Blutorgie zu Walzerklängen

René Haustein und bodytalk im Pumpenhaus

Nur wenige Minuten nachdem das Publikum im Pumpenhaus in Münster Platz genommen hat und die fünf Tänzer:innen auf der Bühne sich in strahlend weißen Kostümen in Zeitlupe über die riesig über die Reaktion des imaginären Publikums freut, fällt im Pumpenhaus schon der Vorhang. Ohne Moos nichts los? Geht das Geld für Kultur aus? Nach einer kurzen, dunklen Pause lugt plötzlich der angestrahlte Kopf von Renè Haustein, dem in Bottrop lebenden Performance-Künstler, ganz oben durch den Vorhang. Der Kopf spricht von „kopflos“ und „Blutarmut“ . . . und davon, dass „Das Pumpenhaus leergepumpt ist. Die anderen Theater auch.“ Bei durch lauten Kirchenglockensound geprägter Musik stellt Renè Haustein zum Boden schwebend lautstark fest: „Das Theater muss sich der Realität anpassen!“

Als der Vorhand wieder komplett geöffnet ist, sind alle auf der Bühne in Unterwäsche oder wallenden Kimonos gekleidet. Akrobatisch tänzerisch wirbeln sie durcheinander, während Haustein fast lethargisch in sein Mikrophon spricht. Die Tänzer:innen agieren immer grausamer und zunehmend gewalttätig, bis sie urplötzlich alle zusammenkommen und brüllen: „Wir schließen einen Vertrag.“

Doch dieses (Tanz-)Theater strebt danach, sich der Realität anzupassen, ind der Vertäge nicht mehr sind als Papier oder ein Handschlag. Plötzlich blinken Hieb- und Stichwaffen in den Händen. Luana Rossetti, Cato Sieben, Tirza Ben Zvi und Hedda Fleischer verschmelzen zu einer vielarmigen Person, die wirkt, wie die bedeutende hinduistische Göttin „Kali“, die Göttin des Todes, der Zerstörung und der Erneuerung.

René Haustein und die Tänzer:innen Luana Rossetti, Cato Sieben, Tirza Ben Zvi und Hedda Fleischer triggern bei der Premiere von „Blutkörper“ durch Blutregen und Gewaltszenen Teile des Punpenhaus-Publikums. Am Ende gab es aber überwiegend Standig Ovetions. (Fotos: Laurenz Jochheim)

Sphärische Klänge, getaktet durch wiederkehrenden Sound einschlagender Fliegerbomben, hämmern auf die Künstler:innen ein, die sich gegenseitig bekämpfen, sexuell nötigen und vergewaltigen, um schließlich über Renè Haustein herzufallen. In einer angedeuteten Gewalt- und Sexorgie, die einige Zuschauer:innen an ihre Belastungsgrenze brachte, werden – durch großformatige Bilder verdeutlicht – zunächst Haustein und dann auch einer Tänzerin Körperteile abgeschnitten und triumphal präsentiert. Schließlich ist auch das Blutorgan überhaupt, das Herz, herausgeschnitten.

Von nun an ist es nur noch ein kleiner Moment, bis das Blut das Geschehen auf der Bühne dominiert. Schließlich hatte René Haustein schon bei seiner Niederkunft auf die Bühne gedroht: „Da wo Geld fließt, fließt auch Blut.“Zunächst abgezapft aus dem linken Arm von René Haustein und durch einen langen medizinischen Schlauch auch durch die erste Reihe des Publikums geflossen, stürzen schon kurz danach mehrere Blutregen auf die Künstler:innen hinab. Sie suhlen sich im Blut, eine von einer Tänzerin getragene Schweinsmaske erleichtert die sanften Gemüter im Saal, denn das Symbol reicht; das Schlachten eines echten Schweins kann ausbleiben. Wenn Cato Sieben als Schmetterling von den Toten aufersteht, geht auch das Blutbad – musikalisch mit Wiener Walzer unterlegt – langsam zu Ende.

Obwohl eine alte Theaterregel besagt, dass „Tiere und Kinder haben nichts auf der Bühne verloren“ haben, wird zum Finale ein lebender Schmetterling, der sich allerdings offensichtlich an keine Regieanweisung hält, auf die Bühne gebracht. Eine klare Boschaft hin zu notwendiger Veränderung, zu möglicher Transformation, erhoffter Wiedergeburt, vollendeter Schönheit und dem Wandel, der auf der Bühne beginnen kann und die Realität verändert. Das Publikum feierte die Premiere und die Künstler:innen René Haustein sowie den Tänzer:innen Luana Rossetti, Cato Sieben, Tirza Ben Zvi und Hedda Fleischer mit stehenden Ovationen.

Werner Szybalski

„Blutkörper“, ein rund einstündiges Tanztheater-Stück von und mit René Haustein sowie den Tänzer:innen Luana Rossetti, Cato Sieben, Tirza Ben Zvi und Hedda Fleischer. Regie beim in Koproduktion mit bodytalk und dem Theater im Pumpenhaus, sowie freundlicher Unterstützung von Theater Titanick, auf die Bühne gebrachten Stück führt Hannah Schrief. Die Licht- und sonstige technische Leitung hat Timo von der Horst. Für die Kostüme ist Kamila Wdowska verantwortlich.
Weitere Aufführungen im Pumpenhaus am Samstag (26. April 2025) um 20 Uhr und Sonntag (27. April 2025) um 18 Uhr.

Nach dem Abgang der Künstler:innen gleicht die Bühne einem verlassenen Schlachtfeld. (Foto: Werner Szybalski)

Menschen und Nationen – Neurasthenie

Von Christoph Theligmann (Zuerst erschienen auf proscript.de am 17. April 2025)

Deutschland soll kriegstüchtig werden. Es wird über eine Wiederauflage Wehrpflicht diskutiert. Äußerungen wie Wir müssen in die Lage kommen, uns verteidigen zu können, um uns nicht verteidigen zu müssen, diese Sätze sind zu hören und zu lesen.

Thomas Mann Gedenkjahr. Sein Erstlingsroman Buddenbrook hat den Untertitel Verfall einer Familie.

Der Verfall vollzieht sich in vier Stech-Schritten: Erfolg, Komfort, Vergeistigung, Dekadenz. Gilt auch für Nationen. Was heute Burnout heißt, nannte man zu Thomas Manns Zeiten Neurasthenie.

Seine Erzählung erstreckt sich über ein Intermezzo von vier Generationen. Das sind ca. 75 Jahre. Bedenkt man den Zeitraum von durchschnittlich 25 Jahre je einer Generation, ist man irritiert von der Parallele: 80 Jahre seit Weltkriegsende 1945.

