Warum nimmt die soziale Ungleichheit seit Jahren zu? Welche Rolle spielen dabei Wirtschaftsstrukturen, Eigentumsverhältnisse und Verteilungsmechanismen? Mit welchen Narrativen werden die beträchtlichen Einkommens- und Vermögensunterschiede gerechtfertigt?
Christoph Butterwegge beleuchtet bei der Lesung im Bennohaus in Münster die Politik der Bundesregierungen und fragt, weshalb sich die Kluft zwischen Arm und Reich nach der „Zeitenwende“ und zusätzlichen Rüstungsanstrengungen weiter vertieft. Er nimmt den Niedriglohnsektor, den „Um-“ beziehungsweise Abbau des Sozialstaates sowie die Steuerentlastungen für Wohlhabende in den Blick. Wie lässt sich die Entwicklung aufhalten und verhindern, dass die Reichen noch reicher und die Armen noch zahlreicher werden?
Der Praxis der Umverteilung von Unten nach Oben setzt Butterwegge eine Rückverteilung des Reichtums entgegen. Neben einer stärkeren Tarifbindung, einem Verbot prekärer Beschäftigung sowie höheren Besitz-, Kapital- oder Gewinnsteuern ist für den auch als Armuts- und Reichtumsforscher bekannten gebürtigen Albersloher die Umgestaltung des bestehenden Wirtschaftssystems nötig.
Die Veranstaltung beginnt am Mittwoch, dem 22. Januar 2025, um 15.30 Uhr und ist kostenfrei. Der Veranstaltungsort ist barrierefrei erreichbar. Eine Anmeldung ist nicht erforderlich.
Ende Oktober lud Pro Bahn Münsterland zur Auftaktveranstaltung zur Wiedereinführung der Straßenbahn in Münster. Mit rund 40 interessierten Schienenfreund*innen diskutierte Wolfgang Seyfert von der Straßenbahninitiative Osnabrück in der B-Side am Stadthafen in Münster die Perspektiven für den schienengebunden Nahverkehr in Städten und speziell in Osnabrück und Münster.
Zuvor hatte im Stadthaus 3 am Albersloher Weg Werner Szybalski vom Pro-Bahn-Vorstand im Münsterland vor dem Hintergrund der restaurierten „Elektrischen“, wie die Straßenbahn von den Münsteraner*innen genannt worden war, über die gut 50-jährige Geschichte der Tram in der Domstadt informiert. Vor genau 70 Jahren (siehe unten) endete die Geschichte der Tram in Münster – allerdings nur vorläufig, wenn auf die Meinung der Teilnehmer*innen der Pro-Bahn-Veranstaltung gehört wird.
In Osnabrück wäre die Wiederbelebung der Tram machbar
Der Rat der Stadt Osnabrück hatte eine Machbarkeitsstudie für die Reaktivierung der Tram in Auftrag gegeben. Dies allerdings nur, weil die Straßenbahn-Initiative Osnabrück (SBI) zuvor rund 5000 Unterstützer*innenunterschriften für die Wiedereinführung der Tram in Osnabrück gesammelt hatte. Das 80.000 Euro teure Gutachten des Dresdener Planungsbüros VKT stellte die SBI-Mitglieder zufrieden, denn es bescheinigte ihnen, dass es durchaus realistische Perspektiven für die Renaissance des Schienenverkehrs in Osnabrück gibt.
„Die Straßenbahn allein ist nicht die Lösung, aber sie ist die Königin der Mobilität“, unterstrich der emeritierte Professor Wolfgang Seyfert aus Osnabrück gleich zu Beginn seines Vortrages. Zunächst verglich er die verkehrliche Situation zwischen Münster und Osnabrück, die überraschend viele Parallelen ausweise. So sind im Vergleich mit gleichgroßen deutschen Städte Münster und Osnabrück bei der Verkehrswegenutzung (Modalsplit) beide Schlusslicht in den Bereichen Öffentlicher Personennahverkehr (ÖPNV) und Fußverkehr.
Wolfgang Seyfert von der Stadtbahn-Initiative Osnabrück warb bei Pro Bahn Münsterland für ein Revival der Straßenbahn in Münster. Foto: Wolfgang Bensberg
Seyfert hielt fest, dass es Münster ganz gut gelingt, den motorisierten Individualverkehr (Autos) einzuschränken, um aber kritisch erklärend für die genannten Schlusslichtpositionen der benachbarten Orte anzumerken: „Bei Städten der Größe von Münster und Osnabrück brauchen Fußgänger*in einen gut funktionierenden ÖPNV. Die Städte mit hohem ÖPNV-Anteil haben eine Tram.“
Renaissance der Straßenbahn in Frankreich
In französischsprachigen Städten erlebt die Tram ab den 80er Jahren des vergangenen Jahrhundert eine Renaissance. Seyfert: „1971 waren in Frankreich nur noch drei kleine Tramsysteme übrig: in Saint-Étienne, drei Kilometer Strecke in Marseille und in Lille.“ 1975 erfolgte die Cavaillé-Initiative. Marcel Cavaillé, Staatssekretärs im Verkehrsministerium in Paris, forderte in einem Brief die Stadtverwaltungen von Bordeaux, Grenoble, Nancy, Nice, Rouen, Strasbourg, Toulon and Toulouse auf, Konzepte für ihren Stadtverkehr zu entwickeln. „Alle Cavaillé-Städte – bis auf Toulon – haben heute eine Tram. Toulouse baut gerade. Viele andere, auch die ganz großen wie Paris, Marseille und Lyon setzen inzwischen auf die Tram. Spät, aber umfassenden kam der Umschwung in Bordeaux. Die Stadt wurde vom Nachzügler zum Vorreiter in Sachen Straßenbahn und Stadtentwicklung. So gelang der Wandel von einer etwas heruntergekommenen Hafenstadt zum Weltkulturerbe in 2007“, erläuterte Seyfert, der anschließend ein Beispiel aus seiner Geburtsheimat vortrug.
Optimaler Planungsprozess in Calgary
In Ulm sollte die letzte 5,5 Kilometer lange Straßenbahnstrecke 1975 still gelegt werden. Dies wurde durch Proteste der Bürger*innen verhindert. Später konnte diese Tramlinie verlängert werden und zwischen 2025 und 2018 wurde eine zweite Linie gebaut. „Heute sorgen rund 50 Prozent aller Fahrgäste auf den nur zwei Straßenbahnlinien dafür, dass in Ulm die Tram das Rückgrat des öffentlichen Verkehrs bildet“, berichtete der Osnabrücker.
