Der (fast) vergessene Fußballstar aus Münster

Alexander Heflik liest aus seinem Buch „Erwin Kostedde“

Erwin Kostedde, der erste Schwarze im Dress der deutschen Fußballnationalmannschaft, ist Münsteraner. Er wuchs am Laerer Landweg im Osten Münsters aus. Seine ersten Fußball-Schritte machte der Kicker auf dem Rasen des SC Münster 08. Der Durchbruch gelang Kostedde aber beim TuS Saxonia Münster, wo unter anderem Preußen-Legende Felix „Fiffy“ Gerritzen ihn trainierte. Logisch, dass Erwin Kostedde später vom Kanal an die Hammer Straße wechselte und dort erstmals einen Adler auf der Brust trug. In zwei Regionalligaspielzeiten wurde Kostedde 35 Mal eingesetzt und erzielte für den SC Preußen Münster achtzehn Tore.

Torschützenkönig in Belgien

Sein weiterer Fußballweg führte ihn nach Duisburg, wo er ein Jahr in der Bundesliga für den MSV Duisburg auflief. Weiter ging es zum belgischen Erstligisten Standard Lüttich. 1971 wurde der Münsteraner mit 26 Treffern Torschützenkönig in Belgien.

Seine Rückkehr nach Deutschland führte Erwin Kostedde nach Hessen, wo er großen Anteil am Aufstieg von Kickers Offenbach in die Bundesliga hatte. Er ist bis heute Rekordbundesligatorschütze der Kickers, deren Anhänger ihm zu Ehren das Fanzi am Bieberer Berg in Offenbach „Erwin“ taufen.

Über Hertha BSC Berlin führte Kostedde der Weg zurück nach Westfalen. 1976 spiele er für den BVB aus Dortmund. zu Borussia Dortmund. Es folgte ein Vertrag beim Zweitligisten Union Solingen, von dem Kostedde zum abstiegsbedrohten französischen Erstligsten Stade Laval wechselte. Mit seinen Treffern wurde er zuerst „Retter“ des Vereins und später, gemeinsam mit dem Argentinier Delio Onnis von AS Monaco, sogar Torschützenkönig der Ligue 1. Anfang der 80er Jahre ging es noch einmal zurück in die Bundesliga, denn Erwin Kostedde stieg mit Werder Bremen aus der Zweiten in die Erste Bundesliga auf. Seine aktive Karriere als Fußball-Profi beendete Erwin Kostedde 1983 mit 37 Jahren beim VfL Osnabrück.

Lesung beim TuS Saxonia Münster

Heute lebt Erwin Kostedde, der erster Schwarze im deutschen Nationaltrikot, zurückgezogen in Everswinkel. Der Sportchef der Westfälischen Nachrichten, Alexander Heflik, hat in diesem Jahr beim Werkstatt Verlag ein Buch über Erwin Kosteddes Leben veröffentlicht. Es ist so gut, dass es von der Deutschen Akademie für Fußballkultur zum Fußballbuch des Jahres 2021 nominiert wurde.

Alexander Heflik, Sportchef der Westfälischen Nachrichten. (Foto: Uli Schaper)

Aus diesem Werk wird Alexander Heflik am Donnerstag, dem 28. Oktober, um 19 Uhr beim TuS Saxonia Münster (August-Schepers-Straße 20 in 48155 Münster) auf Einladung des May Ayim Ring lesen. Mit der Veranstaltung soll auch der erfolgreichste Schwarze Münsteraner geehrt werden. Wegen der Corona-Bedingungen ist eine Anmeldung per Email an Heflik@may-ayim-ring.org erforderlich.

Protest gegen 1000-Kreuze-Marsch

Das Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung Münster ruft für den 23. Oktober 2021 zu einer bunten Demonstration für das Recht auf selbstbestimmte Familienplanung und Sexualität sowie für das Recht auf einen legalen und sicheren Schwangerschaftsabbruch auf. Die Demo beginnt um 13:30 Uhr am Hauptbahnhof Münster. Außerdem gibt es ab 15 Uhr eine Kundgebung am Prinzipalmarkt mit Redebeiträgen und Livemusik.