Vier Akte: Erfolg gleich aufgestanden aus Ruinen, Wirtschaftswunder gleich Komfort, Studentenrevolte gleich Vergeistigung, Ölkrise und nicht endendes Krisen-Mikado gleich zunehmender Verfall.

In dieser, negative Bezeichnung Endzeitstimmung, positive Bezeichnung Zeitenwende, erscheint ein umstrittener Bestseller. Warum ich niemals für mein Land kämpfen würde – Gegen die Kriegstüchtigkeit von Ole Nymoen, 27 Jahre alt.

In dem Buch die Argumente: Die Staatssouveränität will geschützt, soll wehrfähig sein. Dazu werden notfalls Menschenleben geopfert, obwohl die Menschen mit- und untereinander oft gar keine, geschweige denn tödliche Meinungsverschiedenheiten haben. Dennoch werden sie mit Waffen aufeinandergehetzt.

Der einzelne Bürgerwille, lieber in Unfreiheit zu leben, statt für die Freiheit zu sterben, zählt nicht. Auch die Frage, ob es nicht wert sei, eine demokratische Grundordnung zu verteidigen, stellt sich ja dann nicht, wenn man sich nicht als sinnvollen Teil einer Gesellschaft sieht, in der zwar jeder für sich verantwortlich sein soll, doch die Tolerierung von extremem Reichtum auf der einen, von Armut auf der anderen Seite die Vorgabe ist. Verteidigungswerte Gemeinschaft?

Errungenschaften, die da wären, Bildung und medizinische Versorgung etc. existieren in Wahrheit doch nur als Bedingungen für ein Humankapital, willens des Erfolgs einer Volkswirtschaft als Ganzes.

In einer zukünftigen Welt, die schon allein durch den Klimawandel gefährdet ist, sind es die Jüngeren, die als erstes die Zeche zahlen müssen. Die gleiche Altersgruppe, die vorzugsweise zu den Waffen gerufen wird, wenn es todernst wird. Dann wird verstärkt zuallererst und dann zuallerletzt an die Solidargemeinschaft dieser und später, falls vonnöten, aller Altersgruppen appelliert. Gleichzeitig der Kontrast der Konkurrenz unter den Staaten in jeweiliger repräsentativer Form der wenigen, die, daran hat sich nichts geändert, wie ein Sonnenkönig „L’Etat c’est moi – Der Staat bin ich“, tönen.

Warum ich niemals für mein Land …  Ein aktueller Widerruf zum Aufruf des Appells Gewehr bei Fuß.

Autor Christoph Theligmann lebt in Hiltrup. Der Politikwissenschaftler ist Redakteur der Sperre und Feuilletonist aus Neigung, was jeweils donnerstags neu auf seiner Webseite proscribt.de erfahren werden kann.

Lieder zum 1. Mai: „Brot und Rosen“

Arbeiterlieder für eine bessere Welt

Schon zum vierten Mal findet am Vorabend des „Tages der Arbeit“, also am 30. April 2025, in Münster das Konzert „Brot und Rosen – Lieder für eine bessere Welt“. Gemeinsam veranstaltet vom KulturVerein Frauenstraße 24 und dem DGB Münster gestalten das Duo Contraviento, Cuppatea, Nedim Şahin und der Autor und Lokalhistoriker Friedhelm Redlich den Abend. Die Veranstaltung im Bennohaus in Klein-Muffi beginnt am Mittwochabend um 19.30 Uhr.

Am 8. Mai 2022, wegen Corona mit zweijähriger Verspätung, stand „Brot und Rosen – Lieder für eine bessere Welt“ auf dem Spielplan der Ruhrfestspiele in Recklinghausen. Cuppatea, das Duo Sigrun Knoche und Joachim Hetscher aus Münster, waren ebenso dabei wie der Chor Chorrosion, die Grenzgänger, die Spätlese und das Duo Contraviento.

Kampfruf seit 1911

„Bread and Roses“ war die Forderung US-amerikanischer Arbeiterinnen während einer großen Streikaktion Anfang des vergangenen Jahrhunderts. Die New Yorker Gewerkschafterin Rose Schneiderman forderte in ihrer Rede 1911: „The woman worker needs bread, but she needs roses too.“ 1912 wurde Brot und Rosen als Parole beim Streik von mehr als 20.000 Textilarbeiterinnen in Lawrence, Massachusetts bekannt. Seitdem gehört der Slogan zur Internationalen Gewerkschaftsbewegung und zur Frauenbewegung.

Vorabkonzert in Münster

Die beiden Duos Contraviento und Cuppatea nutzen die Gelgenheit um quasi vorab am 30. April 2022 in Münster vor damals nur 35 Gästen gemeinsam die lokale Version von „Brot und Rosen – Lieder für eine bessere Welt“ ins Leben zu rufen. Erfolgreich, denn jedes Jahr wuchs die Zuhörer*innenschaft. Kamen im zweiten Jahr schon 80 Gäste wuchs 2024 die Zahl im ausverkauften Haus schon in den dreistelligen Bereich. 2025 gastieren sie nun im Bennohaus, wo beim rund dreistündigen Auftritt viele engagierte Liedern und Texte in zahlreichen Sprachen zu hören sein werden.

Erinnerung an den 8. Mai 1945

Im ersten Teil des Abendprogramms im Bennohaus werden die Künstler*innen den Schwerpunkt auf die Erinnerung an den 8. Mai 1945 setzen. Mit historischen und aktuellen antifaschistischen Liedern zeigen sie die Facetten und die Aktualität des Widerstands gegen den Faschismus auf – in deutscher, englischer, griechischer, spanischer und türkischer Sprache. Autor Friedhelm Redlich erzählt bislang unbekannte Geschichten aus dem Widerstand einfacher Menschen gegen den Nationalsozialismus in Münster.

Der Eintritt beträgt 15 Euro beziehungsweise ermäßigt 12 Euro. Karten gibt es im Vorverkauf per E-Mail.

„Klinken putzen“ hat sich gelohnt

Kulturliste Münster ermöglicht für kostenfreie kulturelle Teilhabe

Eintrittskarten für Sport- oder Kulturevents können sich viele Menschen in Münster nicht wirklich leisten. Der Erwerb von Tickets für den Volleyball-Bundesligisten USC Münster, die Städtischen Bühnen oder den Allwetterzoo fällt häufig anderen Ausgaben des täglichen Bedarfs zum Opfer. Diese prekäre Situation der rund 30.000 Inhaber*innen des Münster-Passes wollen Annette Georgi, Hubert Bergmoser und Hermann Koopmann – die drei Münsteraner*innen bilden den Vorstand der von ihnen gegründeten „Kulturliste Münster“ – etwas entschärfen. Dank der ehrenamtlichen Arbeit der 30 Mitarbeiter*innen der Kulturliste können auch weniger Begüterte in Münster kräftig mitfiebern, mitfühlen und gegebenenfalls mitfeiern.

