Neue Machtoption im Rathaus?

Grün-rot-rot ist nicht mehr unrealistisch

Am vergangenen Wochenende stellte die Linkspartei in Münster ihre Liste für die Kommunalwahl am 14. September diesen Jahres zusammen und nominierte auch eine Kandidatin für das Amt der Oberbürgermeisterin Münsters. Das Personaltableau ist ziemlich neu und verdeutlicht den personellen Umbruch der auch in Münster stark gewachsenen Partei „Die Linke“.

Nur Fatma Karana, die nach dem Ende der Dominanz der Trotzkisten von „Marx 21“ in Münster Ende vergangenen Jahres erneut in den Rat der Stadt Münster einzog, und vielleicht noch der frühere lokale Parteivorsitzende Olaf Götze, er sitzt derzeit für die Linke im Aufsichtsrat der Stadtwerke Münster, bringen lokalpolitische Erfahrung mit.

Spitzenkandidatin der Linken ist Dr. Katja Martinewski, die zugleich auch als Kandidatin für das Amt der Oberbürgermeisterin von Münster kandidieren wird. Auf Platz drei ist die aktuelle Ratsnachrückerin Fatma Karana gelistet, die schon bis 2020 für die Linke im Rat saß. Dazwischen steht mit Sebastian „Baas“ Nahrwold ein Kandidat auf der Liste, der zur Zeit keine Funktion im Rat oder seinen Gremien inne hat. Realistische Chancen auf ein Ratsmandat haben auch noch Jacob Bohé, Lara Bösche und Stefan Proske-Schnuppelius.

Viele neue, unverbrauchte Kandidat:innen

Trotz oder gerade wegen der vielen neuen, unverbrauchten Kandidat:innen bei den lange in Systemopposition verharrenden Linken in Münster könnte sich nach der Kommunalwahl eine neue Machtoption auftun. Grüne und CDU werden um die stärkste Fraktion im Rat der Stadt ringen. Dies dürfte auch bei der OB-Wahl vergleichbar laufen, was die zukünftige Zusammenarbeit von schwarz-grün nicht wahrscheinlicher macht. Für grün-rot-violett reichte es derzeit schon nicht. Da die Linke mehr Zuspruch als Volt bekommen dürfte, wäre grün-rot-rot eine durchaus realistische Perspektive für Münster.

Heute wieder eine neue Selfprint-Ausgabe

VIELFALT! Das bunte Münster. Zum Ausdrucken und auch Onlinelesen. Im Originalformat (DIN A3) und auch in DIN A4 abrufbar!

Selfprint

Nach vier Jahren Pause gibt es wieder das Blättchen für öffentliche Angelegenheiten in gedruckter Form. Die VIELFALT! Das bunte Münster ist allerdings nicht mehr fremd gedruckt zu bekommen, sondern kann ganz selbständig zu Hause, im Büro oder im Copyshop selbst gedruckt werden.

Themen der aktuellen Ausgabe 25-04 vom 23. Mai 2025: Grün-rot-rot in Münster? Mehr Miteinander im Bahnhofsviertel. Stillstand in Rumphorst. Wegfall von 55 freien, kostenlosen Parkplätze am Rande des Kreuzviertels. 17. Grünflächenunterhaltung am morgigen Samstag (24. Mai 2025). Kurzmeldungen über Veganes Essen, neue WVG-Geschäftsführer, drohende Kürzung in der Freien Kulturszene, schnelles Internet im Dorf und die Demo gegen Rechts am 31. Mai. Hier im DIN A3-Format und DIN A4-Format zu finden.

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Bald Castor-Transporte nach Ahaus?

Mahnwache und Demonstration

Am Montagmorgen (19. Mai 2025) sollen in Ahaus am Kreisverkehr Umbauarbeiten beginnen. „Es handelt sich um Tiefbaumaßnahmen externer Dritter zur Vorbereitung möglicher anstehender Castor-Transporte nach Ahaus und nicht um Baumaßnahmen der Stadt Ahaus“, stellt die Stadt in einer Pressemitteilung klar. Diese Bauarbeiten dauern bis zum 26. Mai 2025. Ab dann könnte in Ahaus die Schwertransporte, vor denen sich viele Menschen im Land fürchten und sie deshalb ablehnen, durch die Stadt fahren. Natürlich geht es geht um Castorbehälter mit Atommüll aus dem ehemaligen Kernforschungszentrum Jülich. Von dort sollen mit 152 Castor-Transporten über die Straße rund 300.000 hochradioaktive Brennelemente ins Atommüllzwischenlager nach Ahaus verbracht werden.

Dies möchten Demonstrant:innen morgen ab 9 Uhr mit einer Mahnwache am „Tobit-Kreisel“ in Ahaus und abends ab 18 Uhr mit einer Kundgebung vor einer öffentlichen Informationsveranstaltung der BGZ Gesellschaft für Zwischenlagerung mbH vor dem Rathaus in Ahaus verhindern. Die Bürgerinitiative „Kein Atommüll in Ahaus“, unterstützt von „Sofa Münster“ (Sofortiger Atomausstieg), dem Jülicher Aktionsbündnis „Stop Westcastor“ und anderen Anti-Atomkraft-Initiativen, möchten mit dem Castor-Aktionstag und Petitionen die Transporte verhindern.