Calgary im südlichen Kanada, das Zentrum der kanadischen Öl- und Gasindustrie mit über 1,6 Millionen Einwohner*innen. „Das 2005 gestartete Projekt Imagine Calgary, war eine umfassende kommunale Visions- und strategische Planungsinitiative, die die langfristige Entwicklung von Calgary beeinflussen sollte“, verdeutlichte Seyfert, dass dieser Planungsprozess aus seiner Sicht optimal verlaufen sei: „Das vermutlich breiteste Beteiligungsverfahren weltweit. In 18 Monaten, von 2005 bis 2007, waren 18.000 Bürger*innen am Verfahren beteiligt.“ Mit einem Planungshorizont von 50 bis 100 Jahren wurde die gesamte Stadtentwicklung entlang von festgelegten Verkehrskorridoren, die schon ab Baubeginn mit öffentlichen Verkehr bedient wurden, geplant. „Dabei ist die Tram das Rückgrat und die letzte Stufe der Verkehrsplanung. Weil so jede neue Bahn sofort ziemlich voll war, blieben die Betriebskosten der Tram pro Passagier von Beginn an niedrig bei einem Sechstel der Betriebskosten eines Busses.
Zürich kämpft für Tram und Fahrrad
Die Züricher*innen lieben ihre Straßenbahn, berichtete Wolfgang Seyfert. Drei Mal (1960 mit 70 Prozent, 1962 mit 63 Prozent und 1973 mit 71 Prozent) lehnten sie in Volksabstimmungen die Verlegung der Tram in den Untergrund ab und 2020 stimmten sie für ein 130 Kilometer langes Velovorzugsroutennetz in der Stadt. „Viel mehr geht nicht“, so Seyfert.
Letzte Fahrt vor 70 Jahren
Genau vor 70 Jahren, am Donnerstag, dem 25. November 1954, fuhr die Straßenbahn letztmalig durch Münster. Das Ende nach nur 53 Jahren kam nicht überraschend. Schon gut ein Jahr zuvor musste im Oktober die Linie 2 auf der Warendorfer Straße aufgegeben werden. Die Gleise waren, vermutlich wegen eines nicht ausreichend gefüllten Bombenkraters unter der Straße, abgesackt, so dass die Tram nicht mehr fahren konnte. Schon direkt nach dem Krieg hatte ein externer Gutachter empfohlen, zukünftig auf die vom Volksmund „Elektrische“ oder „Strom“ genannte Straßenbahn zu verzichten. Als im Herbst die Sperrung einer der Hauptlinien hinzukam, schlug die Stimmung langsam um in Richtung „modernen Bus- beziehungsweise O-Busbetrieb in Münster.
Die letzte Fahrt des Wagen 60 der Elektrischen in Münster: Im Hintergrund ist die abgerissene Kiesekamps Mühle am Albersloher Weg erkennbar. Heute steht dort das Cineplex. Foto: Universität Münster
Das Aus für die Elektrische in der Domstadt – zurückblickend sicherlich als politische Fehlentscheidung einzustufen – nahmen viele Münsteraner*innen zum Anlass, sich mit einer letzten Fahrt von der Straßenbahn zu verabschieden. Die Westfälischen Nachrichten (WN) schrieben damals, dass tagsüber die „Straßenbahnwagen auffallend starken Verkehr gehabt. Die konservativen Münsteraner, die sich nur schweren Herzens von liebgewordenen Einrichtungen trennen können, nahmen Gelegenheit zu Abschiedsfahrten.“
Auf der tatsächlich letzten Fahrt der Elektrischen wurden unter anderem die Mitglieder des Rates der Stadt mit den Straßenbahnwagen 57, 60 und 62 – außen verziert mit der Aufschrift „Letzte Fahrt“ – von der Lambertikirche durch die Stadt ins Straßenbahndepot am Albersloher Weg gefahren. Eine große Menschenmenge begleitete diese Fahrt. Am Schaltbrett des letzten der drei Wagen stand Oberfahrer Eduard Jenschenfelde, der schon seit drei Jahrzehnten die Elektrische durch Münster bugsierte. Die Menschen winkten, als sich der in den WN „Trauerzug“ genannte Tross in Bewegung setzte. Es wurde extra langsam gefahren, um den Zuschauer*innen am Schienenstrang und in den Fenstern Gelegenheit zum Abschied zu geben. Mit dem „Straßenbahn-Abschiedsschmaus“ an der Haltestelle Stadtwerke, laut WN-Bericht im Regen, endete diese Ära in Münster. Zurück in die Stadt ging es anschließend per Autobus.
Pro Bahn Münsterland fordert Machbarkeitsstudie
Pro Bahn Münsterland möchte in einem Folgetreffen zum oben beschrieben Auftakt mit Seyfert besprechen, wie die Forderung „Reaktivierung der Straßenbahn in Münster“ weiter umgegangen werden soll. Es soll mit möglichst vielen interessierten Menschen am Freitag, dem 6. Dezember 2024, von 17 Uhr bis 19 Uhr im Umwelthaus (nicht barrierefrei) in der Zumsandestraße 15 stattfinden.
„Beim Treffen wird der Pro-Bahn-Nikolaus zunächst die bisherigen Vorschläge und Ideen zur Reaktivierung der Straßenbahn in Münster aus dem Sack lassen“, heißt es in der öffentlichen Einladung von Pro Bahn an alle interessierten Straßenbahnfreund*innen. So werden die abgelehnten Vorschläge aus dem Rat der Stadt Münster vorgestellt. Unter anderem dabei sind die Ratsanträge der CDU Münster („Von der Regionalbahn zur Stadtbahn“) aus dem Jahr 2016 und der SPD Münster („Eine Stadtbahn für unsere Stadt“) aus dem Jahr 2017. Verschiedene Vorschläge aus dem Internet runden den ersten Teil der Versammlung ab.
Anschließend soll gemeinsam besprochen werden, wie die Straßenbahn-Zukunft in Münster in die Spur oder besser „auf die Schiene“ gebracht werden könne. Bedeutsam dabei könnte, wie in Osnabrück erfolgreich durchgeführt, eine Machbarkeitsstudie zur Straßenbahn in Münster sein. Ob dies ein erster sinnvoller Schritt ist und was gemeinsam getan werden kann, um ihn zu gehen, soll Hauptdiskussionspunkt im Umwelthaus werden.
WLE-Reaktivierungsdesaster, Busausfälle wegen katastrophaler Personalplanung, immer mehr Details zur S-Bahn-Lüge werden öffentlich, Fahrtkürzungen beim Mobilitätspreisträger 2023, der Buslinie X90/S90, Einstellung des LOOP-Betriebs, zunehmende Privatisierung des Busverkehrs in Münster und nun die Aufgabe des Metrobus-Konzeptes – die aktuelle Liste des Scheitern im Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) in Münster und dem Münsterland ist erschreckend lang. Sie kommt allerdings wenig überraschend. Die Verkehrswende ist mit roter Farbe auf Pseudoradstraßen mit PKW-Verkehr und durch die Einführung von Elektrobussen ausschließlich bei den Fahrzeugen der Stadtwerke Münster und angeblichen Zeitgewinnen durch Fahrstreckenveränderungen und kurzen Busspuren natürlich nicht zu erreichen.