„Im September 2022 habe ich einen WDR-Beitrag über die Kulturliste Düsseldorf gesehen“, erzählte Hubert Bergmoser, Bildender Künstler, im Gespräch mit der Sperre, dass er sofort begeistert von der Idee war, Menschen mit geringem Budget kostenfreien Zugang zu Kultur, Sport und Unterhaltung zu ermöglichen. Bergmoser recherchierte und stellte fest, dass es damals rund 30 Kulturlisten-Vereine in Deutschland gab und dass aber ein solches Angebot in Münster nicht existierte: „Die anderen machten es schon teilweise seit über zehn Jahren. Da habe ich mir von ihnen die Blaupause geholt und habe Freunde und Bekannte wie Annette Georgi angesprochen, um die Kulturliste Münster auf die Beine zu stellen. 2023 konnten wir mit rund 30 Mitgliedern den Verein gründen.“

Erster Aufschlag erfolgte beim Turnier der Sieger

Nach der Vereinsgründung mussten die Vereinsmitglieder „Klinken putzen“, so Vorstandsmitglied Hermann Koopmann, um von Veranstaltern kostenpflichtige Eintrittskarten kostenfrei zur Verfügung gestellt zu bekommen. Der Eisbrecher war 2023 der Westfälische Reiterverein, Veranstalter des sommerlichen Turniers der Sieger vor dem Schloss in Münster.

Inzwischen gibt es zahlreiche Veranstalter, die der Kulturliste Eintrittskarten zur Verfügung stellen. „100 Tickets auf einmal haben wir vom Zirkus Knie bekommen“, erzählte Bergmoser und Georgi ergänzte: „Es freut uns immer besonders, wenn wir Kinder oder sogar gleich die ganze Familie für einen Event mit kostenfreien Eintrittskarten ausstatten können.“ Wie hoch inzwischen die Nachfrage ist, verdeutlicht die Kulturgästeliste – Ende 2024 umfasste diese 700 Erwachsene sowie 300 Kinder und Jugendliche.

Kreis der Kulturpartner wächst beständig weiter

Neben den schon erwähnten Kulturpartnern gehören auch der SC Preußen Münster, das Boulevard Münster, die Uni Baskets, das Wolfgang-Borchert-Theater, das Pumpenhaus, das Cineplex, der Kleine Bühnenboden, das GOP Varieté-Theater, Cinema & Kurbelkiste, das Bennohaus, der Unichor sowie das Schloßtheater Münster dazu. Inzwischen ist auch der Allwetterzoo Kulturpartner der Kulturliste. Weitere sind auf der Vereinswebseite (www.kulturliste-muenster.de) zu finden.

„Kulturpartner können alle Institutionen werden, die kostenpflichtige Veranstaltungen anbieten. Karten für kostenfreie Veranstaltungen geben wir nicht weiter“, verdeutlichte Annette Georgi, dass die Nachfrage groß ist und mit zunehmender Bekanntheit der Kulturliste sicherlich auch noch wachsen dürfte. „Wir haben in allen Bereichen Luft nach oben – da ist noch einiges mehr drin“, so Hermann Koopmann.

Mindestens zwei Karten stellen die Partner der Kiste für die Kulturgäste für jede Veranstaltung zur Verfügung. „Niemand soll alleine hingehen müssen“, erklärte Annette Georgi, dass die Begleitung eines Kulturgastes nicht die sozialen Voraussetzungen wie der Kulturgast erfüllen muss: „Da kann einfach jeder mitkommen“, so Georgi, die zudem betonte: „Gibt es mehrere Kontingente für eine Veranstaltung, sitzen die Kulturgäste nicht zusammen, sondern sind grundsätzlich über den gesamten Publikumsbereich verteilt.“

Rund zwei Wochen Vorlauf benötigt die Kulturliste. Nachdem das Kartenkontingent vom Kulturpartner gemeldet wurde, organisiert das „Vermittlungsteam“ die Kartenweitergabe an die für das Interessensgebiet registrierten Kulturgäste. Die Auswahl erfolgt durch eine Software. Rechtzeitig vor der Veranstaltung erhält der Kulturpartner dann die Namensliste der Kulturgäste, die sich am Veranstaltungstag beim Einlass mit Hinweis auf die Gästeliste melden und ihre Tickets entgegennehmen können.

Kulturgast werden ist ganz einfach

Menschen aus Münster mit geringem Einkommen können relativ einfach Kulturgast werden. Sie müssen sich entweder selbst online mit Nachweis (zum Beispiel durch Münster-Pass, Bescheid zu ALG II, Bürgergeld-Bescheid für Kinder, Lohnabrechnung, Einkommensteuerbescheid vom Finanzamt, Bafög-Bescheid, Rentenbescheid, BAB-Bescheid oder Berechtigung für Münster-Tafel) anmelden oder zu einem Sozialpartner der Kulturliste gehen. Dazu gehören viele soziale Einrichtungen in der Stadt. Unter anderem die Arbeiterwohlfahrt, die Bischof-Hermann-Stiftung, die Caritas, das Deutsches Rotes Kreuz oder die Diakonie. Sie können Interessierte direkt auf die Kulturgästeliste setzen lassen.

16 Kategorien stehen den Kulturgästen zur Auswahl. Diese reichen von Ausstellungen, Museen über Kabarett und Comedy, über Kino, Theater, Sport bis Zirkus. Da dürfte für alle etwas dabei sein. Infos zum Verein gibt es online und natürlich per Email.

Preußenstadion ist derzeit immer voll

Spenden in Geldform sind für den Verein Kulturliste Münster genauso wichtig wie die gespendeten Eintrittskarten. „Tatsächlich benötigen wir für die Organisation und Verwaltung auch Finanzmittel, um das Angebot aufrecht zu erhalten und möglichst sogar auszubauen“, unterstreicht Hermann Koopmann, dass die Spendenbereitschaft der Münsteraner*innen aber durchaus vorhanden sei.

Die begehrtesten Tickets bei den Kulturgästen seinen Eintrittskarten für das Picasso-Museum und auch die GOP-Tickets kämen sehr gut an. Nachgefragt würden auch immer Karten für den Fußball-Zweitligisten Preußen Münster. Doch die seien derzeit praktisch nicht zu bekommen. „Da ist wohl immer volles Haus“, vermutet Koopmann. Trotzdem hofft der Vorstand der Kulturliste, dass Münster in der 2. Bundesliga bleibt – bestimmt gäbe es dann auch mal wieder Tickets für Kulturgäste.