Brief an Bundesumweltminister geschrieben

Verschiedene Anti-Atomkraft-Organisationen haben gemeinsam an den neuen Bundesumweltminister Carsten Schneider von der SPD geschrieben. Sie fordern ein Moratorium (Aufschub des Transportes zum Beispiel durch eine Verordnung des Ministers) für weitere Castor-Vorbereitungen. „Der hochradioaktive Atommüll wurde in Jülich erzeugt. Eine sichere Endlagermöglichkeit gibt es weiterhin nicht. Deshalb ist die Weiterlagerung in Jülich mit dem Neubau eines modernen Zwischenlagers bei uns in Jülich die verantwortungsvollste Option. 152 Castor-Transporte über die ohnehin maroden Autobahnen von NRW sind der falsche Weg, der nur neue, erhebliche Sicherheitsrisiken bringt. Bund und Land müssen sich endlich an einen Tisch setzen und in Jülich eine belastungsfähige Lagerperspektive schaffen“, erklärte auf der BI-Webseite Marita Boslar vom Jülicher Aktionsbündnis „Stop Westcastor“. Durch eine gründliche Neuprüfung des gesamten Vorhabens und ernsthafte Verhandlungen zwischen dem Bund und dem Land Nordrhein-Westfalen ist für die Aktivist:innen die beschriebene Lösung ein realistischer Vorschlag.

Atommüllzwischenlager in Ahaus. (Foto: Archiv Werner Szybalski)

„Wir setzen auf den neuen Bundesumweltminister Schneider. Er kann das Verfahren stoppen und für eine sachgerechte, langfristige Lösung sorgen. Hochradioaktiver Atommüll gehört nicht auf die Autobahn“, erklärte Felix Ruwe von der Bürgerinitiative „Kein Atommüll in Ahaus“ auf ihrer Internetseite.

„Die geplanten Castor-Transporte sind unnötig und riskant“

Dr. Fabian Fahl

MdB macht Druck

Auch der Aachener Bundestagsabgeordnete der Linken, Dr. Fabian Fahl, verlangt den Verzicht auf die Castor-Transporte. In einer Pressemitteilung machte der Klimaexperte deutlich: „Ich fordere die Aussetzung der Transporte nach Ahaus und die konsequente Weiterverfolgung der Neubauoption in Jülich. Kurzfristig mag dies teurer erscheinen, aber langfristig ist es die sicherere und nachhaltigere Lösung.“ Fahl ist der Überzeugung, dass die „Bevorzugung der Ahaus-Option eine primär politisch motivierte Entscheidung, die langfristige Sicherheitsaspekte außer Acht“ lasse. Da er Versäumnisse – offensichtlich auch bei der Landesregierung – sieht, stellte er gleich zu Beginn seiner Abgeordnetenzeit in Berlin eine Anfrage an die Bundesregierung, die noch von der Ampel beantwortet wurde.

Schon zuvor hatte Fahl am 11. April 2025 erklärt: „Die geplanten Castor-Transporte sind unnötig und riskant. Es ist nicht zu spät, den Atommüll in Jülich zu belassen und ein neues, sicheres Zwischenlager vor Ort zu errichten.“

Düsseldorf könnte die Transporte stoppen

Mitte April schrieb die wegen des Regierungswechsel in Berlin inzwischen ersetzte grüne Staatssekretärin Claudia Müller auf die Anfrage von Dr. Fabian Fahl, dass der Haushaltsausschuss des Bundestags schon 2022 erklärt hätte, der Ausschuss fordere „die kostengünstigere Verbringung der Brennelemente nach Ahaus“, wenn das Land Nordrhein-Westfalen „die Mehrkosten eines Neubaus in Jülich nicht tragen möchte“. Dazu unterstrich Claudia Müller: „Eine solche Absichtserklärung seitens des Landes NRW ist der Bundesregierung nicht bekannt.“ Für Fahl schimmert da eine Möglichkeit durch, die Transporte aus der Landeshauptstadt, durch die die Castoren übrigens durchrollen sollen, zu stoppen.

Ende Juni vergangenen Jahres erklärte in Oberhausen die Landesdelegiertenkonferenz der Grünen, dass sie die Landesregierung ausdrücklich darin bestärke, „den Koalitionsvertrag bezüglich des Atommülls in Jülich umzusetzen und den Plan einer Verbringung der Castoren nach Ahaus zu verhindern.“ Liegt der Schwarze Peter denn allein bei der grünen Mona Neubaur, die als Landeswirtschaftsministerin in NRW für die Atomaufsicht zuständig ist?