Demonstration am Samstag (23. Oktober)

Am selben Tag planen Abtreibungsgegner*innen eine Demonstration durch Münster. Der sogenannte 1000-Kreuze-Marsch vereint christlich-fundamentalistische Gruppen, Mitglieder der AfD und andere ultra-konservative Organisationen. Gemeinsam ist ihnen, dass sie Frauen das Recht absprechen, selbst über ihren Körper zu bestimmen. Sie stellen Schwangerschaftsabbrüche als unmoralisch und sogar als Mord dar und fordern das Verbot von Abtreibungen und die Bestrafung von Betroffenen und Ärzt*innen, die Abbrüche durchführen.

Für sexuelle Selbstbestimmung und gegen die Kriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen

Bündnissprecherin Christine Schmidt: „Gerade in diesem Jahr, das unter dem Zeichen von 150 Jahren Widerstand gegen §218 StGB steht, wollen wir uns laut für sexuelle Selbstbestimmung und gegen die Kriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen aussprechen! Mit unserem Protest setzen wir ein Zeichen gegen eine antifeministische und rückwärtsgewandte Einstellung, für die der 1000-Kreuze-Marsch als Teil der Anti-Choice-Bewegung steht. Diese drangsaliert seit vielen Jahren in der ganzen Republik Frauenberatungsstellen und Ärzt*innen, verbreitet verzerrende Informationen zum Schwangerschaftsabbruch, lobbyiert für die Rückkehr zu traditionellen Geschlechterrollen und lehnt oft auch Scheidung, Verhütung und die Akzeptanz von sexueller und geschlechtlicher Vielfalt ab.”

Streichung der §§ 218 und 219

Schmidt weiter: „Mit der Kundgebung fordern wir die Streichung der §§ 218 und 219 aus dem Strafgesetzbuch, eine ausreichende medizinische Versorgung für Schwangere und für Personen, die eine Schwangerschaft abbrechen lassen möchten, den kostenlosen Zugang zu Verhütungsmitteln, soziale und ökonomische Unterstützung für alle, die sich für ein Kind entscheiden und eine Sexualaufklärung, die es allen ermöglicht, sich in sexueller Selbstbestimmtheit zu entwickeln.“

Das Bündnis ruft zur zahlreichen Teilnahme auf. 

Prinzipalmarkt unter Wasser

Greenpeace-Protest in Münster

Für wirksame Klimaschutzmaßnahmen protestierten Aktive von Greenpeace Münster heute mit einer Kunstaktion am Aasee. Sie wollen damit an das Bekenntnis zu den Pariser Klimazielen erinnern. 2015 einigten sich zahlreiche
Staaten darauf, die Erderhitzung auf 1,5 Grad zu begrenzen. Die Realität heute – sechs Jahre später: Die Erde hat sich bereits um mehr als 1,3 Grad erhitzt. Der Amazonas brennt, Küsten werden überschwemmt und Extremwetterereignisse
häufen sich auch in Deutschland.

„Angesichts des steigenden Meeresspiegels und der zunehmenden Wetterextreme brauchen wir schnell wirksame Klimaschutzmaßnahmen!“, fordert Tim Nau von Greenpeace Münster. „Die Klimakatastrophe gefährdet uns alle.“

Um das zu visualisieren, hat die Ortsgruppe Münster heute drei zwei mal zwei Meter große Holzmodelle der Häuser am Prinzipalmarkt sowie des Doms im Aasee versenkt. Unter dem Motto „Es fehlt erst, wenn es weg ist“ wurden zudem Bilder ausgestellt, die bekannte Orte des Stadtbilds zeigten, deren Sehenswürdigkeiten „verschwunden“ waren – wie es vielleicht bald dem Amazonas Regenwald und den küstennahen Gebieten unserer Erde passiert.

Quelle: Greenpeace Münster

Jugend-Sportvereinspreis mit aktuellem Fokus

Im vergangenen Jahr gewannen die Mammuts Münster den Jugend-Sportvereinspreis. Lotte Stork aus dem Cheerleader-Team freute sich über die Gewinnerurkunde. (Foto: Stadtwerke Münster)

„Nachhaltig im Sportverein“

„Nachhaltigkeit gewinnt“ – unter diesem Motto schreiben die Stadtwerke Münster und der Stadtsportbund Münster in diesem Jahr wieder den Jugend-Sportvereinspreis aus. Denn angesichts etwa der Flutkatastrophe in verschiedenen
Regionen von NRW und Rheinland-Pfalz gewinnen die Themen Umweltschutz und Ressourcenschonung deutlich an Bedeutung.