Überwachungsalbtraum Smart Cities?

Peter Schaar untersucht Chancen und Risiken smarter Technik in unseren Städten

Eine Rezension von Werner Szybalski

Der langjährige Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit in Deutschland (BfDI), Peter Schaar, hat sich im Buch „Schöne neue Stadt“ kritisch mit dem möglichen „Überwachungsalptraum Smart Cities“ auseinandergesetzt. Die intelligente Stadt, vollgepackt mit moderner Technik und umfassend digitalisiert ist ein Traum nicht nur vieler Kommunalpolitiker*innen. Doch ist die Smart City wirklich erstrebenswert? Wie sieht es mit einem effektiven Datenschutz aus? Wie kann die totale Vermarktung der in der Stadt gesammelten Daten durch kommerzielle Nutznießer verhindert werden? IAntworten gibt Peter Schaar auf 180 Seiten.

Die Stadt ist schon der beliebteste Wohnort der Menschen und gewinnt trotzdem weiter an Anziehungskraft. Doch das urbane Leben ist im Wandel. Dafür ist auch die Digitalisierung verantwortlich, denn zum Beispiel Geschäftsstellen von Banken verschwinden oder Kaufhäuser gehen pleite. Die Folge: Innenstädte veröden und werden unattraktiv. Zugleich versprecht die Digitalisierung eine paradiesisch anmutende Zukunft mit Flugtaxis und Hyperloops, die alle Verkehrsprobleme lösen, mit Dienstleistungen der öffentlichen Verwaltung, die komplett online abgewickelt werden, und der Lösung der urbanen und damit auch globalen Klima- und Umweltprobleme durch ausgefuchste und perfekt vernetzte moderne Digitaltechnologien.

Wer möchte in Songdo leben?

Städte, so Schaar, wurden durch technische Innovationen schon immer stark geprägt. Doch die Digitalisierung hebt manche Vorteile der Stadt auf: Moderne Kommunikation sowie Homeoffice, Telearbeit und Onlinebestellungen benötigen nicht zwingend eine Stadt. Deshalb beschränken sich Smart Cities nicht auf unveränderliche Digitalisierung bisheriger analoger Prozesse, sondern entwickeln neue Umgangsformen und -methoden.

Digitale Träume in Beton sind rund 30 Kilometer westlich von Seoul in der zwischen 2003 und 2010 neu errichteten südkoreanischen Stadt Songdo zu erleben. Vom Flughafen geht es über eine zwölf Kilometer lange an Stahlseilen aufgehängte Autobahnbrücke in Richtung einer atemberaubenden Skyline – bestehend aus sechs jeweils über 150 Meter hohen Central Park Towers und den 11 Milliarden US-Dollar teuren und die anderen Häuser um das Doppelte überragenden North East Trade Tower.

Ein privates amerikanisches Unternehmen übernahm die Vernetzung der Gebäude, die Installation der Smart-Home-Systeme in den Wohnungen und Geschäftshäusern, die Verkehrssteuerung, die flächendeckende Video- und Audioüberwachung und die automatisierte Auswertung der dabei gewonnenen Daten. „Der öffentliche Raum wird in Songdo rund um die Uhr überwacht. An jeder Straße jeder Ampel, jedem Fußgängerüberweg und auch in den Tiefgaragen sorgen Tausende Videokameras dafür, das Stadtgeschehen und das Verhalten der Bewohner flächendeckend aufzuzeichnen. Neben den Kameras sind in Songdo überall auch Mikrofone [und Lautsprecher] installiert“, (Schaar, Seite 47) so dass Mitarbeiter der Einsatzzentrale Menschen überall in der Stadt ansprechen können. Laut Peter Schaar ist das Versprechen der Stadtverwaltung, umwelt- und klimagerechte Lösungen zu haben, nicht richtig. „Die offensichtlichen Schattenseiten von Songdo machen die Stadt zu einem lehrreichen Beispiel dafür, wie die Stadt der Zukunft nicht aussehen sollte. Moderne Städte sollten menschengerecht, nachhaltig und partizipativ sein, nicht technokratisch, kommerziell orientiert und fremdgesteuert. Sie sollte offen sein für unterschiedliche Lebensentwürfe und kulturelle Aktivitäten. Ihre Verwaltung und politische Meinungsbildung sollte dem Prinzip der Transparenz folgen und digital erhobene Daten der Gesellschaft zur Verfügung stellen.“ (Schaar, Seite 51f)

Städte können von Digitalisierung profitieren

Weitere Städte, die Schaar untersucht hat, sind unter anderem die „Google-Stadt Waterfront Toronto“ oder das von Munizipalisten regierte Barcelona, wo er auch viele positive Beispiel für digitale Anwendungen in Städten findet. Eine von ihm gelobte Plattform für öffentliche digitale Beteiligungsformen ist „decidim.org“.

Die deutschen Smart Cities Hamburg, München und Leipzig erreichen durch „Urbane Digitale Zwillinge (UDZ)“, bei denen aus den gesammelten Daten ein digitaler Zwilling der Kommune geschaffen wird, erleichtern insbesondere die Stadtplanung. Dresdens KI-gesteuerte Analyse der Hitzeinseln in der Stadt wird von Schaar ebenso positiv dargestellt wie der digital unterstütze Bürgerhaushalt in Treptow-Köpenick (Berlin) oder die „Siemensstadt 2.0“ in Spandau.

Beim „Internet of Things“, der Big-Data-Auswertung durch KI und insbesondere in der Informationssicherheit und dem Datenschutz sieht Peter Schaar, bei einem ehemaligen hauptamtlichen Datenschützer wenig verwunderlich, große Probleme und verlangt Transparenz und eine demokratische Kontrolle.

Fazit meiner Lektüre: Ein packendes Buch für alle Menschen, die sich für unser städtisches Leben von morgen interessieren und vielleicht unsere kommunale Zukunft aktiv mitgestalten wollen.

Peter Schaar: Schöne neue Stadt – Überwachungsalbtraum Smart Cities?; Verlag S. Hirzel; Stuttgart 2024; 176 Seiten; 24 Euro; ISBN 978-3-7776-2887-5; leider nicht in der Stadtbücherei Münster ausleihbar.

Info-Stele erinnert an Friedensdenkmal

Installation soll Friedensgedanken stärken

Wo heute eine Reihe von Kriegerdenkmalen steht, schmückte von 1905 bis 1942 eine Statue der altgriechischen Friedensgöttin Eirene den Promenadenring. Aus Anlass der Jubiläums „375 Jahre Westfälischer Frieden“ erinnert die Stadt mit einer Informations-Stele am ehemaligen Standort am Kanonengraben an das einzig bekannte Friedensdenkmal seiner Zeit im Deutschen Reich. Die Stele zeigt ein Foto des nicht mehr existierenden Denkmals und gibt weitere Informationen dazu. Durch die „Sichtbarmachung des alten Friedensdenkmals“ soll der Friedensgedanke gestärkt werden.