„Minimierung von Atomtransporten“

Im schwarz-grünen Koalitionsvertrag für NRW vereinbarten die Koalitionspartner sich für die „Minimierung von Atomtransporten“ einzusetzen. Dies gelte auch für Transporte aus Jülich ins rund 180 Kilometer entfernte Ahaus. NRW-Vizeministerpräsidentin Mona Neubaur wiederholt gebetsmühlenartig, dass sie keine politischen Mittel habe, um die Transporte ins Münsterland zu unterbinden. Allein die Jülicher Entsorgungsgesellschaft für Nuklearanlagen (JEN) habe da das Heft des Handelns – zudem sei das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung für die Erteilung der Transportgenehmigung zuständig. Sie selbst, so Neubaur, sei eben „nur“ die Chefin der NRW-Atomaufsicht.

André Stinka, SPD Landtagsabgeordneter aus Dülmen, befürchtet schon Castor-Transporte in diesem Sommer. (Foto: SPD NRW / Jens van Zoest)

Versagen der Grünen und ihrer Ministerin

Am weitesten aus dem Fenster lehnt sich André Stinka, wirtschaftspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion. Der Dülmener kann sich gut vorstellen, dass „wir im Sommer Transporte erleben könnten“, erklärte er gegenüber den Westfälischen Nachrichten. Inzwischen ist er aber, wie die Berliner Tageszeitung „taz“ berichtete, der Auffassung, dass ein „kompletten Versagen der grünen Landtagsfraktion – und von Ministerin Neubaur“ vorliege. Die Landesregierung müsse eigenes Geld in den Zwischenlager-Neubau in Jülich stecken, wenn sie denn zumindest in Teilen – siehe Parteibeschluss der Grünen und auch die Sicherheits- und Kostenbedenken des Innenministers Herbert Reul (CDU) – die Castor-Transporte verhindern wolle.

Ostermarsch fordert „Diplomatie statt Konfrontation durch Aufrüstung!“

Bis zu 300 Menschen marschieren durch Münster*

Während in Gronau ein breites Bündnis aus Friedensgruppen und Antiatom-Initiativen zum Ostermarsch am Karfreitag (16. April 2025) zusammen kam, waren es einen Tag später in Münster nur sieben Organisationen, die zum Marsch vom Servatiiplatz über Ludgeriplatz und Aegidiiplatz zum Prinzipalmarkt aufriefen. So konnten sich die Organisator:innen an der niederländischen Grenze über 200 bis 250 Teilnehmer:innen freuen, die vom Bahnhof Gronau zur Urananreicherungsanlage marschierten. Die Münsteraner:innen, bei denen viele bekannte Friedenskämpfer der Veranstaltung fern geblieben waren, mussten bei der Auftaktkundgebung mit 120 bis 150 Marschier:innen zufrieden sein. Trotzdem zeigte sich Organisator Ansgar Schmidt von der Friedenskooperative Münster am Abend nach dem Marsch zufrieden: „Der Ostermarsch Münster 2025 repräsentierte eine Teilnehmerschaft von jung bis alt, wir positionierten uns gemeinsam gegen „Kriegstüchtigkeit“ und Kriegslogik . . . Kriegsbesoffenheit!“

Ansgar Schmidt organisierte den Ostermarsch 2025 in Münster.

„Abrüstung statt Sozialabbau“

Um 12 Uhr versammelten sich am Samstag (19. April 2025) die Friedensfreund:innen am Servatiiplatz in Münster. Ansgar Schmidt von der Friedenskooperative Münster begrüßte die Teilnehmer:innen. Zunächst sprach Rosemarie Bromnach von der Friedenskooperative Münster, die unter anderem „Abrüstung statt Sozialabbau“ forderte. Anschließend betonte Timo König von der Revolutionären Linken: „Nur die hier versammelte Friedensbewegung hat die Zeichen der Zeit verstanden.“ Auch der SDAJ kam zum Auftakt noch zu Wort. Die beiden Musiker Vovo und James sorgten mit „tollen Musikbeiträgen“, so Ansgar Schmidt, für gute Stimmung trotz eines sehr ernsten Hintergrundes.

„Besser gemeinsam statt getrennt“

Vor dem Redebeitrag der Vertreter:innen von Palestina antikolonial am Servatiiplatz erklärte Schmidt einführend: „Es wurde heftig diskutiert, ob ihr als gleichberechtigte Partner am Ostermarsch teilnehmen dürft. Ich finde es gut, das ihr dabei seid. Besser gemeinsam statt getrennt.“ Allerdings ging er nicht darauf ein, warum fast nur noch halb so viele Gruppierungen wie im Vergleich zum Ostermarsch 2023 offiziell zur Teilnahme aufriefen.

Beim Zwischenstopp am LWL-Museum am Aegidiiplatz sprachen unter anderem Sevim Ates von ODAK und Organisator Ansgar Schmidt für die DKP sowie zwei junge Gewerkschaftler. Vorbei am Wochenmarkt auf dem Domplatz zogen die Ostermarschierer:innen anschließend zum Prinzipalmarkt. Dort sprachen zum Abschluss ein Student von Solid sowie Maria Buchwitz von Pax Christi.

Der Ostermarsch Münster 2025 war ein Erfolg!