Auch Sportvereine können sich dem nicht verschließen. Ist doch eine intakte Umwelt eine Grundvoraussetzung dafür, uneingeschränkt Sport treiben zu können. Der Stadtsportbund geht mit gutem Beispiel voran, beteiligt sich aktuell am Projekt „Ökoprofit“. Auch viele Vereine sind nachhaltig unterwegs, geben Trikots weiter, bilden Fahrgemeinschaften, sparen Energie oder haben andere Wege gefunden. Vieles geschieht dabei im Verborgenen, würde anderen aber möglicherweise helfen, ebenfalls aktiv zu werden. Deshalb möchten die Stadtwerke und der Stadtsportbund von Münsters Sportvereinen wissen, auf welchen Feldern sie bereits nachhaltig etwas für den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen tun und freuen uns sehr auf innovative Ideen. Die eingereichten Anregungen und Ideen werden anschließend auf der SSB-Homepage veröffentlicht. So können alle der mehr als 200 Mitgliedsvereine des Stadtsportbundes davon profitieren.

Mitmachen lohnt. Schließlich winkt den erfolgreichsten und aktivsten Vereinen ein Preisgeld in Höhe von insgesamt 2000 Euro und die Ehrung im Rahmen der Show des Sports am Freitag, 26. November, in der Sporthalle Berg Fidel.

Die Teilnahmeunterlagen können online heruntergeladen werden. Einsendeschluss ist der 25. Oktober 2021.

Quelle: Pressemitteilung des Stadtsporbundes Münster

Otto Addo besucht May Ayim Ring

Rassismuserfahrung eines Spitzensportlers

Unter Rassismus leiden in Deutschland alle Menschen, die nicht weiß sind. Selbst prominenten BiPoC erfuhren und erfahren immer wieder diskriminierende Situationen und werden verbal und nonverbal attackiert. Um zu erfahren, wie es gesellschaftlich erfolgreichen Menschen gelang, mit dieser Ausgrenzung (und Abwertung) zu leben, wie sie es trotz dieser prekären Lebenssituation geschafft haben, sich in der weißen Gesellschaft in Deutschland durchzusetzen und welche Strategien und Maßnahmen sie ergriffen haben, um trotz der diskriminierenden Rahmenbedingungen erfolgreich zu sein, hat der May Ayim Ring Münster den erfolgreichen Trainer und früheren Deutschen Fußballmeister (2002 mit dem BVB) Otto Addo eingeladen. Er wird am Mittwoch, dem 27. Oktober, um 19 Uhr im Tribünengebäude des SC Preußen Münster zu Gast sein.

Christoph Strässer, ehemaliger Menschenrechtsbeauftragter der Bundesregierung und Präsident des SC Preußen Münster, wird Otto Addo im Preußen-Stadion begrüßen und zur Situation Schwarzer und BiPoC beim SCP (Verein und Fangemeinde) sprechen. (Foto: SC Preußen Münster)

Otto Addo, erst vor wenigen Wochen zum Co-Trainer der Nationalmannschaft von Ghana ernannt, ist Top-Talente-Trainer von Borussia Dortmund. Er feierte Mitte Mai diesen Jahres als Co-Trainer von Interimscoach Edin Terzic mit dem BVB den Gewinn des DFB-Pokals.

„Ich war das auch im Fußball gewohnt, beleidigt zu werden. Das war für mich leider normal. In der Hälfte der Spiele ist das passiert, in der anderen nicht. Für mich war es das Größte, wenn ich trotzdem als Sieger vom Platz ging. Das war für mich das Beste.“

Otto Addo über rassistische Beleidigungen im Fußball
Otto Addo ist Top-Talente-Trainer bei Borussia Dortmund und Co-Trainer der Nationalmannschaft von Ghana. (Foto: BVB)

Wie May Ayim ist auch Otto Addo in Hamburg geboren. Auch seine Mutter ist Hamburgerin und sein Vater, wie der von May Ayim, ein aus Ghana stammender Mediziner. Mit sechs Jahren begann Addo beim örtlichen Club Hummelsbütteler SV Fußball zu spielen. Die Konzentration auf den Sport wurde dem Jungen schwer gemacht, denn sowohl auf dem Fußballplatz als auch in der Schule. „Meine Schwester und ich waren die einzigen Schwarzen auf der ganzen Schule. Ich musste mich erstmal beweisen, egal, wo ich hinkam – in der ersten Klasse, der Vierten, der Gymnasialstufe“, erklärte Otto Addo im Gespräch mit den Ruhr Nachrichten. Er wurde Otto Addo – wegen seiner Hautfarbe – immer wieder diskriminiert und rassistisch beleidigt. Trotzdem kämpfte er sich durch und erklomm mit dem BVB als Spieler und als Mitglied des Trainerteams die höchsten deutschen Fußballgipfel.