Sichtbarmachung des alten Friedensdenkmals

Im Jahr 2018 stellte ein Antrag der SPD-Ratsfraktion die Frage, ob an diesem „historischen Standort (…) ein modernes Denkmal für Frieden und zur Erinnerung an den besonderen Charakter Münsters als Friedensstadt errichtet werden“ könne. Nach intensiven Beratungen in den politischen Gremien beschloss die Bezirksvertretung Mitte dann Anfang 2022 einstimmig, den Friedensgedanken durch die „Sichtbarmachung des alten Friedensdenkmals“ zu stärken. Das Stadtarchiv wurde mit der Umsetzung beauftragt.

„Wir leisten als BV-Mitte einen sichtbaren Beitrag zum Friedensjahr.“

Bezirksbürgermeister Dr. Stephan Nonhoff

Der Entwurf für die Info-Stele stammt – wie für die Stelen an den benachbarten Kriegerdenkmalen – aus dem Design-Büro Arndt & Seelig (Bielefeld). Während die Kriegerdenkmale mit ihren versetzt angeordneten anthrazitfarbigen Blöcken und ihrer gebrochenen Linienführung die heute weitgehend kritische Einstellung zu den heroisierenden Monumenten andeuten, leuchtet die Info-Stele am ehemaligen Friedensdenkmal hell und ungebrochen. „Wir leisten als BV-Mitte mit der Informations-Stele einen sichtbaren Beitrag zum Friedensjahr“, sagt Bezirksbürgermeister Dr. Stephan Nonhoff.

Bildhauer Wilhelm Bolte gewann Gestaltungswettbewerb

Bereits 1898 regte der Verband deutscher Geschichts- und Altertumsvereine an, mit einem Denkmal an den 250. Jahrestag des Westfälischen Friedensschlusses von 1648 zu erinnern. Der Verschönerungsverein – eine bürgerschaftliche Initiative, die sich um die Pflege des Stadtbilds bemühte – griff die Idee auf und führte einen Gestaltungswettbewerb durch, den der Münsteraner Bildhauer Wilhelm Bolte gewann.

Dr. Peter Worm (l.) und Phillip Erdmann (r.) vom Stadtarchiv Münster präsentieren gemeinsam mit Bezirksbürgermeister Stephan Nonhoff und Marita Otte, Mitglied aus der Bezirksvertretung Mitte, die neue Info-Stele zum ehemaligen Friedensdenkmal. (Foto: Stadt Münster)

Sein Entwurf zeigte die zweieinhalb Meter hohe Friedensgöttin Eirene auf einem Sockel mit erhobenem Ölzweig als Zeichen des Friedens. Das Denkmal wies insgesamt eine Höhe von 4,65 Meter auf. Am Fuß des Sockels legte ein Reitersoldat seine Waffen nieder. Die Einweihung fand am 1. Juli 1905 statt. Im Zweiten Weltkrieg wurde das Denkmal für die Herstellung von Waffen und Munition eingeschmolzen. Anders als die im Krieg zerstörten Kriegerdenkmale wurde das Friedensdenkmal nach dem Weltkrieg nicht wiederaufgebaut.

Zukunft des Gasometers

Neben dem markanten Fernsehturm in Münster-Ost ist der Gasometer an der Kreuzung Umgehungsstraße / Albersloher Weg eines der auffälligsten Gebäude im Südosten Münsters. Erst der „Weiße Riese“ in Berg Fidel ist westwärts wieder vergleichbar mit dem Gaso, denn dazwischen sind südlich der Umgehungsautobahn nur Schornsteige der Industrie an der Siemensstraße und in Hiltrup zu sehen. Das geschützte Industriebaudenkmal in der Nähe des Boelckeweges sei, so eine Pressemitteilung der Stadt Münster aus der vergangenen Woche, „eine Landmarke“, die „zu neuem Leben erweckt“ werden soll. Deshalb gibt es zur Zukunft des Gasometers eine städtische Informationsveranstaltung am kommenden Dienstag (21. Juni).

„Gazo für alle“

Es ist schon erstaunlich, dass die Stadt Münster davon ausgeht, dass am 2005 außer Dienst gestellten Erdgas-Speicher neues Leben erweckt werden müsse, denn durch den aktuellen Pächter, dem Kunst- & Kultur-Kollektiv gazometer des sozialpalast e.V., gibt es seit gut einem Jahr so viel Leben auf dem den Stadtwerken Münster gehörendem Gelände, dass es manchen Anwohner*innen am Boelckeweg oder auch am Nieberding manchmal sogar zu laut wird. Was alles am Gasometer passiert, habe ich schon im Oktober vergangenen Jahres in einem Bericht auf dieser Webseite dargestellt.

Die Unterstützer*innen des Gasometer-Projektes gingen auch schon auf die Straße. (Foto: Werner Szybalski)

Mit einer eindrucksvollen Demonstration während der Dezember-Sitzung des Rates der Stadt Münster und politischen Interventionen des Pächters bei den Fraktionen des Stadtrates sowie der städtischen Verwaltung gelang es den „Gazo-Aktivist*innen“ und ihren Unterstützer*innen den Ende vergangenen Jahres auslaufenden Pachtvertrag zumindest bis zum Herbst 2022 verlängert zu bekommen.

Die am Dienstag (21. Juni) ab 18 Uhr in die Mehrzweckhalle der Stadtwerke (Hafenplatz 1) stattfindende öffentliche Informationsveranstaltung des Stadtplanungsamts ist die Auftaktveranstaltung, die als Bürger*innenbeteiligung zum neuen Bebauungsplan für das Gaso-Gelände dient.

Breite Mehrheit für Konzeptvergabe an Investor*innen

In der Dezember-Sitzung des Rates wurde ein Ergänzungsantrag zur Vorlage für den Bebauungsplan Nr. 626 beschlossen, den das Bündnis 90 / Die Grünen / GAL, die SPD-Fraktion und die Ratsgruppe Volt einbrachten: „Die städtebauliche Qualität soll durch eine Konzeptvergabe gesichert werden, die durch den Grundstückseigentümer durchgeführt wird. Inhalte und Ziele der Konzeptvergabe werden mit den zuständigen Gremien der Stadt Münster abgestimmt.“

Damit wurde einerseits die Verlängerung der Geländenutzung durch das Gazometer-Kollektiv eröffnet und andererseits die Tür zur Veräußerung des Gasometers an einen Finanzinvestor offen gehalten. Aus dem zweiten Grund stimmte die Ratsfraktion der Partei Die Linke auch gegen die Vorlage, da sie lieber direkt das Gelände für Kunst und Kultur gesichert hätte. Hinter den ergänzten Beschluss stellten sich das Bündnis 90 / Die Grünen / GAL, die CDU, der OB, die SPD, die FDP, Volt, und AfD-Ratsherr Mol. Die Internationale Fraktion Die PARTEI / ÖDP enthielt sich.

