Autor Gerhard Schepper (4.v.r.) bei den Proben seines Bühnenwerkes „Hundert Tage Eisner“ im Kleinen Bühnenboden.
„Die hundert Tage der Regierung Eisner haben mehr Ideen, mehr Freuden der Vernunft, mehr Belebung der Geister gebracht als die fünfzig Jahre vorher“, schrieb Heinrich Mann. Das Theaterstück „Hundert Tage Eisner“ von Gerhard Schepper wird am 21. Februar, dem hundertsten Todestag von Kurz Eisner, im Kleinen Bühnenboden als szenische Lesung uraufgeführt. Das Stück vermittelt einen Eindruck von den dicht gedrängten Ereignissen der Revolutionsjahre 1918/19 und von dem Mann, der so viel Anteil daran hatte, dass die Umwälzungen so durch und durch gutmütig verliefen, hierin vielleicht sogar einzigartig in der Weltgeschichte.
Für die Aufführung haben sich
Profis und Laienschauspieler zusammengefunden, die ein besonderes
Interesse an der Person Eisner und den damaligen Ereignissen verbindet.
Es sind dies: Jürgen Brakowsky, Petra Grycova, Michael Köstens, Tashina
Mende, Nadja von Lüpke, Gerhard Schepper und Anka Scheu. Regie führen
Konrad Haller und Simone Lamski.
Kurt Eisner, der von der SPD zur USPD wechselte, erkannte als erster die Möglichkeit, den militaristischen Staat durch die Einbeziehung der Massen zu stürzen und wurde am 8. November 1918 zum ersten Ministerpräsidenten von Bayern gewählt. Sein entschlossenes Handeln beeinflusste die Revolution in Berlin entscheidend. Seine Idee, die Menschen durch einen Dualismus von Parlamenten und Räten unmittelbar an der Demokratie zu beteiligen, hat Vorbildcharakter bis auf den heutigen Tag. Ermordet wurde Eisner am 21. Februar 1919 von einem Mitglied der Thule-Gesellschaft, einer der ersten völkischen Vereinigungen, in der auch Adolf Hitler Mitglied war. Der Tat voraus ging eine wochenlange Hetze gegen Eisners sozialistische Ideen und gegen seine jüdische Herkunft. Die Ermordung des bayrischen Ministerpräsidenten stürzte Bayern ins Chaos und öffnete den Nationalsozialisten Tür und Tor. Die darauf folgende Konterrevolution brachte Mord und Totschlag. Das Stück ist sehr nah an den tatsächlichen historischen Ereignissen. Nahezu alle Aussagen der handelnden Personen wie zumBeispiel Eisner, Auer, Toller, Luxemburg, Liebknecht oder Mühsam sind authentisch. Der Autor ist in Süddeutschland geboren und lebt seit 35 Jahren in Münster.
Am 23.02. wird die Aufführung
ergänzt durch den Dokumentarfilm von Klaus Stanjek: „Rote Räte – die
bayrische Revolution aus der Sicht von Augenzeugen.“
Termine im Kleinen Bühnenboden: 21. und 22. Februar (jeweils 20 Uhr) und 23. Februar 19 Uhr (mit anschließender Filmvorführung: Rote Räte). Kartenvorbestellung: www.derkleinebuehnenboden.de
Der Journalist Bernd Schmid berichtet in Münster aus Paris
Der Jurist Bernhard Schmid lebt seit Mitte der 90er Jahre in Paris, wo er als Freier Journalist und auch Berater des Gewerkschaftsbunds Confédération générale du travail tätig ist.
Die Frage, ob die Gelbwesten in Frankreich eher links oder rechts gerichtet sind, war auch nach knapp zweistündigem Vortrag mit anschließender Diskussion des in Paris lebenden Juristen und Journalisten Bernhard Schmid am Freitagabend (15. Februar) im Münsteraner Schloss nicht endgültig geklärt. Die Veranstaltung, gemeinsam von Analyse & Kritik, attac Münster, der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft und der Interventionistische Liste Münster organisiert, zog viele Interessierte an. Der Hörsaal 2 im barocken Schloss mit dem Sitz der Universitätsverwaltung war gut gefüllt.