„N*** raus!“

Otto Addo machte im Fußball Karriere. Als er 1997 in der 2. Liga mit Hannover 96 – gemeinsam mit Gerald Asamoah im Team – bei Energie Cottbus antrat, erlebte Addo und der Profifußball in Deutschland einen seiner Tiefpunkte. Im Gespräch mit dem Fußball-Magazin 11 Freunde erinnerte sich Addo an dieses Spiel: „Außer­halb des Sports gab es noch schlim­mere Sachen, aber was den Fuß­ball angeht, war es das, ja. Weil das Sta­dion damals mit 20.000 Zuschauern voll war, und auf einmal schreien die Fans zwei, drei Minuten lang: ​»N*** raus!« Ich hab’ gedacht, ich bin im fal­schen Film. Auch die Gegen­spieler haben mich und Gerald Asa­moah belei­digt, wollten uns pro­vo­zieren.“

Ghana statt Deutschland

Die Laufbahn von Otto Addo wurde ebenfalls durch Rassismus beeinflusst, wie er 11 Freunde erklärte: „Als Anfang der 90er die Gewalt­taten im Osten gegen Aus­länder zunahmen, wäre ich da nicht hin­ge­wech­selt. Dass ich mich damals für die gha­nai­sche Natio­nal­mann­schaft ent­schieden habe, hängt auch mit nega­tiven Erfah­rungen zusammen. Ich finde aller­dings sehr gut, dass Gerald Asa­moah für Deutsch­land spielt. Das muss jeder für sich ent­scheiden.“

Rassismus im Sport spiegelt die Einstellung der Gesellschaft

Addo erlebt Rassismus noch immer. So erzählte er dem Fußball-Magazin, dass er wegen seiner Hautfarbe diskriminiert würde. Erst, wenn er als prominenter Sportler erkannt würde, täte es den Täter*innen Leid: „Zum Bei­spiel die Polizei: Wenn die sehen, dass ein dun­kel­häu­tiger Mensch einen teuren Wagen fährt, dann drehen die auf der Straße um und halten dich an. Manchmal pas­siert das drei Mal am Tag. Und dann for­dern sie in einem ernsten Ton Aus­weis­pa­piere von mir und allen Insassen. Einmal mussten wir sogar aus­steigen und uns durch­su­chen lassen. Wenn sie dann meinen Namen lesen, werden die Stimm­lagen gleich freund­li­cher, zumin­dest wenn sie Ahnung vom Fuß­ball haben und mich erkennen. So was ist mir überall pas­siert, in Ham­burg, Han­nover, Dort­mund. Es kommt heute auch noch vor, dass mich Dort­mund-Fans in gebro­chenem Eng­lisch anspre­chen.“

Anmeldung per Email

Das Gespräch und Diskussion mit Otto Addo zum Thema „Rassismuserfahrung von Spitzensportlern“ beginnt um 19 Uhr im VIP-Saal 1 des Preußen-Stadions. Beim Zutritt zur Veranstaltung gilt die 3G-Regel (geimpft, genesen oder getestet). Deshalb wird um eine vorherige Anmeldung per Email (addo@may-ayim-ring.org) wird gebeten.

Gasometer wird sozio-kultureller Treffpunkt

Zwischennutzung des Gasometer-Geländes durch den Verein Sozialpalast endet am 31. Dezember

Mitte Juni präsentierte bei einem teilöffentlichen Fest der Verein Sozialpalast das Gelände des ehemaligen Gasspeichers am Albersloher Weg. Der Verein hat von den Stadtwerken Münster den Gasometer und die umliegenden Flächen – insgesamt 1,3 Hektar – in diesem Jahr gepachtet. Ende des Jahres läuft der Vertrag aus. Die rund 25 Aktvist*innen und ihr breites Umfeld möchten natürlich auch in 2022 allen Menschen einen niedrigschwelligen Treffpunkt und einen offenen Veranstaltungsraum bieten. Deshalb traten sie gestern (14. Oktober) vor die Presse, um sich und ihr Projekt vorzustellen.