Politikwende ist erforderlich
Spätestens nach dem entlarvenden WN-Interview von Frank Gäfgen, ÖPNV-Geschäftsführers der Stadtwerke Münster, am 20. Juli zieht Werner Szybalski, Sprecher der Münsterliste, ein für das Klima katastrophales Fazit der örtlichen Verkehrspolitik: „Die dringend notwendige Verkehrswende in Münster und dem Münsterland ist krachend gescheitert. Es ist Zeit für die Politikwende!“
Mehr Nebelkerzen als Pyrotechnik im Preußenstadion
Frank Gäfgen, ÖPNV-Geschäftsführers der Stadtwerke Münster. (Foto: Werner Szybalski)
Die kommunale Wähler*innen-Vereinigung Münsterliste – bunt und international e.V. beklagt seit Jahren, dass von Politik und Verwaltung in der Verkehrspolitik mehr Nebelkerzen gezündet werden, als die Preußenfans Pyrotechnik im Stadion abbrennen können. „Die Menschen im Münsterland werden andauernd durch tolle Versprechen geblendet. Die klassischen ÖPNV-Nutzer*innen, die vier „A“s, wie abgehängt, Arme, Alte, Auszubildende und Ausländer, sind die Leidtragenden der fortgesetzten lokalen und insbesondere regionalen Privatisierungs- und Automobilpolitik“, erklärt Werner Szybalski: „Die Zeche für neoliberale Politik zahlen die jungen und die zukünftigen Generationen. Noch können wir etwas korrigieren und die Belastung senken. Dazu ist aber ein konsequente nachhaltige und ressourcenschonende Verkehrs- und Infrastrukturpolitik notwendig.“
Klein-Klein statt Nachhaltigkeit
Gäfgen beklagt im Interview, dass er „eingestehen [muss], dass wir den erforderlichen Raum [für Metrobusse] nicht auftreiben können.“ Ein Kniefall vor dem Auto. Ganz im Sinne seiner neoliberalen Vorstellungen orientiert sich der ÖPNV-Geschäftsführers der Stadtwerke auch nicht an den Bedürfnissen und Interessen seiner Fahrgäste („dann ist es hinnehmbar, dass die verbleibenden keinen Vorteil haben.“), sondern an der marktwirtschaftlichen Optimierung seines Unternehmens. Dabei wird natürlich ein grünes Mäntelchen umgehängt. Die Stadtwerke streben zukünftig den emissionsfreien Busbetrieb an – allerdings nicht in der Stadt sondern lediglich bei den eigenen Fahrzeugen. Dies ist ein großes Problem und schon wieder eine Nebelkerze, denn die von Gäfgen beauftragten privaten Busunternehmen, die seit ein paar Monaten und mit weiter wachsender Tendenz (Ringlinien) schon mehr als die Hälfte der Busfahrten in Münster durchführen, haben, so die Stadtwerke-Antwort auf Nachfrage, keinen einzigen emissionsfreien Bus im Fahrbetrieb. Ohne Politikwende bleibt es in der Verkehrspolitik beim Klein-Klein ohne ausreichende Nachhaltigkeit.
Alle mit Verbrenner-Antrieb!
Blicke nach Oberhausen, Utrecht, Essen und Freiburg lohnen
„Wir setzen auf viele kleine Lösungen“, verdeutlicht Frank Gäfgen im Interview, dass es lediglich mit Tröpfchen statt fließend Wasser weitergeht. Wo aber liegt der Hase im Pfeffer, wo ist der Hund begraben oder was ist der springende Punkt? Ziemlich einfach, denn Münster (und die Landes- und Bundesebene) betreiben weiterhin eine Verkehrs- und Wirtschaftspolitik, die das Auto ins Zentrum rückt. Während Utrecht eine Fahrradstadt ist, wird in Münster nur viel Rad gefahren. Während in Essen nach dem „Bürgerbegehren RadEntscheid“ ein Konzept verfolgt wird, dass das Auto aus der Stadt verdrängen soll, schließt Münster gerade einmal ein paar Parkplätze auf dem Domplatz. Während Oberhausen die Straßenbahn schon Ende des Jahrtausends reaktivierte, wartet die Wiederinbetriebnahme des Personenverkehrs auf der WLE-Strecke schon seit rund 40 Jahren. Während Freiburg im Breisgau die Stadt der kurzen Wege realisiert und Stadtteile schafft, in denen die neuen Bewohner*innen weitgehend auf Autos verzichten können, wird in Münster eine Autobahn zum Vorort Handorf gebaut.
Mönster-Tram und Mönsterlänner fehlen
Historische Straßenbahn im Regelbetrieb in Mailand. Links hinter dem sitzenden Fahrgast die digitale Selbstbedienungskasse für Fahrschein-, EC- und Kreditkarten. (Fotos: Werner Szybalski)
Die Priorisierung des Autos muss zu Ende gehen. Insbesondere der ÖPNV und der Fußverkehr ist hingegen massiv durch Angebotserweiterung und Infrastrukturausbau zu fördern. Nimmt man die Verkehrs- und Energiewende ernst, muss auch in Münster die Schiene eine Renaissance erleben. „Die Münsterliste fordert seit Jahren eine Stadtbahn. Die Mönster-Tram ist zwar eine großes und teures Projekt, wird aber alle bei der Inbetriebnahme lebenden Münsteraner*innen überleben. Kürzlich fuhr ich in Mailand mit einer 98 Jahre alten Straßenbahn, in der ich elektronisch – durch Vorhalten meiner EC-Karte – die nur 2,20 Euro für die Einzelfahrt zahlen konnte. Viel nachhaltiger und moderner geht es kaum“, so Werner Szybalski.
Die Münsterliste wünscht sich für das Münsterland einen Nahverkehr auf Schiene und Straße aus einem Guß und natürlich ausschließlich in Öffentlicher Hand. (Foto: Werner Szybalski)
Die Münsterliste möchte zudem den Mönsterlänner einführen. Ein öffentliches Nahverkehrsunternehmen mit möglichst viel Schiene und emissionsfreien Bussen, dass zwischen Münster, Osnabrück und Enschede den Nahverkehr plant und betreibt. Leider sind bislang die Politiker*innen in den Gemeinde- und Stadträten sowie den Kreistagen und der Bus- und Bahn-Zwecksverbandsversammlung (ZVM) des Münsterlandes selten einmütig für den Nahverkehr im Münsterland. Zuletzt zeigten dies die Entscheidungen zur Einschränkungen bei der Buslinie X90/S90 oder auch der nur stadtinternen Einführung des 29-€-Tickets in Münster.
Fahrgastbeirat würde helfen
100.000 Euro liegen seit vergangenen Jahr im Haushalt der Stadt Münster brach, mit dem Wege zur Beteiligung der Einwohner*innen an der Politik durch Bürger*innenräte gesucht werden sollen. Die Einführung von einem Fahrgastbeirat bei den Stadtwerken könnte ohne einen Cent auszugeben durch Beschluss des Unternehmens und der Aufsichtsgremien erfolgen. Aber damit ist bei einem auf Betriebsoptimierung statt auf Fahrgastinteressen gerichteten Blick des ÖPNV-Geschäftsführers nicht zu rechnen. „Dabei wäre es so sinnvoll, wenn auch in Münster, wie schon in zahlreichen Verkehrsunternehmen und -verbünden in Deutschland, die Nutzer*innen des Öffentlichen Nahverkehr dauerhaft und mitentscheidend in die Organisation und Planung einbezogen würden“, unterstreicht Werner Szybalski für die Münsterliste.
