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Resistere – Widerstand für die Stadt

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Autorin Petra Reski kämpft für Venedig

Nicht nur in Münster wird um eine lebenswerte Innenstadt gekämpft. Seit Anfang der 90er Jahre lebt Petra Reski, die bekannteste Mafiabekämpferin aus Westfalen, in der Lagune. Die totale Vermarktung der Stadt sowie die Verdränung der Bewohner*innen aus der historischen Stadt und inzwischen auch der Lagune weckten auch bei Petra Reski den Willen zum lokalen politischen Widerstand gegen die Gentrifizierung der Stadt. Reskis Jahre in Venedig können seit März 2021 nachgelesen werden.

Petra Reski ist verliebt – nein, Petra Reski liebt, wie sie in ihrem jüngsten Buch „Als ich einmal in den Canal Grande fiel“ offenherzig mitteilt. Zunächst verliebte sich die ehemalige Freie Mitarbeiterin der „Münsterschen Zeitung“ in „ihren Venezianer“, den Modeunternehmer Lino Lando. Durch ihren späteren Ehemann und seine Leidenschaft für Geschichte und Gegenwart der ehemaligen Republik wuchs auch bei Reski die Liebe zur Stadt in der Lagune. Kein Wunder also, dass Petra Reski die knapp 270 Seiten starke Liebeserklärung ihrem „Lino“ widmete.

Airbnb und Hotels verdrängen Venezianer*innen

Seit Anfang der 90er Jahre lebt die in Unna geborene Journalistin und Autorin in Venedig. Im Buch nimmt sie uns mit durch ihre Jahrzehnte in der Stadt. Hautnah und klar parteiisch erleben Leser*innen, warum Reski ihre Wahlheimat liebt und an den Zuständen in der verfallenden Stadt leidet. Schon früh verliert sie die gute Beziehung zum Fischer Alberto, der aus finanziellen Gründen aus der teuren Lagune auf das zu Venedig gehörenden Festland nach Mestre ziehen muss.

Spätestens als sie – einige der wenigen Frauen in den Kanälen und der Lagune, die selbst am Steuerhebel (nicht etwas am Steuerrad) ihres Bootes stehen – bei einem Anlegemanöver in den Canale Grande fiel, war aus der Mafiaexpertin aus dem westfälischen Ruhrgebiet eine waschechte Venezianerin geworden. In ihrem Buch lässt Reski die Leser*innen mit ihren Augen (und manchmal auch ihrem Bauchgefühl) auf die Stadt und die immer weniger „auf dem Wasser“ lebenden Einwohner*innen blicken.

Erschienen im März 2021. ISBN 978-3-426-27846-8. 18 €.

Petra Reski erfährt Venedig mit ihrem Boot. Sie lässt die Leser*innen an ihrem Lernprozess teilhaben, was dazu führt, dass Venedig als abzuarbeitendes Reiseziel uninteressanter, aber als traditionsreiche, bedrohte Stadt zugleich liebenswerter wird. Auch die Leser*innen verlieren Seite zu Seite das Vertrauen in die Lokalpolitiker – tatsächlich nahezu ausschließlich Männer – der Stadt, Region und Italiens, da diese Venedig ausschließlich als Marktplatz sehen. Die Lagune, seit dem 14. Jahrhundert von den Einheimischen umsorgt und erhalten, wird im Geheimvertrag des Eroberers Napoleon an die Habsburger vermacht. Die Insellage geht durch eine von den Österreichern gebaute Verbindungsbrücke verloren. Es beginnt die Moderne, die auf Tradition nur Wert legt, wenn sie zu Geld gemacht werden kann. Dies schildert Reski in sehr persönlich gehaltenen Zeilen.

Im letzten Viertel bekennt die Autorin: „Manchmal wünsche ich mir meine Unschuld zurück. Jenen Blick, den ich hatte, als ich nach Venedig zog.“ Doch das Milliardengrab „Moses“, mit dem die Lagune vor hoher Flut geschützt werden soll; die hochhaushohen, für Lagune und Stadt zerstörerischen Kreuzfahrtschiffe; die Verdrängung der Einwohner*innen für Airbnb-Wohnungen und Hotels und dadurch mitverursacht der Verlust des Angebots an täglicher Nahversorgung wecken Lust zum Widerstand – Resistere.

Petra Reski wehrt sich gemeinsam mit den Einheimischen. Im vergangenen Jahr tritt sie mit der Bürgerliste „Terra & Acqua“ sogar bei der Kommunalwahl an. Zuvor kämpfte sie für die Loslösung Venedigs von den Festlandteilen. Der Erfolg ist aktuell noch überschaubar, aber es scheint, als würde der Widerstand wachsen – Venedig ist zwar bedroht, kann aber noch vor dem wortwörtlichen Untergang gerettet werden.