Wir haben heute mit sehr vielen Menschen für Frieden und Abrüstung, für Diplomatie statt Konfrontation durch Aufrüstung!, erklärte Ansgar Schmidt, der zufrieden war, auch weil „die zentralen Forderungen der Ostermärsche, gegen die Kriegstüchtigkeit sowie die gegen die Stationierung der Mittelstrecken- und Hyperschallraketen aktiv zu werden, durch ein breites Bündnis in die Innenstadt von Münster getragen“ worden sei. Als Vertreter der Friedenkooperative Münster habe Schmidt schon Ende letzten Jahres die Organisation des Ostermarsches Münster 2025 angemeldet. Sein Fazit: „Der Ostermarsch Münster 2025 war ein Erfolg!“

Karfreitag: Ostermarsch zur UAA Gronau

Der NRW-Auftakt zu den bundesweiten Ostermärschen der Friedensbewegung fand auch in diesem Jahr wieder in Gronau statt. Am Karfreitag (18. April 2025) zogen 200 bis 250 Menschen vom Bahnhof Gronau protestierend zur Urananreicherungsanlage. Seit den 80er Jahren wird in Gronau der Ostermarsch auch für den Kampf gegen die Urananreicherungsanlage (UAA) genutzt. 2025 lautete das Motto: „Frieden und Energiewende statt atomares Wettrüsten und Atommüll“.

Frieden und Energiewende statt Wettrüsten und Atommüll

Die Teilnehmer:innen des Ostermarsch an der niederländischen Grenze prangerten an, dass die Zentrifugentechnik, die auch in der UAA in Gronau zum Einsatz kommt, sich auch zum Bau von Atomwaffen nutzen lässt.

Redner:innen kritisierte am Gronauer Bahnhof und vor der Urananreicherungsanlage, dass die militärische Sicherheitslogik auf Konfrontation statt auf Dialog setze. Dies sei die Grundlage für ein globales, auch wieder atomares, Wettrüsten und die zunehmenden internationalen Spannungen. Das Risiko eines Atomkrieges wäre noch nie so hoch wie heute gewesen. Der Ruf nach weiteren Atomwaffen, auch in der Bundesrepublik, würde immer lauter. Die Urananreicherung in Gronau wäre dabei noch immer der leichteste Weg zur Atombombe.

Das globale Wettrüsten wurde vom Ostermarsch konsequent abgelehnt, wehalb gefordert wurde, dass die Bundesrepublik ein Zeichen setze und dem Beispiel vieler Staaten folge und dem UN-Atomwaffenverbotsvertrag beitreten solle. Zudem forderten die Teilnehmer:innen das Aus für die Uranverarbeitung in Gronau, Lingen und in Almelo. Auch wandte sich der Ostermarsch gegen den drohenden Einstieg des russischen Atomkonzerns Rosatom bei der Brennelementeproduktion in Lingen.

* Änderungshinweis: Der Organisator des Ostermarsches 2025, Ansgar Schmidt, teilte mit, das bei einer eigenen Teilnehmer*innenzählung „kurz vor der erste Zwischenkundgebung […] 300 TeilnehmerInnen […] im Bereich des Rosenplatzes“ mitmarschiert wären. Hinweis von Birgit Schmiedeshoff, Friedenskooperative Münster: Die Zählung fand am Ludgeriplart statt.

Perspektiven der Friedensbewegung

MdB Ulrich Thoden (Die Linke) zu Gast in der Frauenstraße 24

Jo Hetscher, Vorsitzender des Kulturvereins Frauenstraße 24, begrüßte am Sonntagmorgen (13. April 2025) im Versammlungssaal der Gaststätte den jüngst in den Deutschen Bundestag eingezogenen Abgeordneten Ulrich Thoden. Der Kreuzvierteler Thoden zog über die Landesliste der Partei Die Linke als Kandidat im Kreis Steinfurt ein, wo der GEW-Vorsitzende in Münster an einer berufsbildenden Schule in Rheine als Lehrer tätig ist. Der ehemalige linke Ratsherr aus Münster sprach zum Thema „Friedensfähig statt kriegstüchtig!“

Nicht nur in linken Kreisen wird die Friedensfrage derzeit diskutiert, wie ich jüngst im Handelsblatt gelesen habe.“ Zum Einstieg zitierte Hetscher aus der Düsseldorfer Wirtschaftszeitung, die sich vor einer Woche mit der Wiedereinführung der Wehrpflicht in der Bundeswehr auseinandergesetzt hatte. Dabei, so Hetscher, hätten in Umfragen Menschen über 60 Jahre überwiegend für eine Revitalisierung der Wehrpflicht und die betroffenen Männer, Frauen können wegen des Grundgesetzvorbehaltes nur freiwillig zum deutschen Militär gehen, eine Verpflichtung zum Kriegsdienst mehrheitlich abgelehnt. Das meist ältere Publikum im gut besetzten Saal war mit dem Ü60-Votum nicht einverstanden, denn, so eine Teilnehmerin, die „hier Anwesenden sehen es sicherlich ganz anders.“