Vor gut einer Woche veröffentlichte die Münsterliste ihren Vorschlag, mehr lokale Demokratie durch die Erhöhung der Anzahl der Bezirksvertretungen in Münster zu erreichen. Gestern (21. Juli 2022) erklärte die Volt Ratsgruppe Münster, dass auch sie über eine Reform der Bezirksvertretungen nachdenkt: „Es braucht bis zur Kommunalwahl 2025 eine Stadtbezirksreform. Die aktuelle Aufteilung der Bezirke ergibt für ein gewachsenes Münster keinen Sinn mehr und muss daher angepasst werden“, so Volt-Ratsfrau Helene Goldbeck. Volt sieht vergleichbare Probleme wie die Münsterliste, möchte aber – nicht zuletzt aus Kostengründen – die Anzahl der Bezrksvertretungen senken. Während die Münsterliste, begründet mit mehr lokaler Demokratie, zehn Bezirksvertretungen fordert, möchte Volt ihre Anzahl auf vier Gremien beschränken.
Helene Goldbeck, Mitglied des Stadtrats für Volt Münster. Foto: Volt
Die Ratsgruppe, die gemeinsam mit Grünen und SPD nach der Kommunalwahl 2020 ein Ratsbündnis geschlossen hat, richtete an Münsters Oberbürgermeister Markus Lewe eine Anfrage, in der nach dem Einsparpotential bei den Verwaltungskosten bei der Reduzierung der Anzahl der Bezirksvertretungen gefragt wird. Außerdem möchte Volt wissen, bis wann eine Reform (Änderung der Hauptsatzung durch den Rat der Stadt Münster) umgesetzt sein muss, damit bei der kommenden Kommunalwahl im Jahr 2025 neu zugeschnittene Bezirksvertretungen gewählt werden können. Zudem denkt Volt darüber nach, ein neues Gremium zu schaffen, das aus Ratsvertretern und Verwaltungsmitarbeitern bestehen sollte, welches konkrete Vorschläge zur Reform der lokalen Demokratie erarbeiten könnte.
Stadtbezirke sind in der Größe sehr ungleich
„Münsters Bezirksvertreter*innen leisten eine wichtige Arbeit in der Kommunalpolitik“, schreibt Volt und führt aus: „Allerdings unterscheiden sich die Bezirksvertretungen stark in Fläche und Einwohnerzahl, stellen aber trotzdem jeweils 19 Bezirksvertreter*innen, die nur eine geringfügig unterschiedlich hohe Aufwandsentschädigung erhalten. Außerdem teilen die Bezirksvertretungen die Stadt stark nach Münster-Mitte (13 Wahlbezirke) und den anderen fünf Bezirksvertretungen auf. So haben die fünf äußeren Bezirksvertretungen nur wenig Blick auf den Stadtkern und die Bezirksvertretung Mitte sieht wenig die Herausforderungen der anderen Bezirke. Des Weiteren kosten Bezirksvertretungen die Stadt Geld. Ein sechsstelliger Betrag an jährlichen Aufwandsentschädigungen gehen an die Kommunalpolitiker*innen in den sechs Bezirksvertretungen.“
Vorbild für Volt ist Bonn
Die Stadt Bonn kommt mit vier Bezirksvertretungen aus, teilt Volt in der Pressemitteilung mit: „Eine Reduzierung der Bezirksvertretungen in Münster von sechs auf vier wäre also denkbar.“ Details müssten von Politik und Verwaltung diskutiert werden. Für Volt wäre es eine Option die Bezirksvertretungen Ost und Süd-Ost zusammenzulegen und dafür die Bezirksvertretung Münster-Mitte ganz aufzulösen und in die äußeren Bezirksvertretungen einzugliedern. „So wären in Münster vier Bezirksvertretungen denkbar, welche alle acht bis neun Kommunalwahlbezirke abdecken, statt wie aktuell sechs Bezirksvertretungen. „Die Landtagswahl 2022 hat bereits gezeigt, dass eine Aufsplittung der Innenstadt in verschiedene Wahlbezirke sinnvoll sein kann“, heißt es in der Begründung der Anfrage an den Oberbürgermeister. „Münster muss langfristig seine Ausgaben reduzieren, die Politik sollte auch vor den eigenen Aufwandsentschädigungen nicht halt machen“, heißt es zur Begründung.
Bonn oder Bielefeld?
Während am Rhein vier Stadtbezirke (Bonn, Bad Godesberg, Beuel und Hardtberg) mit eigener politischer Vertretung mit jeweils 19 Mandatsträger*innen bestehen, hat Bielefeld zehn Bezirksvertretungen. Völlig klar dürfte sein, dass in Bonn weniger Geld für lokale Demokratie und Selbstbestimmung ausgegeben wird. In Bielefeld hingegen gibt es zehn Bezirksvertretungen (Brackwede, Dornberg, Gadderbaum, Heepen, Jöllenbeck, Mitte, Schildesche, Senne, Sennestadt und Stieghorst) mit Gremien zwischen 15, 17 oder 19 Mitgliedern. Deshalb dürften sich die politisch interessierten Bielefelder*innen lokal besser vertreten fühlen, müssen dafür aber in Kauf nehmen, dass dies mehr Geld kostet.
Mehr Selbstbestimmung durch Reform?
Bezirksvertreter Philip Maurice. (Foto: Volt Münster)
Der Vorschlag der Münsterliste, von sechs auf zehn Bezirksvertretungen zu erhöhen und zudem den Gremien mehr Selbstverwaltungsrechte zu geben, zielt auf eine bessere Vertretung der Menschen. Zudem sollen die tatsächlichen Beziehungen der Einwohner*innen mehr Berücksichtigung auf der kommunalpolitischen Ebene finden. In dem Vorschlag ihrer Liste sieht Sprecherin Sarah Geselbracht Vorteile vor allem für nachbarschaflich aktive Menschen: „Auch rund um den Gasometer oder das Entwicklungsgebiet am Nieberding rückten enger an die Stadt und damit an das natürliche erweiterte Wohnumfeld der Menschen.“ Volt hingegen stellt in der Pressemitteilung die potentielle Kosteneinsparung in den Mittelpunkt – Philip Maurice, Bezirksvertreter in Münster-West, erklärt: „Die Stadt Bonn kommt auch gut mit vier Bezirksvertretungen aus. Wir haben unserer Anfrage einen Vorschlag beigefügt, um die Zahl der Bezirksvertretungen um zwei zu reduzieren. So könnte die Stadt Münster alleine schon über 100.000,- € an jährlichen Aufwandsentschädigungen sparen. Geld, dass an anderen Stellen fehlt.”
Vier Mandate für Volt Münster
Die Ratsgruppe Volt Münster besitzt mit Gruppensprecher Tim Pasch und Helene Goldbeck zwei Ratsmenschen. Zudem ist Volt in den Bezirksvertretungen Mitte (Martin Grewer) und West (Philip Maurice) vertreten.