Die Stadtwerke Münster, Eigentümern des Bauwerks und des Grundstücks, benötigen den Gasometer nicht mehr. Sie wollen das Gelände zu Geld machen und verkaufen. Dabei möchte die Stadt Münster gerne „eine neue Mischnutzung“ bekommen, die „das charakteristische Erscheinungsbild und die städtebaulich prägende Bausubstanz erhalten“ soll.

Für das Pächter-Kollektiv, das sich am Wettbewerb grundsätzlich beteiligen will, stellt sich nun die Frage, wie ein am Gemeinwohl orientiertes Konzept gegen die gebündelten Geldscheine der potentiellen Investoren bestehen kann. Einerseits muss das Gazo-Kollektiv dafür (öffentliche) Gelder akquirieren und andererseits ein auch von der unmittelbaren Nachbarschaft mitgetragenes Betreiberkonzept vorlegen. Doch zunächst ist die städtische Planung am Zug. Die öffentliche Veranstaltung am Dienstag bei den Stadtwerken stellt den üblichen geringen Teil der obligatorischen Bürger*innenbeteiligung dar.

Blick in den Innenraum des Gasometers. (Foto: Werner Szybalski)

Stadt will zunächst eine Machbarkeitsprüfung

„In einem ersten Schritt wird nun eine Machbarkeitsprüfung vorgenommen, die die Rahmenbedingungen für eine Entwicklung des Bauwerks herausarbeitet. Geprüft werden unter anderem der Sanierungsbedarf des Gasometer-Gerüsts, mögliche Altlasten im Boden und die Lärmbelastung durch Umgehungsstraße und Albersloher Weg“, heißt es in der Pressemitteilung der Stadt. Der Verkauf des Geländes soll dann als sogenannte „Konzeptvergabe“ erfolgen. Aus städtischer Sicht soll diese sicherstellen, dass bei der Auswahl eines Investors sowohl die Wirtschaftlichkeit als auch städtebauliche und architektonische Qualitäten berücksichtigt werden. Dabei soll das eingereichte Konzept die gewünschte Mischung verschiedener Nutzungen definieren. Planungsrechtlich wird die zukünftige Nutzungsstruktur im laufenden Bebauungsplanverfahren der Stadt mit der Nummer 626 festgezurrt.

Öffentliche Auslegung des Bebauungsplan-Vorentwurf ab 20. Juni

Ab Montag (20. Juni) kann dieser Bebauungsplan-Vorentwurf Mitte Juli (Freitag, 15. Juli) im Kundenzentrum des Stadthauses 3 (Albersloher Weg 33, Öffnungszeiten: Montag bis Mittwoch: 8 bis 16 Uhr, Donnerstag: 8 bis 18 Uhr, Freitag: 8 bis 13 Uhr) eingesehen werden. Die Unterlagen sind dann auch im Netz abrufbar. Fragen zu den ausgelegten Unterlagen werden telefonisch unter 02 51 / 4 92 61 95 beantwortet.

Die Mitarbeiter*innen des Stadtplanungsamts werden auf der Informationsveranstaltung am Dienstag ( 21. Juni) um 18 Uhr in der Mehrzweckhalle der Stadtwerke (Hafenplatz 1) zunächst ihre Ziele und die Rahmenbedingungen der städtischen Planung erläutern. Vermutlich werden auch Fragen aus dem Kfreis der Teilnehmer*innen dazu beantwortet.

Was will das Gazo-Kollektiv

Auf ihrer Webseite verdeutlicht das Gazo-Kollektiv kurz und knapp, was sie mit dem Gelände vorhaben:

Wir wollen unser Projekt auf dem Gasometer-Gelände verwirklichen, weil das rostrote Kranzgerüst des Gasometers sowie das alte Technikhaus mit seinen denkmalgeschützten Pumpen zu den sichtbarsten Überbleibseln der Energiegeschichte der Stadt und des Hansaviertels zählen. Wir begreifen sie als städtebauliche und architektonische Juwelen, die wir erhalten wollen. Beim Erschließen des Areals für eine kontinuierliche kulturelle und soziale Nutzung werden wir daher besonders darauf achten, ihren historischen Charme zu erhalten und mit ihm zu arbeiten. Der soziokulturelle Kunstraum am Gasometer soll also sowohl ein Ort der Vielfalt und des kulturellen Lebens, als auch ein Projekt der (kulturellen) Denkmalpflege im städtebaulichen Kontext werden.

Gazo-Kollektiv des sozialpalast e.V.

Prinzipalmarkt unter Wasser

Greenpeace-Protest in Münster

Für wirksame Klimaschutzmaßnahmen protestierten Aktive von Greenpeace Münster heute mit einer Kunstaktion am Aasee. Sie wollen damit an das Bekenntnis zu den Pariser Klimazielen erinnern. 2015 einigten sich zahlreiche
Staaten darauf, die Erderhitzung auf 1,5 Grad zu begrenzen. Die Realität heute – sechs Jahre später: Die Erde hat sich bereits um mehr als 1,3 Grad erhitzt. Der Amazonas brennt, Küsten werden überschwemmt und Extremwetterereignisse
häufen sich auch in Deutschland.

„Angesichts des steigenden Meeresspiegels und der zunehmenden Wetterextreme brauchen wir schnell wirksame Klimaschutzmaßnahmen!“, fordert Tim Nau von Greenpeace Münster. „Die Klimakatastrophe gefährdet uns alle.“

Um das zu visualisieren, hat die Ortsgruppe Münster heute drei zwei mal zwei Meter große Holzmodelle der Häuser am Prinzipalmarkt sowie des Doms im Aasee versenkt. Unter dem Motto „Es fehlt erst, wenn es weg ist“ wurden zudem Bilder ausgestellt, die bekannte Orte des Stadtbilds zeigten, deren Sehenswürdigkeiten „verschwunden“ waren – wie es vielleicht bald dem Amazonas Regenwald und den küstennahen Gebieten unserer Erde passiert.

Quelle: Greenpeace Münster

BLACK LIVES MATTER – auch in Münster?