Thoden: Waffen werden angeschafft, um eingesetzt zu werden

Ulrich Thoden griff dies auf, um gleich deutlich klar zu stellen: „Parallelen zur Friedensbewegung der 80er Jahre zu ziehen, finde ich sehr schräg.“ Damals habe die Abrüstung im Zentrum der Forderungen der westdeutschen Friedensbewegung gestanden. Was für Thoden angesichts der zur damaligen Zeit herrschenden Blocksituation nachvollziehbar und richtig gewesen sei. „Heute ist mit Abrüstung nicht geholfen.“

Im Moment hingegen, so der Bundestagsabgeordnete, „würden Waffen angeschafft, um sie auch einzusetzen.“ Auch sehe Thoden derzeit keine Zeitenwende, sondern „nur einen Krieg“. Für ihn sei Auschwitz eine Zeitenwende, aber nicht das aktuelle Verhalten einiger Staatslenker.

Zum Thema Wehrpflicht unterstrich der Referent, dass auch die heutigen potentiellen Verweigerer nicht mit denen aus dem vergangenen Jahrhundert gleich gesetzt werden dürften. Damals hätte die Verweigerung zu einer kritischen Einstellung gegenüber dem Militär bis hin zum Pazifismus geführt. Heute sei es anders: „Viele die angeben, gegebenenfalls verweigern zu wollen, sind aber nicht gegen die Bundeswehr, die auch ihnen Sicherheit gäbe.“

Drohnen: flexible Alternative zu Minenfeldern

Nach einigen Exkursionen in die deutsche Außenpolitik und die internationale Lage verurteilte Ulrich Thoden die konkreten Aufrüstungsmaßnahmen in Deutschland. Unter anderem machte er deutlich, dass die geplante Bewaffnung mit Drohnen eine Abkehr von der Bundeswehr als Verteidigungsarmee beinhalte: „Sie gelten als flexible Alternative zu Minenfeldern.“ Diese unbemannten Flugkörper, die natürlich auch Waffen tragen können, würden inzwischen von künstlicher Intelligenz gesteuert. Thoden: „Natürlich rechnen sie damit, dass im Kriegsfall GPS nicht funktioniert. Diese Drohnen können dann für die Orientierung im Überflug die Bodernmerkmale mit gespeicherten Kartenmaterial abgleichen, um ihr Ziel zu finden.“ Ähnlich offensiv seinen die Dark Eagles mit fünf Mach Geschwindigkeit im Tiefflug bei bis zu 3000 Kilometer Reichweite.

Der Vereinsvorsitzende Jo Hetscher moderierte die Veranstaltung, die sich gegen Hochrüstung und gegen soziale Kürzungen richtete. (Fotos: Werner Szybalski)

Klöckner besucht Linksfraktion

Jo Hetscher machte auf den Zusammenhang zwischen Schwächung des Sozialstaates durch Hochrüstung aufmerksam und fragte: „Was tun?“ Auch Ulrich Thoden unterstrich die Verbindung von Sozialem und Militärischen, um aber deutlich zu machen, dass es sich durchaus lohnt, als Opposition im Bundestag für die Menschen und gegen diese Schieflage zu kämpfen. Auch, weil anders als bei den Demokratiefeinden von der AfD, die die Bundestagsabgeordneten der Linken leider immer sehen müssten, da sie genau gegenüber ihre Plätze hätten, gingen die anderen Fraktionen freundlich mit der erstarkten Fraktion der Linken im Bundestag um. Thoden: „Selbst Julia Klöckner, meines Wissens nach zum ersten Mal, war bei uns in der Fraktionssitzung, um für ihre Wahl zur Bundestagspräsidentin um unsere Stimmen zu werben.“

Diese unerwartete Aussage führte durch Beiträge aus dem Publikum zu einer Diskussion – insbesondere getragen von Mitgliedern der DKP und des Bündnis Sahra Wagenknecht (BSV) – über die vier Ja-Stimmen von Linken aus Bremen und Mecklenburg-Vorpommern, in beiden Bundesländern regieren sie mit, bei der Abstimmung im Bundesrat über das unbegrenzte Sondervermögen für die Aufrüstung. Thoden konnte dies leicht kontern, da die Regierungsmitglieder innerhalb der Bundes- und zumindest selbst in der Landespartei an der Ostseeküste isoliert seien. In acht Sitzungen sei versucht worden, die Vier davon zu überzeugen, dass sie diesen Beschluss nicht mittragen dürften, verdeutlichte Ulrich Thoden: „Auch wenn wir wollten, ausschließen wegen politischer Abweichungen ist nicht möglich. Ich gehe davon aus, dass sie zumindest bei der nächsten Listenausstellung nicht mehr berücksichtigt werden.“

Erstarkte Linke müsse laut werden

Die Perspektiven der Friedensbewegung seien um so besser, wenn „alle Parteien, die sich Frieden auf die Fahnen geschrieben haben, zusammenarbeiten“ würden, erklärte der Bundestagsabgeordnete. Dabei sollen nicht die Unterschiede in den Auffassungen weggebügelt werden, aber Klarheit in Sachen Friedensvorstellung und gemeinsamen Protestes gesucht werden. Seine Partei, so Ulrich Thoden, dürfe mit inzwischen über 100.000 Mitgliedern dabei sicherlich auch mal ganz laut werden.