Münsterliste gegen Geld für Aufsichtsratstätigkeit
Die Westfälischen Nachrichten berichten in ihrer heutigen Ausgabe (1. Juni 2022) das der Rat der Stadt Münster auf der Sitzung am 14. Juni 2022 beschließen soll, dass die Ratsmitglieder in den städtischen Aufsichtsräten eine zusätzliche Aufwandsentschädigung erhalten sollen.
Dies lehnt die Münsterliste in einer heute veröffentlichten Pressemitteilung ab:
Ein Ratsmandat sollte ein Ehrenamt sein. Tatsächlich wird es für immer mehr Kommunalpolitiker*innen zum Geschäftsmodell mit dem ganz oder teilweise der Lebensunterhalt bestritten wird. Dies führt natürlich dazu, dass die Existenzsicherung durch das Mandat die Unabhängigkeit der Mandatsträger*innen erheblich beeinflusst.
Nun sollen in Münster die Ratsmitglieder zusätzlich für ihre Aufsichtsratstätigkeiten in städtischen Gesellschaften entlohnt werden. „Diese Selbstbedienung ist ein weiterer unverschämter Griff in die öffentlichen Kassen“, erklärt Werner Szybalski, Sprecher der Münsterliste: „Hinzu kommt, dass auch die Parteien finanziell profitieren dürften, denn praktisch alle Ratsgruppierungen müssen einen Teil ihrer Entschädigungen an die jeweilige Partei abführen.“
Mehr Transparenz statt Geld für Ehrenamtliche
Änderungsbedarf sieht die Münsterliste bei den Stadtwerken, der Wohn + Stadtbau, der Westfälische Bauindustrie, der Halle Münsterland, der Wirtschaftsförderung Münster, des Allwetterzoos sowie der Konvoy-Gesellschaft und anderen städtischen Unternehmen allerdings. Die Gesellschafter tagen in Aufsichtsräten hinter verschlossenen Türen. Alle Mandatsträger*innen sind zur Verschwiegenheit verpflichtet, so dass in der Regel etwas illegal durchgestochen werden muss, wenn die Öffentlichkeit sich nicht allein auf die Verlautbarungen der jeweiligen Geschäftsführungen verlassen will. „Alle diese Unternehmen nehmen öffentliche Aufgaben wahr. Deshalb sollten die Einwohner*innen und Nutzer*innen wenn sie schon kein Mitspracherecht haben, zumindest erfahren, was ihr*e gewählten Vertreter*innen diskutieren und welche Vorhaben sie verfolgen“, so Szybalski.
Ratsarbeit ist keine Erwerbsarbeit
„Niemand hat etwas gegen eine angemessene Aufwandsentschädigung für kommunalpolitisches Engagement. Ein Modell zur Finanzierung des eigenen Lebensbedarfs darf aber Kommunalpolitik nicht werden“, unterstreicht Sarah Geselbracht, Sprecherin der Münsterliste. Derzeit würden – laut Westfälischen Nachrichten – zumindest zwei Ratsherren die unmoralische AfD-Praxis des Ex-Ratsherrn Schiller praktizieren und sich neben den Ratsgeldern auch noch durch städtische Gelder finanzierte Eigenanstellungen gönnen. Diese Praxis erhöht die individuelle Abhängigkeit der Mandatsträger*innen noch weiter, was für die Demokratie äußerst schädlich ist.
Eigenbetriebe statt städtische GmbHs
Statt einer Finanzierung der Aufsichtsratstätigkeit für Ratsmitglieder schlägt die Münsterliste vor, die städtischen Einrichtungen aus dem Gesellschaftsdasein mit dem Zwang zu betriebswirtschaftlichen Gewinn wieder zurück in Eigenbetriebe der Stadt zu verwandeln. „Städtisches Eigentum und kommunale Daseinsvorsorge sind kein Steuersparmodell“, betont Szybalski, der fordert: „Die städtischen Einrichtungen sollten für die Einwohner*innen da sein. Bei Eigenbetrieben kontrollieren die bestehenden Ratsausschüsse die Geschäftspolitik. Idealerweise sollte der Rat der Stadt zudem beschließen, die Nutzer*innen an der politischen Kontrolle dieser Einrichtungen zum Beispiel durch Mieter*innenräte bei der Wohn + Stadtbau oder einen Fahrgastrat im ÖPNV (Öffentlicher Personennahverkehr) zu beteiligen.
Sarah Geselbracht von der Münsterliste kandidiert für den Bundestag.
Sarah Geselbracht kandidiert für den Bundestag
„Wir wollen den Wählerinnen und Wählern in Münster die Möglichkeit geben, mit der Erststimme für die Münsterliste ihren Protest gegen die aktuelle Bundespolitik deutlich zu machen. Zudem behalten sie die Möglichkeit, über die Zweitstimme über die Zusammensetzung des Berliner Parlaments und damit auch ein wenig über die zukünftige Bundesregierung mitzuentscheiden. Für die Münsterliste kam eine Zweitstimmenkandidatur bei der Bundestagswahl schon deshalb nicht in Frage, weil wir ein Verein und keine Partei sind.“ Sarah Geselbracht, Wohnraumaktivistin und Sprecherin der Münsterliste, tritt bei der Bundestagswahl am 26. September als Direktkandidatin der Münsterliste im Wahlkreis Münster an.
Zeichen für mehr Teilhabe
Die 46-jährige selbständige Grafikdesignerin ist Münsteranerin, die im Teutoburger Wald aufwuchs und zur Berufsausbildung nach Münster zurückkam. Seither lebt die gelernte Erzieherin wieder in der Stadt. „Seit den frühen neunziger Jahren interessiere ich mich für Politik. Das wir in einer Welt leben, die nicht im Zonenrandgebiet endet, wurde mir aber schon mit der Reaktor-Katastrophe von Tschernobyl bewusst. Bevor ich den ersten Schulabschluss in der Tasche hatte, fiel die Mauer und ich machte meine ersten politischen Gehversuche in der außerparlamentarischen Opposition. Allerdings zunächst noch ohne klares Ziel. Immer auf der Seite der Minderheiten kämpfe ich seither für mehr Gerechtigkeit und niedrigschwellige politische Teilhabe“, erklärt Sarah Geselbracht, warum sie und die Münsterliste den Wähler*innen in Münster bei der Bundestagswahl eine Möglichkeit bieten, ein Zeichen für mehr Teilhabe der Menschen an den öffentlichen Angelegenheiten zu setzen und für eine Stärkung der Kommunen gegenüber Land, Bund und EU zu votieren.