Am 12. Juni lud der Verein Sozialpalast zum ersten Mal Gäste auf das Gelände rund um den Gasometer in Münster ein. (Fotos: Werner Szybalski)

Initiative startete unmittelbar vor Beginn der Corona-Pandemie

„Wir haben Anfang 2020 mit den Planungen begonnen. Im Dezember haben wir dann den Verein gegründet und in diesem Jahr das Gelände pachten können“, erläutete Theo Ketzscher zu Beginn des Pressetermins. Der Verein hat zwar auch einen gesetzlichen Vorstand, die Mitglieder fühlen und handeln aber als gesamtverantwortliches Kollektiv.

Der 52 Meter hohe Gasometer war bis 2005 in Betrieb und die so genannte, etwa 800 Tonnen schwere Glockenkonstruktion des Teleskopgasbehälters fasste bis zu 75.000 m³ Gas. Die „Glocke“, der obere Abschluss des Gastanks wurde allein durch den Innendruck des Gases oben gehalten. Vor 16 Jahren wurde der Betrieb des Gasometers durch ein unterirdisches Erdgas-Röhrennetzwerk der Stadtwerke Münster ersetzt. Inzwischen ist die Glockenkonstruktion unter Denkmalschutz gestellt.

Den alten Gasometer möchte der Verein Sozialpalast als offene Kulturfläche für Ausstellungen, Projekte und Events nutzen.

Sei dem Betriebsende wurde der Gasometer von verschiedenen Kulturinstitutionen (Wolfgang-Borchert-Theater, Theater Titanick, Künstlergruppe Möhre) genutzt. 2013 veranstaltete der Sozialpalast erstmals ein Event im Gasometer. Ab 2016 pachtete die Sektion Münster des Deutschen Alpenvereins das Gelände, um es für Vereinszwecke (Klettergarten „Monte Gaso“) zu nutzen. Anfang 2018 zog sich der Deutsche Alpenverein zurück und siedelte sich in der ehemaligen DJK Sportschule „Kardinal-von-Galen“ an der Koburg in Uppenberg an. Gescheitert sei das Projekt an den hohen Kosten. Allein die erforderliche Entrostung des Industriedenkmals würde rund 800.000 Euro verschlingen.

Unkommerziell – dauerhaft – zugänglich

Nun versucht der Verein Sozialpalast das Gelände langfristig zu bespielen. „Uns ist dabei besonders wichtig, dass dieser Ort unkommerziell bleibt und dauerhaft der Öffentlichkeit zugänglich ist“, verdeutliche Mala Wolff im Pressegespräch. Von ihrem Konzept sich die überwiegend jungen Macher*innen überzeugt. Zudem können sie auch schon auf einige erfolgreiche Veranstaltung seit dem Frühsommer zurückblicken: „Lesungen, Filme, Gespräche und auch Nachbarschaftstreffen haben wir schon organisiert.“ Insbesondere die Bewohner*innen des benachbarten Lütkenbecker Viertels und auch die Kleingärtner*innen nebenan hätten inzwischen die Scheu abgelegt und würden ein freundschaftliches Verhältnis zu den Betreiber*innen aufbauen, erklärte Theo Ketzscher.

Um Nachbarschaft und Gäste einladen zu können, musste das Kollektiv zuvor viel schuften. Die Freifläche direkt vor dem Technikgebäude war völlig von Brombeeren erobert worden. Heute sitzen dort die Besucher auf Stühlen und Sofas und genießen Kaffee oder Kaltgetränke zum Spendenpreis. Der gesamte Boden wurde mit finanzieller Hilfe von Sponsoren aus den angrenzenden Stadtviertel mit Holzschnitzeln bedeckt, um so ein erneutes Verwildern der Fläche zu verhindern.

Sie drehen an vielen Rädern, aber es wird noch dauern, bis das ehemalige Technikgebäude auch von Besucher*innen genutzt werden kann.

Offen für alle Menschen – ein „Mitmachort“

Der Verein verlangt viel – insbesondere von seinen Mitgliedern und Unterstützer*innen. „Wir möchten dauerhaft einen Mitmachort Gaso als niedrigschwelligen Begegnungsort etablieren. Alle Menschen sollen diesen Ort der Soziokultur nutzen können“, verdeutlichen die Aktivist*innen im Pressegespräch. Dabei ist den jungen Macher*innen die basisdemokratische Kollektivstruktur sehr wichtig, zumal sie sich selbst als emanzipatorsches Projekt empfinden: „Selbstverwaltung und Selbstorganisation sind wichtige Grundlagen unserer Gemeinschaft.“

Zu oder auf? Das ist für das Gasometer-Projekt die offene Frage für 2022.