Ulrich Thoden hofft auf eine zukünftig laute linke Partei und eine Zusammenarbeit der Parteien, die für den Frieden antreten.

Braucht es eine linke Sicherheitspolitik?

Jo Hetscher warf die Frage aus, ob wir eine linke Sicherheitspolitik benötigen? Er beantwortete nach einigen Erläuterungen seine Frage selbst und eindeutig mit „Ja“. Dabei erinnerte Hetscher noch einmal daran, dass es im Kalten Krieg eine klare Polarisierung in der Gesellschaft gab: „Auf- oder Abrüsten!“

Hugo Elkemann, Friedensaktivist aus Münster, mischte sich ein, um deutlich zu machen: Damals hätte es drei relevante Gruppen, die die Friedensbewegung getragen hätten: „Erstens die Kirche, zweitens die Gewerkschaften und drittens die individuellen Verweigerer.“ Für Elkemann steht deshalb aktuell auf der Agenda: „Können wir auch heute die Verweigerung noch in den Mittelpunkt stellen?“

Friedensaktivist Hugo Elkemann. (Archivfoto)

Diese Frage (siehe oben) verneinte Ulrich Thoden, der in diesem Zusammenhang auf den gewerkschaftlichen Kampf gegen die Bundeswehr in den Schulen verwies. Alles, wie auch „unter 18 nie“ würde derzeit in Frage gestellt. Die Schulen könnten sich auch nicht wehren, und müssten die Militärs reinlassen, wenn die Bundeswehr einen Besuch ankündigt. Dafür brauche es einer neuen Strategie der Friedensbewegung.

So blieben zwar nach zwei Stunden einige Fragen offen, aber die Stimmung war zuversichtlich. Zunächst stünde für alle der Ostermarsch auf dem Programm und dann der weitere Austausch zwischen den verschiedenen Friedensgruppen und auch den Parteien. Auch der Austausch mit MdB Ulrich Thoden würde weitergehen, erklärte Jo Hetscher: „Ulrich hat mir versprochen, so etwa in drei Monaten wiederzukommen, um den Diskurs gemeinsam fortzusetzen.“

„Betreuungseinrichtungen sind kein Luxus“

Die Linke kritisiert Kita-Schließung in Coerde

Anfang des Monats teilte die Pressestelle der Stadt mit, dass die Kindertageseinrichtung (Kita) Am Edelbach in Coerde im Zuge einer langfristigen Umstrukturierung von der Stadt Münster Ende Juli dieses Jahres vorübergehend geschlossen würde. Auch diese Kita leide unter akutem Personalmangel und einer hohen Fluktuation bei den Mitarbeitenden. Zudem läge die Zahl der inklusiv betreuten Kinder dort über dem Durchschnitt und erfordere dauerhaft gezielte, individuelle Fördermaßnahmen.

Der Stadtteil Coerde sei seit Jahren mit verlässlichen Kinderbetreuungsplätze unterversorgt. Vor zwei Jahren fehlten 150 Plätze. Durch die Schließung der Kita Am Edelbach verschärft die Situation im Stadtteil, zumal in hohem Maße sind Kinder mit besonderem Förderbedarf betroffen sind. Gerade für die sei ein stabiles Umfeld existenziell wichtig, erklärt die Partei Die Linke in Münster.

Linke sieht Familien und Kinder in prekären Lebenslagen allein gelassen

„Beziehungsabbrüche durch Schließungen haben fatale Folgen“, erklärt Fatma Karana, Ratsfrau der Linken Münster. „Der aktuelle Bericht des Gesundheitsamtes zeigt: Frühkindliche Entwicklung – ob Spracherwerb, soziales Lernen oder emotionale Sicherheit – hängt maßgeblich von der Betreuungskontinuität ab. Gerade in Coerde, wo der Bedarf an Unterstützung riesig ist, werden Kinder nun erneut verunsichert und aus ihrem gewohnten Umfeld gerissen.“ Bereits Anfang dieses Jahres musste die Schließung des Kommunalen Sozialdienstes in Hiltrup hingenommen werden, nun folgt der nächste Schlag gegen die soziale Daseinsvorsorge. Die Betroffenen werden gezwungen, sich in einem ohnehin überlasteten System auf neue Bezugspersonen und Gruppen einzulassen. „Das ist kein Neuanfang, sondern ein Bruch“, so Fatma Karana.