Bei der Kommunalwahl 2020 trat Sarah Geselbracht auf dem Listenplatz drei der Münsterliste – bunt und international für den Stadtrat an. Sie erreichte in ihrem Stimmbezirk in Gremmendorf das stärkste Ergebnis der Liste. „In den vergangenen sechs Jahren war mein Kernthema das Grundrecht auf Wohnen, was mein Engagement in der Klimabewegung abrundet. Mit großem Interesse verfolge ich deshalb alle BottomUp-Projekte und die jüngste Generation der politisch engagierten Menschen in Münster“, verdeutlichte Geselbracht bei ihrer Vorstellung und ergänzte: „Ohne den Mandatsraub von Georgios Tsakalidis würde ich vermutlich nicht für den Bundestag kandidieren. Mit der nun entstandenen neuen Fraktion, die die Münsterliste in dieser Konstellation eigentlich von Beginn an wollte, hätten wir von der ersten Ratssitzung dieser Wahlperiode an genug lokal zu tun gehabt. Aber dies verhinderte leider unser abtrünniger Spitzenkandidat.“
„Moralisch ein weiterer Tiefpunkt der Glaubwürdigkeit der herrschenden Parteien.“
Sarah Geselbracht
Für sie ist der aktuelle Bundestagswahlkampf „moralisch ein weiterer Tiefpunkt der Glaubwürdigkeit der herrschenden Parteien.“ Aus diesem Grund kandidiere sie als Direktkandidatin für Münster für den deutschen Bundestag. „Die Chance, das Mandat zu erringen, ist natürlich äußerst gering. Trotzdem möchte ich mit meiner Kandidatur ein Zeichen setzen, nicht aufzugeben, weiter für eine gerechtere Welt einzutreten und so auch allen Aktivist*innen in der Stadt Mut machen. Es braucht viel Engagement und Ausdauer, um nicht vor Verzweiflung und Ohnmacht auszubrennen, denn zweierlei haben WIR nicht: Macht & Geld. Aber unser Gerechtigkeitssinn lässt uns immer weiter kämpfen.“
May Ayim, die 1996 in Berlin verstorbene Lyrikerin und Aktivistin für die Rechte der Schwarzen in Deutschland, wäre am vergangenen Montag 61 Jahre alt geworden. May Ayim wuchs in Münster auf und machte an der Friedensschule Abitur. Nach Studium in Regensburg und Berlin wurde May Ayim für ihre Gedichte und für ihr Engagement bei der Gründung der bundesweiten Initiative Schwarze Menschen in Deutschland bekannt.
Am Geburtstag von May Ayim startete die Gruppe May Ayim Ring gemeinsam im Bündnis mit den Zugvögeln Münster, dem Arbeitskreis Afrika (AKAFRIK), Vamos und dem Verein Grevener 31 den zweiten Versuch, eine Straße nach der Vorkämpferin für Afro-Deutsche und Schwarze in Deutschland zu benennen.
Zugvögel wollen Umbenennung des Kaiser-Wilhelm-Rings
Im Frühjahr hatten die Zugvögel Münster vorgeschlagen, den Kaiser-Wilhelm-Ring in May-Ayim-Ring umzubenennen. Diese Forderung unterstützt das Bündnis. Werner Szybalski von der Münsterliste erklärte zum Auftakt der Kundgebung an der Warendorfer Straße allerdings: „Wissend, dass es eine zielgerichtete Diskussion zur Entfernung belasteter Straßennamen in Münster gibt, möchten wir heute aufzeigen, dass wir der Ansicht sind, dass in Münster mit einem Straßennamen den Schwarzen Menschen Respekt und Anerkennung gezollt werden sollte. Uns ist wichtig, dass in der laufenden Diskussion zu Straßenumbenennungen in Münster die Schwarzen Münsteraner*innen berücksichtigt werden. May Ayim erscheint uns eine richtige Wahl. Welche Straße es nachher wird, ist dabei für uns von geringerer Bedeutung.“
Schwarze leiden unter Alltagsrassismus
Clarissa Naujok, Dritte Stellvertretende Vorsitzende des Integrationsrates der Stadt Münster, gab einen Einblick in die Lebenswirklichkeit Schwarzer Menschen in Münster: „Das Leben ist für Schwarze in unserer Stadt leider noch immer von Rassismus stark beeinträchtigt. Ich selbst erlebe dies sogar im Integrationsrat der Stadt.“ Sie unterstützt die öffentliche Ehrung von May Ayim durch eine Straßenbenennung, weil es auch ein Zeichen zur Anerkennung der Lebensleistung Schwarzer in Deutschland sei.
Mit der kolonialer Vergangenheit auseinandersetzen
Thomas Siepelmeyer vom Arbeitskreis Afrika verband die vielen rassistischen Erfahrungen Schwarzer in Münster mit der Geschichte des deutschen Kolonialismus. Es würde viel zu viel an Militaristen und Kolonialisten als an die Opfer gedacht. Dies gelte auch für Denkmäler und Straßennamen.
Die Zugvögel Münster, Initiator*innen der Umbenennung des Kaiser-Wilhelm-Rings, verdeutlichten: „Wir fordern, dass sich die Stadt Münster umfassend mit ihrer kolonialen Vergangenheit auseinander setzt und diese aktiv aufarbeitet.“
Unrast-Verlag veröffentlicht Werke von und über May Ayim
Die Auftaktveranstaltung am Kaiser-Wilhelm-Ring wurde mit Livemusik von Fari Hadipour und Daniel eingerahmt. Im Münsteraner Unrast-Verlag werden im August Werke von May Ayim, darunter auch „Blues in Schwarz weiß“ neu aufgelegt. Auch ein biographisches Buch über May Ayim, herausgegeben von Ika Hügel-Marshall, soll im Sommer erscheinen.
Maikundgebung in Münster erklärt: „Solidarität ist Zukunft!“
Anders als im ersten Pandemiejahr nahm auch der antikapitalistische Block in diesem Jahr an der offiziellen DGB-Kundgebung auf der Stubengassein Münster teil. Im vergangen Jahr setzten sich am Maifeiertag rund 80 Antikapitalisten unter dem Motto „Der Krise solidarisch entgegentreten“ auf einer „kämpferischen Kundgebung“ (FAU Münster) in Kinderhaus unter anderem für Mieter*innen und Geflüchtete ein. In diesem Jahr marschierten sie – angeführt von der Roten Kapelle – gemeinsam mit dem DGB vom Servatiiplatz zum Kundgebungsgelände. Der DGB Münsterland freute sich auf Facebook „über 350 begeisterten Teilnehmer*innen“ und erklärte: „[G]ewerkschaftliche Stärke, Geschlossenheit und Solidarität [sind] wichtige Eckpfeiler unserer Demokratie.“ Auch Bundesumweltministerin Svenja Schulze und ihr Mann Andrea Arcais (beide SPD) nahmen an der Kundgebung teil.
Weder Prominenz noch Linke auf der Bühne
Die Redner*innenliste auf der Stubengasse war lokal dominiert. Zunächst sprachen der DGB-Stadtverbandsvorsitzende Peter Mai und ein Vertreter der DGB-Jugend. Maria Salinas, umstrittene (siehe unten) Vorsitzende des Integrationsrates der Stadt Münster, warb für ein interkulturelles Wachstum und Helge Adolphs von der Gewerkschaft Nahrung Genuss Gaststätten Münsterland (NGG) sorgte sich um die Tausenden mit ungewisser Zukunft. Anne Sandner, Hauptamtliche beim DGB, bezeichnete die zeitgleich am Aasee versammelten Impfgegner als rücksichtlos und egoistisch. Alle Beiträge standen unter dem Motto „Solidarität ist Zukunft!“.
