reiches auf die Sowjetunion. „Der Überfall und die anschließende Besatzung brachten unermessliche Gewalt und unendliches Leid über das Land. Im Zweiten Weltkrieg starben ca. 27 Millionen Bürger*innen der Sowjetunion. Im offiziellen Gedenken in Deutschland spielt dieses Ereignis oftmals keine sehr prominente Rolle. Noch weniger bekannt ist, dass seit 1943 Tausende Männer, Frauen und Kinder als Zwangsarbeiter*innen nach Deutschland verschleppt wurden – auch nach Hiltrup. Im Wäldchen zwischen Kanal und Hiltrup-Ost standen Bunker und das Zwangsarbeiterlager „Waldfrieden“, in dem es heute einen Gedenkstein sowie einige Überreste der Bunker und drei Infotafeln gibt. Mit einem Gedenken an die Kriegstoten und Zwangsarbeiter*innen in Hiltrup wollen wir an den 80. Jahrestag des Überfalls auf die Sowjetunion erinnern“, schreibt pax christi Münster, die katholische Friedensbewegung im hiesigen Bistum, auf ihrer Webseite.

Erinnerungsrundgang in Hiltrup

Gemeinsam mit der Pfarrei St. Clemens Hiltrup-Amelsbüren, der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes / Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN/BdA) und dem Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. soll am Dienstag, dem Jahrestag des deutschen Überfalls auf die Sowjetunion, mit einem Rundgang an die Opfer erinnert werden. Er beginnt um 16 Uhr vor dem Eingang des Alten Friedhofs in Hiltrup (Friedhofstraße 21).

Kaplan Andreas Britzwein wird den Gang an der Ehrenmalanlage eröffnen, bevor Detlef Lorber vom VVN/BDA etwas zur Geschichte des Überfalls auf die Sowjetunion 1941 berichtet. Im Anschluss wird Jens Effkemann vom Volksbund eine Einführung zu den Kriegsgräbern auf dem Friedhof geben. Der Gang setzt sich über eine Station an der Christuskirche in der Hülsebrockstraße fort, vor der Stefan Leibold von pax christi einige Gedanken über die bleibende Mahnung des Krieges formuliert. Im Wäldchen in Hiltrup-Ost wird der VVN/BdA über die Geschichte des Lagers  „Waldfrieden“ berichten, es gibt die Möglichkeit, das Gebiet zu erkunden und über Aspekte des Themas zu sprechen.

Drewermann spricht in der Überwasserkirche

Am gleichen Tag um 19 Uhr wird auf Einladung des Diözesanverbandes pax christi im Bistum Münster Eugen Drewermann in der Überwasserkirche zum Thema „Russland – Wege zum Frieden“ sprechen.

Der Theologe und Psychoanalytiker Eugen Drewermann spricht am Dienstag, den 22. Juni, um 19 Uhr in der Liebfrauen – Überwasserkirche zum Thema „Wege zum Frieden“. Drewermann besucht Münster auf Einladung des Diözesanverbandes pax christi im Bistum Münster. (Foto: Wikipedia / Amrei-Marie)

In Erinnerung an die mehr als 27 Millionen Todesopfer in Russland, der Ukraine und Belarus spricht der Theologe und Psychoanalytiker Eugen Drewermann zum Thema „Wege zum Frieden“. Interessierte haben die Möglichkeit, nach dem Vortrag mit ihm ins Gespräch zu kommen.

Pax christi bittet Interessierte sich per Email (muenster@paxchristi.de) unter Angabe der Adresse und Telefonnummer anzumelden. In der Überwasserkirche finden unter Einhaltung der Coronaschutzverordnung bis zu 150 Personen Platz.

VIELFALT! Das bunte Münster

Themen der aktuellen Ausgabe: Rumpelstübchen, E-Center, May Ayim, Schweinemastbetrieb, Paul Wulf

Das Blättchen für öffentliche Angelegenheiten „VIELFALT! Das bunte Münster“ 1 / 2021 ist erschienen. „Bleibt das Rumpelstübchen?“ wird auf Seite eins gefragt. Hintergrund ist ein Konflikt zwischen den im Verein „Rumphorst-Viertel i.Gr.“ und dem von der Diakonie getragenen und von der Stadt Münster finanzierten Quartiersmanagement in Rumphorst.

Prakash Chandra Lohani ist Mitglied in der AfD und im September 2020 zum zweiten Mal in den Intergrationsrat der Stadt Münster gewählt worden. Passt das zusammen?

Die Münsteraner Firma Stroetmann will am Hansaring ein 3000 m² großes Einkaufszentrum errichten. Viele Menschen im Viertel möchten dies nicht. Der Rat der Stadt Münster hat nun mit den Stimmen von CDU, SPD und FDP einen zweiten Versuch gestartet, einen rechtsgültigen Bebauungsplan aufzustellen. Drei Vereine aus dem Hafen-Hansa-Quartier rufen aktuell auf, Einspruch gegen den Weiterbau der aktuellen Ruine auf dem ehemaligen Postgelände einzureichen. Sarah Geselbracht von der Münsterliste schlägt vor, die im Einzugbereich des Projektes wohneneden Menschen über die Zukunft der Baumaßnahme abstimmen zu lassen.

Der Antifaschist Paul Wulf, Opfer der Nazis, wäre am 2. Mai 100 Jahre alt geworden. Der Freundeskreis hat ein Buch zu diesem Ereignis ein umfangreiches, dokumentarisches Buch veröffentlicht. „Ich lehre euch Gedächtnis“ sollte gekauft und gelesen werden.

Der letzte deutsche Kaiser war nicht nur Antisemit sondern auch militaristisch, nationalistisch und antislawisch eingestellt. Zudem stand er an der Spitze der Kolonialmacht Deutschland, die besonders in Afrika unterdrückte und auch massenhaft tötete. Der Genozid an den Herero und Nama ist ein weithin unaufgearbeitetes Kapital deutscher Gewaltherrschaft. Die Lyrikerin und politische Vorkämpferin für Afro-Deutsche und Schwarze in Deutschland, May Ayim, wuchs in Münster auf. Verschiedene Gruppen aus Münster möchten den Kaiser-Wilhelm-Ring als Zeichen gegen Kolonialismus und Rassismus in May-Ayim-Ring umbenennen. Dies als Anerkennung der schriftstellerischen und politischen Arbeit vom May Ayim, die für ein gleichberechtigtes Leben aller Menschen – egal welcher Hautfarbe – eintrat.

Die aktuelle Ausgabe als pdf.