„Seit
einigen Wochen begeben sich zehntausende Gelbwesten in ganz
Frankreich massenhaft auf die Straßen. Während die Regierung Macron
verlautbaren lässt, dass der Höhepunkt der Bewegung
längst
überschritten sei, stemmen sich weiterhin zahlreiche Menschen im
ganzen Land gegen die Zumutungen des alltäglichen Kapitalismus, die
durch die
offen neoliberale Agenda des Premierministers Macron weiter befördert
wurden.“ Diese Vorgabe hatten die Organisatoren dem Referenten
gegeben.
„Ein Ende ist nicht abzusehen“, erklärte Schmid gleich zu Anfang seines Referates, dass die Gelbwestenbewegung (Mouvement des Gilets jaunes) eine klassische – insbesondere über die digitalen sozialen Medien initiierte und wenig gesteuerte – Protestgruppierung von unten sei. Sie genieße hohe Sympathie bei der französischen Bevölkerung. Bis zu 78 Prozent der Menschen in Frankreich identifizieren sich mit Zielen oder Teilen der Forderungen der Mouvement des Gilets jaunes. Allerdings sei jüngst publiziert worden, dass sich eine Mehrheit (56 Prozent) der Franzosen eine Ende der samstäglichen Proteste wünsche.
„Am Anfang war gar nicht klar, in welche Richtung es geht. Viele unterschiedliche Leute beteiligten sich in der ersten Phase ab Mitte Oktober an den Protesten“ , berichtete Bernhard Schmid, dass der Auslöser die von der Macron-Regierung für dieses Jahr geplante Spritsteuererhöhung gewesen sei. Da in Frankreich, wo der öffentliche Personennahverkehr insbesondere in der Fläche immer schlechter werde, viele Menschen tatsächlich auf einen PKW angewiesen seien, trafen sich auch in kleineren Orten, wo zuvor noch nie demonstriert worden sei, insbesondere an den Kreisverkehren vor überörtlichen Anschlüssen die Protestierenden. Der Verkehr sei blockiert worden und nur Autos, bei denen als Sympathiebekundung die in jedem PKW vorgeschriebenen gelben Sicherheitswesten sichtbar hinter der Windschutzscheibe platziert waren, wurden von den Demonstranten durchgelassen. Die Bewegung hatte ihr Symbol – gelbe Warnwesten.
Nach der Abschaffung der Vermögenssteuer kurz nach der Übernahme der Regierungsgewalt durch Präsident Macron setzte seine Regierung weiter auf die Entlastung der Vermögenden und Belastung aller durch die Kopfsteuer und die Anhebung der Verbrauchssteuern. Dies belaste besonders die ärmeren Teile der Bevölkerung, verdeutlichte Schmid.
Natürlich versuchte die französische Rechte sich an die Spitze der Bewegung zu stellen. Doch die überwiegend skeptischen Protestierenden verweigerten zunächst ihre Zusammenarbeit mit allen etablierten Parteien und Gewerkschaften. Insbesondere im Westen Frankreichs gelang es aber Gewerkschaftlern, die größtenteils identische Forderungen wie viele Gelbwesten vorbrachten, Mitte November eine vorsichtige Annäherung an die Bewegung. Die Forderungen nach der Wiedereinführung der Vermögenssteuer sind für Schmid ein sichtbares Zeichen dieser beginnenden Kooperation.
Auch die am 6. Dezember veröffentlichten, teilweise sich widersprechenden rund 50 Forderungen der Bewegung (siehe internetz-zeitung), weisen überwiegend auf eine linke Positionierung der Bewegung hin.
Ein großes Problem sei die harte Reaktion des Staates, der mit massiver Polizeigewalt die Gelbwesten bekämpfe. Zwischen dem 17. November 2018 und dem 26. Januar 2019 hätten Polizisten 9228 Hartgummigeschosse auf gelbe Westen tragende Demonstranten abgefeuert. Dabei verfolge die Regierung Macron eine Doppelstrategie. Der Präsident trete sogar persönlich mit ausgewählten Verantwortungsträgern und teilweise sogar einfachen Menschen aus der Bevölkerung in einen Dialog. Zudem wurden einige Regierungsvorhaben (zum Beispiel Aussetzung der Erhöhung der Spritsteuer) ausgesetzt oder auf die lange Bank geschoben. 70 Prozent der Franzosen wären aber der Auffassung, so Bernhard Schmid, dass sich durch diese staatliche Gesprächsinitiative nichts ändern würde. Zumindest kletterten die Sympathiewerte für den angeschlagenen Staatsführer Emmanuel Jean-Michel Frédéric Macron wieder auf 30 Prozent.