Der Vorsitzende der Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) in ver.di Münsterland und Betreiber der Facebookseite „Münstersche Volkszeitung“, Dr. Frank Biermann, zeigte sich auf seinem privaten Facebookaccount begeistert von den Reden. „[D]ie Redner:innen wußten durchweg zu überzeugen, schmerzlich vermißt wurde das internationale Kulturprogramm im Anschluß an die Kundgebung, das coronabedingt nicht durchgeführt werden konnte. Und bei den Traditionalisten mag auch ein wenig der Magen geknurrt haben, die traditionelle DGB-Erbsensuppe mit oder ohne Wursteinlage konnte in diesem Jahr nicht ausgegeben werden.“
Die DGB-Jugend, die Jusos sowie die Linke standen ganz vorn an der Bühne. (Foto: Werner Szybalski)
`solid macht die Grenzziehung deutlich
Doch abgesehen von diesen pandemiebedingten Ausfällen schien auch ein großer Teil der Versammlung wenig interessiert an den offiziellen Ausführungen. Nur der Kern vor der kleinen Bühne schien den Worten der Redner*innen tatsächlich zu lauschen. Dies dürfte daran gelegen haben, dass knapp die Hälfte der Teilnehmer*innen mit dem systemkonformen Kurs des Deutschen Gewerkschaftsbundes hadert. So wurde von ROSA („An die Arbeit – Let´s chose Communism“) bis zur Linksjugend [´solid] („Die Grenzen verlaufen nicht zwischen innen & außen, sondern zwischen oben & unten“) in der Zuhörerschaft deutlich radikaler der gesellschaftliche Wandel gefordert, als von den Redner*innen auf der Bühne. Die anarchosyndikalistsche Gewerkschaft FAU Münster hatte den „Kampftag der Arbeiter*innenklasse […] ausgiebig begangen.“ Schon am Vorabend, der Walpurgisnacht, hatte die FAU zur Kundgebung „Patriarchat und Kapitalismus verhexen“ zu den Aaseekugeln geladen. Nach der Teilnahme am 1. Mai in Münster ging es nach Dortmund, um gemeinsam mit insgesamt 700 Anarchist*innen aus dem Ruhrgebiet, Siegen, Krefeld, Koblenz und Bielefeld gemeinsam den 1. Mai zu begehen.
Die Arnachosyndikalisten zeigten auf der Stubengassen Flagge und verteilten ihre 1.-Mai-Sonderausgabe ihrer Zeitung „Direkte Aktion“. (Foto: Werner Szybalski)
Migrant*innen protestieren
Nur beim Kulturprogramm fehlten die Vereinigungen der Migrant*innen. Besonders präsent waren auf der Stubengasse die Kurd*innen, die auf ihre Unterdrückung in der Türkei aufmerksam machten. Auch ODAK war gut sichtbar. Etwas kleiner fielen die Protestplakate der Deutsch-Bulgarischen Elterninititiative „Jan Bibijan“ e.V. aus. Sie richteten sich direkt an die Vorsitzende des Intergrationsrates, Maria Salinas, die sich aktuell auch Rassismusvorwürfen aus dem kleinen Kreis ihrer Stellvertreter*innen im Vorstand des Integrationsrates stellen muss. (siehe hierzu auch meinen Beitrag „Knatsch im Integrationsrat“ auf Die Wiedertäufer.)
Der 1. Vorsitzende der Elterninitiative, Ulf Georgiew, fühlt sich aktuell von Stadt und Integrationsrat benachteiligt, weil die Elterninitiative angeblich keine oder nur reduzierte Förderung vom Integrationsrat unter Vorsitz von Maria Salinas erhalte und weil – nach eigener Aussage – die Stadt Münster ihnen für Veranstaltungen keine öffenlichen Plätze zur Verfügung stelle. Am 1. Mai forderten sie genau dies und auch die „Öffnung der Schulen für muttersprachlichen Unterricht.“
Das DKGZ Münster forderte Solidarität mit den in der Türkei verfolgten Kurden. (Foto: Werner Szybalski)
Internationale Solidarität
Am Vortag des 1. Mai hatte der DGB Münsterland auf Facebook verkündet, dass die internationale Solidarität lebe. „Mit starken Delegationen aus beiden Ländern haben wir heute – vor dem Tag der Arbeit – den Interregionalen Gewerkschaftsrat Münsterland-Achterhoek-Twente (IGR MAT) gegründet. Gemeinsam mit vielen ehrenamtlichen Kolleginen und Kollegen aus DGB und unseren niederländischen Partnerdachverbänden FNV und CNV wollen wir die grenzüberschreitende Zusammenarbeit verbessern und uns u.a. für gute Arbeitsbedingungen der Grenzpendler_innen einsetzen. Der Gründung voraus gegangen sind nun vier Jahre der intensiven Zusammenarbeit. Aus anfänglichen Austauschen wurden regelmäßige Treffen und gemeinsame Aktionen sowie die Einbettung der Gewerkschaften in die EUREGIO Gronau …u nd nun: ein festes Gremium der Zusammenarbeit! We zijn happy! Auf gute Zusammenarbeit! Samen voor een sociaal Europa!“
Rund 350 Teilnehmer*innen kamen zur DGB-Kundgebung auf der Stubengasse. (Foto: Werner Szybalski)
E-Center, Hafenmarkt und Quartiersgarage – abstimmen lassen!
Hansa / Hafen. „Warum fragt eigentlich niemand die betroffenen Anwohner*innen nach ihrer Meinung?“ Sarah Geselbracht, Sprecherin der kommunalistisch orientierten Münsterliste, will nicht einsehen, warum die Menschen nicht direkt und entscheidungsbefugt an den kommunalen Planungen in ihren Wohnquartieren beteiligt werden: „Einspruch gegen ungewollte Maßnahmen in Planungsverfahren zu erheben, ist ein richtiger und wichtiger Schritt. Doch echte Beteiligung der Bürger*innen an örtlichen Entscheidungen sieht aus unserer Sicht anders aus.“
Die Münsterliste schlägt bei dem umstrittenen und derzeit brach liegenden Bauvorhaben der Firma Stroetmann am Hansaring (ehemals E-Center, jetzt Hafenmarkt) deshalb vor, zeitgleich bei der Bundestagswahl im Herbst die Bewohner*innen im Hansaviertel, Klein-Muffi und den weiteren angrenzenden Wohngebieten über die Zukunft der Stroetmannschen Bauruine abstimmen zu lassen. Natürlich sollen auch die bei der Bundestagswahl nicht Wahlberechtigten, also zum Beispiel Jugendliche und Migrant- *innen, an der Abstimmung teilnehmen können. „Direkte Demokratie ist möglich und bindet die Menschen unmittelbar ein. Der Rat der Stadt müsste nur zuvor beschließen, sich an das Mehrheitsvotum der Menschen gebunden zu fühlen“, so Geselbracht.