Dr. Natasha Kelly eröffnet die antirassistische Veranstaltungsreihe des May-Ayim-Rings.

„Strukturen des Rassismus“

Am Montag (23. August) um 16 Uhr ist die Kommunikationssoziologin Dr. Natasha A. Kelly in der Zukunftswerkstatt Kreuzviertel (Schulstraße 45 in 48149 Münster) zu Gast. Sie eröffnet mit dem Vortrag „Strukturen des Rassismus“ die antirassistische Veranstaltungsreihe „BLACK LIVES MATTER – auch in Münster?“ des May-Ayim-Rings Münster, der die Lesung in Kooperation mit der Bürgerinitiative l(i)ebenswertes Uppenberg durchführt. Die Teilnahme ist nur für geimpfte, genesene oder frisch getestete Personen möglich, weshalb eine Anmeldung per Email (kelly@may-ayim-ring.org) erforderlich ist.

Dr. Natasha A. Kelly ist aktuelle „Frauenringsfrau 2021“ und eine der aktuell bedeutendsten Schwarzen Stimmen in Deutschland. Kelly, die 1973 in London geboren wurde, wuchs in Norddeutschland auf. Nach dem Abitur machte sie eine Ausbildung und studierte Kommunikationswissenschaften, Soziologie und englische Philologie an der Westfälischen-Wilhelms-Universität Münster. Ihr Magisterstudium schloss sie 2005 mit einer Abschlussarbeit zu „Afroism. Zur Situation einer ethnischen Minderheit in Deutschland“ ab.

Zahlreiche Publikationen veröffentlicht

In ihren Publikationen „Afroism“ (2008), „Sisters & Souls“ (2015), „Afrokultur“ (2016) und „Millis Erwachen“ (2018) setzte sie sich die in Berlin lebende Wissenschaftlerin mit Afro-Deutscher Kultur auseinander. Sie gründete „X – Das Magazin für Afrokultur“, zog sich später aber aus der journalistischen Arbeit zurück. Kelly ist Gründungsmitglied des Black European Academic Network (BEAN), einer Plattform zur Förderung der Vernetzung und Verbreitung Schwarzer Europäischer Geschichte für Wissenschaftler.

Ihre jüngste Veröffentlichung ist „Sisters & Souls 2“ (2021). Fünf Jahre nach dem ersten Buch („Sisters & Souls“), das zu Ehren von May Ayim herausgegeben wurde, kommen im neuen Sammelband über 20 Frauen, die alle vom politisch-lyrischen Werk May Ayims beeinflusst wurden, zu Wort. Das Buch unterstreicht den Bedarf an Räumen für Schwarze und möchte „Schwarze deutsche Geschichte mitschreiben.“ In der Einleitung macht Dr. Natasha A. Kelly zudem krass deutlich, dass – nicht nur in den USA – „Rassismus tötet.“

Wissen aus schwarzer Perspektive

Kelly beschäftigt sich mit Black Studies und hat auch den Sammelband „Schwarzer Feminismus“ herausgegeben. „Es geht darum, Wissen aus schwarzer Perspektive zu generieren“, sagte die Wissenschaftlerin im Deutschlandfunk: „Was in Deutschland fehlt, ist die Betrachtung deutscher Geschichte aus einer schwarzen Perspektive.“ Dabei gehe die Geschichte Schwarzer Menschen in Deutschland bis ins 11. Jahrhundert zurück. „Es gibt eine sehr lange deutsche schwarze Geschichte“, sagt Kelly, „in Deutschland herrscht aber immer noch die Vorstellung, dass Deutsche weiß sind.“

In Podcasts beim Deutschlandfunk von und mit Natasha Kelly kann hier hineingehört werden.

May-Ayim-Ring will aufklären

Der May-Ayim-Ring setzt sich für die Benennung einer Straße in Münster nach der vor 25 Jahren verstorbenen Lyrikerin und „sanften Rebellin“ May Ayim ein, die in Münster aufwuchs und an der Friedensschule ihr Abitur baute. Da seit den Zeiten von May Ayim im Münsterland sich die Situation für Schwarze und People of Color nicht wesentlich verbessert hat, was Dr. Natasha A. Kelly für ein strukturelles Problem hält, versucht der May-Ayim-Ring Münster durch die mit Frau Kelly eröffnete Veranstaltungsreihe, die Diskussion in der Stadtgesellschaft über die gesamtgesellschaftliche Verpflichtung Münsters zum Eintritt gegen jegliche Ausgrenzung und Diffamierung in der durch unversalistische*s Erbe und Gegenwart geprägten Stadt zu entfachen

In der mit „fight racism“ untertitelten Veranstaltungsreihe werden unter anderem Millay Hyatt „Kritisch Weißsein – Weißsein als Privileg.“ (30. September, 19 Uhr bei ODAK, Wolbecker Straße 1), der BVB-Fußballer Otto Addo „Rassismuserfahrungen von Spitzensportler*innen“ (6. Oktober, 19 Uhr), Alexander Heflik „Erwin Kostedde“ (28. Oktober, 19 Uhr) Florence Brokowski-Shekete „Mist, die versteht mich ja!“ (6. November, 19 Uhr) und Sulaiman S.M.Y. Addonia „Schweigen ist meine Muttersprache“ (18. November, 19 Uhr) in Münster zu Gast sein.

Mit dem Leben und Werk May Ayims setzt sich die einführende Veranstaltung „May Ayim.“am 27. September um 19 Uhr im Gasometer (Albersloher Weg / Boelckeweg) auseinander. Es werden Zeitzeug*innen zu Wort kommen, ein Film über May Ayim wird zu sehen sein und Gedichte der Lyriker*in werden vorgetragen. Auch die drei neuen Bücher von und über May Ayim, die im August im Unrast Verlag in Münster erschienen, werden vorgestellt.

„Zwischen Erfolg und Verfolgung“ – jüdische Sportler bis 1933 und danach

Oberbürgermeister Markus Lewe (v. l. n. r.), Sharon Fehr, der Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde Münster, Christoph Strässer, Präsident des SC Preußen Münster, und Kurator Dr. Henry Wahlig bei der Ausstellungseröffnung. (Foto: Stadt Münster/MünsterView.)

Ausstellung mit überlebensgroßen Sportler*innen-Silhouetten auf dem Überwasserkirchplatz

Kugelstoßen, Diskuswurf, Weitsprung – das waren Lilli Henochs Disziplinen. Zehnmal wurde sie in den 1920er-Jahren Deutsche Meisterin, war eine gefeierte Leichtathletin, die mehrere Weltrekorde brach und leitend tätig war im Berliner Sport-Club. Mit dem Aufkommen der Nationalsozialisten wendete sich das Blatt für die erfolgreiche jüdische Sportlerin. 1933 wurde sie vom Verein ausgeschlossen, fand später gerade noch eine Anstellung als Turnlehrerin einer jüdischen Schule. 1942 wurde sie erschossen – noch während eines Transportes in das Ghetto von Riga. 42 Jahre alt war Lilli Henoch da.