Zukunft ist derzeit ungewiss

„Ob und wie es weitergeht?“, sei die alle Gasometer-Aktivist*innen derzeit beschäftigende Frage. Der Pachtvertrag läuft zunächst Ende des Jahres aus. Der Verein und seine Mitglieder will natürlich die Arbeit auch im kommenden Jahr fortsetzen. Doch die Stadtverwaltung möchte durch eine Änderung des Bebauungsplans gern die Weichen für eine anderweitige Nutzung stellen. Offen ist, was möglich sei, aber in der Regel denkt die Stadtverwaltung bei solchen Überlegungen immer an Veräußerung und – aus ihrer Sicht heißt dies grundsätzlich Privatisierung, um einen möglichst hohen Ertrag für den städtischen Haushalt zu erwirtschaften – gewerbliche oder auch wohnliche Nutzung der Fläche. Trotzdem sind die Aktivist*innen sehr zuversichtlich, dass sie weiter machen dürfen. Positive Signale aus der Ratspolitik und die Vertagung des Ratsantrages stärken den Optimismus der Gruppe.

Vor dem Gasometer ist viel Platz für Veranstaltungen. Links das mühsam von den Brombeeren befreite Café und dahinter das Technikgebäude.

Veranstaltungsreihe des May Ayim Rings ist gestartet

Dr. Millay Hyatt spricht bei ODAK über „kritisch Weißsein“

Vergangene Woche begann der May Ayim Ring die Veranstaltungsreihe „BLACK LIVES MATTER – auch in Münster?“. Am Donnerstag (30. September) war die Berlinerin Dr. Millay Hyatt bei ODAK zu Gast. Die Philosophin, Journalistin und Übersetzerin trug ihr Essay „Weißsein als Privileg“ vor und diskutierte anschließend mit den Teilnehmer*innen.

An drei Beispielen machte Hyatt zu Beginn ihres Vortrages deutlich, dass rassistisches Handeln häufig von „Weißen Menschen“, selbst wenn diese sich für antirassistisch halten, kaum als rassistisch wahrgenommen würden. Sie präsentierte ein Plakat des „Kinderhilfswerk Plan International“, auf dem mit dem Foto eines Schwarzen Mädchens zur Übernahme einer Patenschaft geworben wurde. Dann zeigte sie die gleiche Werbebotschaft mit dem Bild eines blondes Weißes Mädchen. Sofort wurde allen Anwesenden klar, wie selbstverständlich Weiße Menschen Schwarze Kinder mit arm oder hilfsbedürftig gleichsetzen und damit eine unterschwellige rassistische Einstellung zeigen.

„Die kritische Weißseinsforschung will die Weißen darauf aufmerksam machen, dass sie nicht einfach »Menschen« sind, sondern weiße Menschen. Das heißt, sie sind nicht ausgenommen von der gesellschaftlichen Bestimmung durch ethnische Merkmale. Diese Bestimmung verschafft ihnen eine Sonderrolle. Dies zu leugnen, heißt, jene rassistischen Hierarchien fortzuschreiben, die sie für überholt annehmen“, verdeutlichte Dr. Millay Hyatt.

Weißsein ist „normal und selbstverständlich“

Der geschilderte und die beiden anderen Fälle beruhten, so Hyatt, auf der gleichen Denkfigur. Diese sei für viele von uns (Weißen Menschen) schwer zu fassen. Aus einer bestimmten Perspektive seien sie sogar so gut wie unsichtbar – konturlos, farblos. Dabei wären sie überall präsent und abgebildet in unserem Land: im Fernsehen, in den Medien, der Werbung, am Lehrerpult, im Bundestag. Die Mehrheit nimmt sie aber nicht wahr, weil sie sich selbst in diesen Bildern sieht, oder eben nicht sieht. Einfach, weil die Figur des Weißen für die Betrachter*innen so „normal und selbstverständlich“ sei.