„Wer noch auf die Straße geht, hält nichts vom Dialog“, verdeutlichte Bernhard Schmid, dass sich die Bewegung der Gelbwesten schon aufgrund ihrer Zusammensetzung kaum integrieren lässt. Weder vom Staat noch von Parteien oder Gewerkschaften. Die Stimmungslage bei den Protestierenden tendiere in die Richtung: „Es gibt keine Lösung.“
Am Tag nach Schmids Vortrag in Münster zeigten die französischen Gelbwesten, die inzwischen in mehreren europäischen Staaten Nachahmer und Sympathisanten gefunden haben, dass der Referent mit seiner Einschätzung richtig lag. Die Bewegung lässt nicht locker. Spiegel online berichtete, dass auch drei Monate nach Beginn noch immer „tausende Menschen gegen die Regierung auf die Straße“ gingen. Es wurde unter anderem in Paris, Nizza, Marseille, Bordeaux und Straßburg demonstriert.
Missstände gehen zu Lasten der Patienten und Beschäftigten
Auch in Münster schließen sich Pflegerinnen und Pfleger sowie an einer Verbesserung der Situation in den verschiedenen Pflegebereichen interessierte Menschen zusammen. Am Sonntagnachmittag (3. Februar) trafen sich knapp 20 Personen im Odak an der Wolbecker Straße 1 zum 1. Pflegestammtisch.
Knapp 20 Pfleger*innen und Interessierte trafen sich im Odak zum ersten Pflegestammtisch.
„Wir wollen aus dem Stammtisch idealerweise ein Pflegebündnis entwickeln“, erklärte Mino Andriotis, einer der Initiatoren des Stammtisches. Er zeigte sich mit dem Zuspruch beim ersten Treffen zufrieden, zumal nicht nur einige Pfleger*innen sondern auch Interessenvertretungen unter anderem von den Kritischen Mediziner*innen und Aktive der lokalen Parteien erschienen waren.
„Wer als Pfleger tätig ist, muss ein sozialer Mensch sein“, stellte eine Mitarbeiterin einer münsterschen Klinik fest. Eine andere Teilnehmerin ergänzte: „In der aktuellen Situation für die in der Pflege Beschäftigten sei es allerdings schwierig bis nahezu unmöglich, die ethischen Grundsätze im Beruf auch umsetzen zu können.“
Bei der extremen Arbeitsbelastung – auch und gerade durch den Schichtdienst – bleibe wenig Freiraum, um sich zu organisieren, aber auch um an regelmäßigen Freizeitaktivitäten wie zum Beispiel Sport teilnehmen zu können. All dies vor dem Hintergrund, dass – auch in Münster – überall Planstellen nicht besetzt werden können, da es an Interessent*innen fehle.
Der Forderung eines Pflegers, der kommunalpolitisch in städtischen Gremien eingebunden ist, dass mehr Menschen den Gewerkschaften beitreten sollten, wurde zwar nicht widersprochen, aber deutlich gemacht, dass eine Vernetzung über die Gewerkschaften hinaus erforderlich sei. Gotwin Elges vom Einladungskreis betonte: „Gewerkschaften sind sicherlich nicht die alleinige Lösung. Die Betroffenen und die Pflegenden müssen auch zusammenkommen können.“
Damit brachte er eine Zielsetzung des angestrebten Pflegebündnisses in Münster auf den Punkt: Es muss mehr Lobbyarbeit sowohl für die Beschäftigten als auch für die betreuten Menschen in Krankenhäusern, Alten- und Pflegeeinrichtungen geben.
Der nächste Pflegestammtisch findet am Sonntag, dem 24. Februar, um 15 Uhr erneut im Odak (Wolbecker Straße 1) statt. Dazu ist ein bestehendes Pfelgebündnis aus einer anderen Stadt zur Berichterstattung eingeladen.