Die Münsterliste möchte bei der Bundestagswahl die Bewohner*innen rund um den geplanten Einkaufspalast am Hansaring über die zukünftige Nutzung des Geländes abstimmen lassen. Dafür demonstrierten sie jüngst gemeinsam mit Anwohner*innen. Foto: Werner Szybalski
Der Rat der Stadt Münster hat im März mit einer Mehrheit aus CDU, SPD und FDP beschlossen, dass nun nochmals versucht werden soll, zwischen Hansaring und Hafen ein Edeka-Einkaufszentrum zu bauen. Dies war notwendig geworden, weil der erste Versuch, am Hansaring ein E-Center zu errichten, 2018 vom Oberverwaltungsgericht (OVG) in Münster gestoppt worden war. „Das OVG hatte im letzten Monat im Sinne der Hafencenter-Gegner entschieden und dabei auf zwei wesentliche Mängel des Bebauungsplans verwiesen. Einerseits habe der Stadtrat bei der Aufstellung des Bebauungsplans die Schließung des als Theodor-Scheiwe-Straße bekannten Betriebswegs nicht berücksichtigt. Dies sei ein »durchgreifender Abwägungsmangel«. Weiter monierten die Richter, dass der Nutzungszweck Dienstleistungen nicht ausreichend definiert worden sei“, vermeldete das Online-Magazin „Wiedertäufer“ vor drei Jahren.
Zweiter Versuch des Investors Stroetmann
Nun unternahm der Stadtrat in Münster den zweiten Versuch, die Pläne des Investors Stroetmann in leicht veränderter Form zu Ende zu bringen.
So wurde die Verkaufsfläche des klassischen Supermarktes verringert. Es sind nun weitere Verkaufsgelegenheiten geplant, die aus dem E-Center den Hafenmarkt machen sollen. Mit insgesamt rund 3000 m² Verkaufsfläche ist das vielen Anwohner*innen und insbesondere den Gegner*innen des Projektes noch immer zu viel. „Durch zusätzliche 3000 m² Verkaufsfläche wird aus der guten Versorgung eine Überversorgung in unserem Viertel“, heißt es in dem internen Abstimmungspapier der Hafenmarkt-Gegner*innen. Sie befürchten, dass „die Lebens- und Wohnsituation“ im Viertel sich verschlechtert, da die „hohe Verkehrsbelastung […] durch den Hafenmarkt noch weiter zunehmen“ würde, somit auch die „gesundheitsgefährdende Lärmbelastung der Anwohner*innen“ noch weiter ansteige. Die geplante „Markthalle“ sei ein Fake. „87 Prozent der Verkaufsfläche verbleiben als Verbrauchermarkt im EDEKA-Stil.“ Dies würde „alteingesessene Anbieter*innen in den Bankrott treiben“, befürchten sie. Diese zitierte Stellungsnahme verteilten die drei Vereinigungen „Mehr Lebensqualität für das Hansa- und Hafenviertel“, „Initiative Zukunft Hafen“ und die Nachbarschaftsinitiative „Platanenpower“ in der vergangenen Woche an die Haushalte der betroffenen Wohnviertel per Flugschrift. In diesem kritisierten die drei Vereine auch die zu geringe Zahl an neuen Wohnungen. Im Zuge des Projekts sollen nur 34 gebaut werden: „Keine der Wohnungen wird öffentlich gefördert“. Sie „sind damit nicht preisgebunden.“ Dieser „B-Plan“ bevorzuge das Interesse des Vorhabenträgers und ordne ihm die Interessen der Menschen im Quartier vollkommen unter, behaupten die Gegner*innen.
„Die Menschen selbst entscheiden lassen.“
Sarah Geselbracht
„Diese Einschätzung teilen wir. Deshalb drängen wir nun darauf, dass die Menschen selbst entscheiden dürfen. Dies möglichst endgültig. Was bedeutet, dass der Rat der Stadt Münster die Entscheidung der Bürger*innen anerkennt und akzeptiert“, erläuterte Sarah Geselbracht von der Münsterliste.
Einwendungen können bis zum 21. Mai erhoben werden
Trotzdem unterstützt der kommunalpolitische Verein Münsterliste auch die zur Zeit laufende Kampagne zur Einreichung von Einwendungen im offiziellen Beteiligungsverfahren der Stadt Münster. „Eine direkte Abstimmung der Menschen über den weiteren Umgang mit der Bauruine ist uns wichtig, denn nur so können alle von der Maßnahme betroffenen Anwohner*innen mit darüber entscheiden. Deshalb ist es richtig, auch persönliche Bedenken gegen die Planung im Beteiligungsverfahren einzuwenden. Schließlich konnte der erste Versuch nur durch Einwender*innen vor dem Gericht gestoppt werden“, ruft Sarah Geselbracht dazu auf, Bedenken gegen den Bebauungsplan und auch Verbesserungsvorschläge der Stadt Münster offiziell mitzuteilen. Dies ist im gesetzlichen Beteiligungsverfahren bis zum 21. Mai möglich. Entweder persönlich im Stadthaus 3 am Albersloher Weg 33 oder digital per Email an stadtplanung@stadt-muenster.de.
Hilfestellung zur Formulierung von Einwendungen gibt die Partei Die Linke auf ihrer Webseite. (Hier kann ein Formular für Einwendungen heruntergeladen werden: Formular Einwendung Hafenmarkt). Gemeinsam mit Grünen und ÖDP / Die Partei hatten auch die drei Ratsmitglieder der Linken gegen den Versuch der Stadt gestimmt, nun den „B-Plan“ im Hansaviertel durchzusetzen.
May Ayim, die Lyrikerin und feministische Vorkämpferin für die Rechte der Afro-Deutschen und Schwarzen in Deutschland wuchs in Münster auf. Obwohl sie weltweit bekannt ist, erinnert bislang kaum etwas in der westfälischen Domstadt an diese außergewöhnliche Frau. Am 3. Mai diesen Jahres wäre May Ayim 61 Jahre alt geworden.
Eine internationale Gruppe in Münster möchte, dass ein Platz oder eine Straße in Münster nach May Ayim benannt wird. Im vergangenen Jahr scheiterte der Versuch, mit einem Bürger*innen-Antrag an die Bezirksvertretung Mitte den heutigen Haltepunkt „Mauritz-Mitte“ in May-Ayim-Platz umzubenennen. Obwohl durch hunderte Unterschriften unterstützt, wurde der Antrag nur insoweit umgesetzt, dass der aus der Nazizeit stammende Name „Danziger Freiheit“ endlich verschwand. Dies hatte zuvor Hugo Elkemann für die Friedenskooperative Münster in einem eigenen Antrag gefordert.
Nun starten verschiedene Institutionen einen neuen Versuch zur Umbenennung. Der Kaiser-Wilhelm-Ring zwischen Bohlweg und Warendorfer Straße soll nach Auffassung unter anderem der lokalen Vereinigungen AKAFRIK, VAMOS, der Münsterliste sowie der Zugvögel Münster in „May-Ayim-Ring“ umbenannt werden.
Gestartet wird mit einer kleinen, coronakonfomen Demonstration am Geburtstag der 1996 in Berlin verstorbenen May Ayim: am Montag, dem 3. Mai von 16 Uhr bis 18 Uhr an der Warendorfer Straße / Ecke Ring.