Stadt setzt auf Kürzungen

Bereits im letzten Jahr scheiterte die Neueröffnung der Kita am Kiesekampweg am Rückzug des Trägers. „Statt Lösungen zu finden, setzt die Stadt mal wieder auf Kürzungen“, kritisiert Kathrin Gebel, MdB der Linken. „Betreuungseinrichtungen sind kein Luxus, sondern Grundvoraussetzung für Chancengerechtigkeit. Doch statt zum Wohle der Kinder in Fachkräfte und faire Löhne zu investieren, werden die Folgen der Kitakrise erneut jenen aufgebürdet, die Stabilität am dringendsten brauchen – Familien und Kinder in prekären Lebenslagen. Das ist schlimm und unsozial.“
Die Linke Münster fordert deshalb den sofortigen Stopp der Schließungen sowie den Ausbau verlässlicher Betreuungsplätze mit gezielter Förderung für Kinder mit besonderem Bedarf. Langfristig brauche es Investitionen in Personal und soziale Infrastruktur, um eine bedarfsgerechte Förderung zu sichern – statt weiterer Kürzungen im Gemeinwohl.

Verändern – egal, ob in der Opposition oder Regierung!?

Nimmt Die Linke in Münster ihren Wähler*innenauftrag an?

Von Werner Szybalski

Ein klarer Wahlsieger im Bund und in insbesondere in Münster ist die Partei Die Linke. Durch einen enorm großen Zustrom an jungen Mitgliedern in die Partei gelang es der Linken mit einem klaren sozialen Programm die Menschen bei der Bundestagswahl für sich zu begeistern. Dies besonders bei Erstwähler*innen und auch den noch Jüngeren, die erst zukünftig an Wahlen teilnehmen dürfen. Insbesondere in Münster hat sich die Linke jüngst stark verändert. Stand der Kreisverband vor Jahren unter Kontrolle der trotzkistischen Organisation Marx 21, scheint nun – Dank des neuen Vorstandes und den zahlreich eingetretenen Mitgliedern, deren Anzahl sich in den vergangenen Monaten verdreifacht hatte – ein offener linker Diskurs in Münsters Linkspartei möglich.

Der Politikwechsel in Münsters Linkspartei verlief recht lautlos. Dies lag einerseits an der Auflösung, beziehungsweise Zersplitterung von Marx 21 vor knapp zwei Jahren und andererseits an dem leisen Wechsel in der Ratsfraktion Mitte November vergangenen Jahres. Der aktuelle Kreisvorstand der Linken in Münster ist erfrischend jung. Schatzmeister und Ratsherr Heiko Wischnewski ist trotz seines Alters schon Senior im Gremium. Kreissprecher*innen sind Jonas Hakenes und Patricia Niehaus. Gemeinsam mit Schriftführer Emil Langer, dem Jugendpolitischen Sprecher Benjamin Fobbe sowie den Beisitzer*innen Jenna Inhoff, Joline Klein, Sarah Jansa, Hannes Süper und Yannick Lux kämpfen sie erfolgreich für linke Politik in der Domstadt.

Erfolgreich wie niemals zuvor

Bei der Bundestagswahl 2025 votierten fast 26.000 Münsteraner*innen für Die Linke, was 12,5 Prozent aller abgegebenen Stimmen waren. Ein Ergebnis was viele erstaunt, aber die jungen Linken in Münster offensichtlich motiviert. Beim ersten „Offenen Aktiventreffen“ nach dem Wahlerfolg erklärte ein junges Mitglied: „Ich hatte heute nach den anstrengenden Wochen und der gestrigen Wahlparty gehofft, dass wenigstens fünf Leute kämen.“ Zu seine Überraschung und Freude waren tatsächlich mehr als zehnmal so viele Menschen ins Linke-Zentrum an der Achtermannstraße gekommen. Zu viele für den Versammlungsraum, weshalb es zwei Aktiven Treffen in zwei Räumen mit parallelem Programm gab. Bei den Aktiven Treffen der Linkspartei in Münster ist es derzeit so voll, dass sie sich in zwei Gruppen in unterschiedlichen Räumen versammeln müssen.

Das Aktiventreffen der Linken in Münster war am Tag nach der Bundestagswahl so gut besiucht, dass die Gruppe sich teilen und in zwei Räumen getrennt tagen musste. (Foto: Werner Szybalski)

Kann Münster gar Klein-Berlin werden?

Noch nie gaben so viele Menschen in Münster ihre Stimme einer linken Partei. Dies war bei der Bundestagswahl auch in Berlin, mit allerdings dreimal so vielen Einwohner*innen wie Münster, der Fall. Die Linke gewann vier Direktmandate und erhielt die meisten Kreuze sowohl bei der Erst- wie auch bei der Zweitstimme. Zum zweiten Mal nach 2017 wählte mehr als jede*r Zehnte in Münster Die Linke. Nach 10,1 Prozent bei der Bundestagswahl 2017 stimmte 2025 jede* Sechste in der Domstadt für die Linkspartei. Dies weckte beim Aktiven Treffen Hoffnungen und Wünsche. Vereinzelt war 20 Prozent als Kommunalwahlziel zu hören. Tatsächlich könnte mit dem aktuellen Drive und der gewaltigen Energie der vielen Mitglieder es im September bei der Kommunalwahl auch ein Rekordergebnis geben. Vielleicht ist sogar Platz drei hinter Grünen und CDU drin.