Bewegende Biografien von 17 herausragenden deutsch-jüdischen Sportlern erzählt die Wanderausstellung „Zwischen Erfolg und Verfolgung. Jüdische Stars im deutschen Sport bis 1933 und danach„. Aufgebaut ist sie bis zum 25. Juli auf dem Überwasserkirchplatz. Überlebensgroße Silhouetten erinnern dort an das Leben der Nationalspieler, Welt- und Europameister, Olympiasieger und Rekordhalter, an ihre Verdienste für den Sport – und an die Zeit, in der sie Opfer des Rassenwahns der nationalsozialistischen Gesellschaft wurden. Das Friedensbüro von Münster Marketing hat die Ausstellung des Zentrums Deutsche Sportgeschichte e.V. (Berlin) gemeinsam mit einem breiten Netzwerk von Partnern nach Münster geholt. Mitten in der Innenstadt wird sie zu einem Ort des Innehaltens und Nachdenkens – ein Stolperstein, der ein dunkles Kapitel deutscher Geschichte aufschlägt, aber auch in die Gegenwart weist und für Toleranz und Freiheit wirbt.

Vielfältiges Rahmenprogramm

Denn nur, weil sie Juden waren, wurden die vorgestellten Frauen und Männer aus ihren Vereinen ausgeschlossen, Titel wurden ihnen aberkannt. Dem deutschen Fußballpionier Walther Bensemann, Mitbegründer des Deutschen Fußball-Bundes, blieb wie vielen anderen nur die Flucht. Der Fußballnationalspieler Julius Hirsch wurde deportiert und ermordet. Ralph Klein entkam nur knapp der Deportation nach Auschwitz. Nach dem Krieg war er israelischer, später deutscher Basketball-Nationaltrainer. Die Ausstellung bietet mit der Schwimmerin Sarah Poewe aber auch einen Ausblick: Als erste jüdische Athletin nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges gewann sie 2004 in Athen eine olympische Medaille für Deutschland.

Begleitend zur Ausstellung „Zwischen Erfolg und Verfolgung“ bieten die Veranstalter und Kooperationspartner ein vielfältiges Rahmenprogramm an. Im Werkstattgespräch „Überdehnen und Verbiegen“ geht es um Körper- und Führerkult in der NS-Zeit (1. Juli), in einer Podiumsdiskussion um Jüdischen Sport in Deutschland und im Münster der 1930er-Jahre (5. Juli). Ein Workshop schlägt den Bogen in die heutige Zeit und tritt ein gegen Ausgrenzung im Sport (13. Juli). Alle Infos und Termine finden sich online unter www.stadt-muenster.de/tourismus/startseite.html.

Umfangreiche Kooperation

Veranstalter der Ausstellung sind der SC Preußen Münster, Gegen Vergessen Für Demokratie Münsterland, die Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Münster, der Stadtsportbund Münster, das katholische Stadtdekanat Münster, der Evangelische Kirchenkreis Münster und das Friedensbüro bei Münster Marketing.Die Ausstellung findet statt in Kooperation mit der Jüdischen Gemeinde Münster, dem Geschichtsort Villa ten Hompel, dem FANport Münster, dem Fanprojekt Preußen Münster, der Kirchengemeinde Liebfrauen-Überwasser, der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, dem Verein Spuren Finden, dem Stadtarchiv Münster und dem Projekt „Sport, Sprache, Integration“ beim Amt für Schule und Weiterbildung der Stadt Münster.

Zitate zur Ausstellungseröffnung

„Zwischen Erfolg und Verfolgung. Jüdische Stars im deutschen Sport bis 1933 und danach“ am Freitag, 25. Juni, 15 Uhr:

Oberbürgermeister Markus Lewe: „Jüdisches Leben in Deutschland ist nicht nur ein Thema für das Museum. Jüdisches Leben ist nichts Fremdes, sondern war schon immer Teil unserer Gesellschaft, es gehört zu uns und das wollen wir sichtbar machen. Unter anderem mit dieser Ausstellung holen wir es sprichwörtlich in die Mitte unserer Stadt. Thema der Ausstellung ist der Sport. Sie zeigt, wie es auch hier zu Ausschluss, Diskriminierung und Verfolgung gekommen ist und immer noch kommt. Die Ausstellung zeigt aber auch, wie Sport Menschen aktiv und spielerisch zusammenbringen und somit verbinden kann.“

Sharon Fehr, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde Münster: „Die Bedrohung jüdischer Menschen hat nach 1945 nicht aufgehört. 76 Jahre nach dem Zivilisationsbruch des Nationalsozialismus müssen jüdische Schulen und jüdische Trainingsstätten von Sicherheitsdiensten bewacht werden, finden jüdische Gottesdienste und Feiern unter Polizeischutz statt und sind Bedrohungen wieder alltäglich. Warum haben wir zugelassen, dass es so weit kommt?“

Christoph Strässer, Initiator der Ausstellungsumsetzung in Münster und Präsident des SC Preußen Münster: „Die Ausstellung beschreibt eindrucksvoll und bewegend die Geschichte junger Menschen, die aufgrund einer einzigen Tatsache in einem totalitären System verfolgt und letztendlich ihrer Menschenwürde beraubt wurden: sie waren Juden. Und es zeigt für uns, gerade auch in der aktuellen Debatte: Rassismus und Antisemitismus dürfen keinen Platz finden in unserer Gesellschaft; und schon gar nicht im Sport. Denn Sport soll verbinden – und nicht trennen.“

Dr. Henry Wahlig, Kurator der Ausstellung und Leiter Kultur- & Veranstaltungsprogramm DFB-Stiftung Deutsches Fußballmuseum gGmbH: „Ich freue mich sehr, dass die Wanderausstellung „Zwischen Erfolg und Verfolgung“ in diesem Jahr in Münster – der Stadt in der ich aufgewachsen bin – zu sehen ist. Ich hoffe, dass viele Münsteranerinnen und Münsteraner die Gelegenheit nutzen werden, die Ausstellung zu besuchen, sich mit den Biographien dieser großartigen Sportlerinnen und Sportler zu beschäftigen und sich mit den Themen Antisemitismus und Rassismus in unserer Gesellschaft und im Sport auseinanderzusetzen.“

Quelle: Pressemitteilung der Stadt Münster (25. Juni 2021, 16:27 Uhr)