Mehr Interessenten als erwartet drängelten sich bei der Lesung von Petra Reski im Gemeindesaal im Paul-Gerhardt-Haus. Fotos: Nils Dietrich
„Der Unterschied zwischen der italienischen Mafia und den anderen Clans der Organisierten Kriminalität ist die Politik“, verdeutlichte am Freitagabend die Journalistin Petra Reski, die deutsche Mafiaexpertin mit Wohnsitz in Venedig. Traditionell ist eine der großen Einnahmequellen der Cosa Nostra aus Sizilien oder der kalabrischen ’Ndrangheta das Umlenken öffentlicher Gelder in ihre Taschen, erläuterte Reski. Dabei sei für die Mafia ein gutes Verhältnis zu den Herrschenden besonders wichtig. Kommunal strebten Mafiosi eine Verzahnung mit Politik und Stadtgesellschaft an. „Das geht mit dem kostenlosen Grappa in der noblen Pizzeria, in der auch lokale Prominenz aus Politik, Verwaltung und Wirtschaft verkehrt, los und weiter über das kostengünstige Catering bei der Parteiveranstaltung“, so Reski.
Petra Reski in Münster.
Auf Nachfrage aus dem Publikum verdeutlichte die Referentin: „Die Mafia ist sehr lernfähig. Früher brannten Pizzerien, wenn die Betreiber nicht spurten – heute wechseln die Inhaber häufiger, um Geldwäsche betreiben zu können. Während in Kalabrien oder auch in Teilen Siziliens noch immer Schutzgeld genommen wird, läuft dies in Deutschland über den Zwang überteuerte Weine oder andere Importwaren von den Clans zu erwerben. Die Schutzgeldzahlungen in Italien dienen vermutlich nur noch dazu, die örtlichen Herschaftsgebiete abzugrenzen und lokale Macht zu demonstrieren“, so Petra Reski.
Anders agiert die ’Ndrangheta in Deutschland und natürlich auch in Münster. Begünstigt werden die illegalen Geschäfte der Mafia durch das Schweigen der Politik: „Ich habe keinen deutschen Politiker getroffen, der das Wort Mafia in den Mund genommen hätte.” Das sei für sie immer ein italienisches Problem, so die 60-jährige Journalistin.
Dabei stebten sie – nicht nur die kalabrischen Clans – in den jeweiligen Orten ein gutes Verhältnis mit den Herrschenden an. So bemühten sich Mafiosi häufig, Mitglied in für die Stadtgesellschaft wichtigen Institutionen oder Vereinigungen zu werden, um dann möglichst in einflussreiche Positionen zu kommen. In Einzelfällen strebten Mafiosi sogar nach öffentlichen Funktionen, mit denen sie ihre kriminellen Taten dann unter dem Deckmantel eines führenden Mitglieds der Stadtgesellschaft gut verstecken können. Die positiven Nebeneffekte dabei sind die Erhöhung des eigenen Bekanntschaftgrades und dies als „Normalbürger“ sowie der enge Kontakt zu nahezu allen wichtigen Mitgliedern der Stadtführung. Dies dürfte Ihnen dabei ganz besonders wichtig sein.
Da in Deutschland – anders als in Italien, wo die Mafia sehr erfolgreich bekämpft wird – kaum über die Machenschaften der Clans und ihrer Mitglieder berichtet werden darf, hat sich Petra Reski, die erfolgreich von Mafiosi vor deutschen Gerichten verklagt wurde, auf die Fiktion verlegt. In ihren bislang drei Romanen „Palermo Connection“ (2014), „Die Gesichter der Toten“ (2015) und „Bei aller Liebe“ (2017), die alle auf realen Unterlagen zum Beispiel des Bundeskriminalamtes oder von Gerichten beruhen, lässt sie die mutige italienische Staatsanwältin Serena Vitale und den deutschen Journalisten Wolfgang W. Wieneke ermitteln. In Münster las Petra Reski aus „Bei aller Liebe“.
Sie hatte unter anderem den Abschnitt ausgewählt, in der in einer Pressekonferenz in seinem mittelalterlichen Wasserschloss am Niedrhein der neue Anti-Mafia-Verein „Cosa Nostra e.V.“ des Clanchefs ’Ntoni präsentiert wird. Der Europaabgeordnete Michael Maier, Gründungsmitglied des Vereins, durfte erklären, „dass wir die Oberbürgermeister von Oberhausen, Krefeld, Mönchengladbach und Viersen als Schirmherren haben gewinnen können.“ – so funktioniert Mafia!