Dr. Millay Hyatt sprach beim May Ayim Ring über kritische Weißseinsforschung. (Foto: Szybalski)

Hyatt erläuterte die theoretischen Hintergründe der teilweise umstittenenen kritischen Weißseinsforschung und verdeutlichte die lange Geschichte dieser politischen und wissenschaftlichen Diskussion. Im Kern geht es darum, dass Weißsein der unsichtbarer Maßstab sei und das Nicht-Weiße Menschen als Abweichung von der Norm und damit als minderwertig abgestuft würden. Dies passiere, so die Referentin, oft auf einer unbewussten Ebene und in der Rede oder in den Texten von Menschen, die sich selbst als nicht rassistisch oder gar als anti-rassistisch begreifen.

„Unbewusste Klischees sind gefährlicher als offene Anfeindung!“

Dr. Millay Hyatt

Es ginge in der kritischen Weißseinsforschung darum, solche Denkmuster zu benennen und kritisch zu reflektieren. Sie setze dort an, wo die meisten Weißen denken, mit der Verurteilung von offenem Rassismus sei genug getan. Rassistische Gewalt, so die Überzeugung der Weißseinsforschung, sei bloß die Spitze des Eisbergs einer noch längst nicht überwundenen Ideologie, die das Denken, Fühlen und Handeln auch der liberalsten Menschen strukturiert und eine Gesellschaft aufrechterhält, in der Macht und Geltung keineswegs gerecht verteilt werden.

Verweis auf ethnische Merkmale vermeiden

In Deutschland würde jede Identitätskonstruktion aufgrund ethnischer Charakteristiken schnell als rassistisch verurteilt. Auch in der antirassistischen oder antifaschistischen Bewegung. Die unterschiedlichen gesellschaftlichen Positionen von Migranten oder Flüchtlingen gegenüber Einheimischen oder die der Herrschenden gegenüber den Ausgebeuteten würden zwar thematisiert, aber der Verweis auf ethnische Merkmale, auch wenn sie in der benachteiligten beziehungsweise privilegierten Gruppe überproportional vertreten seien, würde bewusst und aus politischer Überzeugung vermieden. Dies, so argumentierte Dr. Millay Hyatt, entstünde aus rassistischer Motivation und würde den Rassismus weiter am Leben halten.

Die Mehrheitsgesellschaft in Deutschland vermeide vor allem die Benennung einer rassischen Kategorie und zwar die Kategorie des Weißen. Es wird aber immer wieder darauf hingewiesen, dass jemand nicht-weiß ist. Allerdings meist durch die Blume: Es gibt den berühmten „Migrationshintergrund“. Oder jemand ist „Afrikaner“ oder „Türke“. Dies auch wenn der oder die, der oder die diese Aussage trifft, gar nicht wisse, welche Staatsbürgerschaft die Person tatsächlich besitze oder welcher Kultur diese sich zugehörig fühle.

Weiße müssen ihre priviligierte Position wahrnehmen

Die Position, die die kritische Weißseinsforschung bezieht, entstand aus den Erfahrungen von Nicht-Weißen. Sie erlebten in unserer Gesellschaft täglich, dass ihnen nur aufgrund bestimmter äußerlicher Merkmale Eigenschaften zugeschrieben oder abgesprochen werden. Im Unterschied zu Weißen würden sie zudem als Repräsentanten einer ethnischen Gruppe wahrgenommen.

Dem Vortrag von Dr. Millay Hyatt schloss sich eine lebhafte Diskussion mit den Zuhörer*innen an.

Sprache im Zentrum der anschließenden Diskussion

„Für viele Weiße dürfte die erste Konfrontation mit dieser Kritik irritierend sein“, erklärte Dr. Millay Hyatt. Es sei die gleiche Ängstlichkeit und Verunsicherung, die bei Weißen ausgelöst wird, wenn sich „mal wieder“ das Wort geändert hat, mit dem man eine bestimmte Menschen-Gruppe benennen soll. Wie heißt es jetzt richtig, Afrodeutsche oder Schwarze Deutsche? Man darf jetzt nicht mehr Z**** sagen? Der Reflex, der sich gegen solche Sprachregelungen sträubt oder auch als Reaktion darauf nur verlegen verstummt, ist im Kern die Irritation, die entsteht, wenn eigene Privilegien überdacht werden müssten.

In der mehr als einstündigen lebhaften und interessanten Diskussion standen Bildung und insbesondere die Sprache im Zentrum. Dr. Millay Hyatt erklärte zur Verwendung von diskriminierenden Beziechnungen: „Weiße nutzen das Privileg, andere Menschen so zu benennen, wie man es schon immer getan hat und unabhängig davon, wie diese Namen zustande kamen und wie diese Menschen sich selbst nennen oder benannt werden wollen.“