Neues Selbstbewusstsein in der Linken

Auch die Bundespartei hat sich stark verjüngt, wie der Altersdurchschnitt von 42,2 Jahren in der neuen Fraktion zeigt. Zudem sorgt nicht nur die bisherige Co-Sprecherin der Bundestagsfraktion, Heidi Reichinnek, für einen neuen und unumstrittenen Kurs: „Wir haben gesagt: Alle wollen regieren – wir wollen verändern, ob wir in der Opposition oder Regierung sind, ist egal.“ Dies schien auch in Münster bei den nun anlaufenden Vorbereitungen für die Kommunalwahl auf Unterstützung zu stoßen. War bislang die Linke in Münsters Stadtrat grundsätzlich auf strengen Oppositionskurs ausgerichtet, war beim Aktiven Treffen zu hören, dass das Wichtigste positive Veränderungen für die Menschen sei: „Dafür wurden wir gewählt. Aber wir kämpfen sowohl auf der Straße als auch im Rat dafür.“

Münster könnte Vorzeigestadt werden

Ergebnis der Bundestagswahl vom 23. Februar stärkt den ländlichen Raum

Von Werner Szybalski

Wenig überraschend erreichte die CDU bei der vorgezogenen Bundestagswahl die meisten Stimmen aller Parteien. Dies im Bund, in Nordrhein-Westfalen aber nicht in Münster. Trotzdem könnte durch die drei westfälischen Christdemokraten Friedrich Merz (Sauerland), dem designierten zukünftigen Bundeskanzler, dem CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann (Paderborn) und dem Atomkraftbefürworter Jens Spahn (Borken) aus dem westlichen Münsterland, die alle drei Führungsaufgaben in der Bundesrepublik übernehmen dürften, in Zeiten globaler Krisen die Bundesregierung provinzieller sein wird. Davon dürfte auch die ehemalige Provinzialhauptstadt Münster profitieren, denn in der konservativen, schwarz-grünen und noch immer katholischen Stadt ticken die Uhren so, wie sich die drei genannten CDU-Politiker es sich für die Zukunft wünschen dürften. Münster könnte die Vorzeigestadt für die CDU werden, obwohl die Christdemokraten nur auf Rang zwei in der Domstadt stehen.

Großstadt zu sein, aber eher ländlich strukturiert – der Wandel der vergangenen Jahrzehnte ist in Münster kaum zu spüren. Zwar gab es positive, zukunftsgewandte Veränderungen; doch alles dauert in der Domstadt ewig lange. Ein gutes Beispiel ist die Anerkennung des preußischen Fußballclubs durch die Stadtoberen. Es hat rund 100 Jahre gedauert, bis endlich auch Poahlbürger rund um den Prinzipalmarkt sich hinter den Verein stellten, was sich aktuell durch den Ausbau des LVM-Preußenstadions an der Hammer Straße offen zeigt. Zudem gibt es in Münster einzelne soziale (Münster-Pass, MünsterAbo), ökologische (Rieselfelder, Umwelthaus) und kulturelle (Skulptur Projekte, Freie Szene) Entscheidungen, die einen Blick in die Zukunft erlauben. Allerdings dienen sie auch dazu, den Einwohner*innen ein ruhiges Gewissen zu bereiten und sie so weiterhin gut schlafen zu lassen.

In Westfalen ist es ruhig, aber weltweit wird gezündelt oder brennt es schon

Es ist nicht überall in der Welt so ruhig wie an der Aa beziehungsweise zwischen dem Kahlen Asten und Ibbenbüren sowie zwischen Höxter und Bocholt. Putin, Netanjahu, Xi Jinping und nicht zuletzt Trump machen die Welt gewaltsamer und damit natürlich auch erheblich unsicherer. Ob da ein provinzieller Kanzler aus dem Sauerland in einem zudem nach rechts driftendem Europa in der Lage ist, eine der größten Volkswirtschaften weltweit politisch so zu führen, dass zukünftig Deutschland gehört wird?

Angesichts des Wahlergebnisses vom 23. Februar 2025 ist damit zu rechnen, dass es Friedrich Merz tatsächlich schafft, sich schnell zum deutschen Bundeskanzler wählen zu lassen. Schließlich kommt, da Merz offensichtlich weiterhin kein festes Bündnis mit den teilweise rechtsradikalen Abgeordneten der AfD eingehen will, nur die gescheiterte SPD als Koalitionspartner in Frage. Angesichts ihrer Schwächen, sowohl im Wahlergebnis als auch im Personal, wird die Klingbeil-SPD nicht zu viele Schwierigkeiten bei der Koalitionsbildung machen.

Schwarz-rot muss es richten

Die Neuauflage der schwarz-roten Koalition wird ohne Ex-Kanzlerin Angela Merkel und Ex-Kanzler Olaf Scholz trotzdem innenpolitisch den Merkel-Kurs fahren müssen. Schließlich wird der Kanzler außenpolitisch extrem gefordert sein, so dass die Reste des ehemaligen stolzen Polittankers deutsche Sozialdemokratie sich, trotz der möglichen Übernahme des Außenministeriums durch die SPD, schwerpunktmäßig mit sozialer Politik befassen kann. Unterstützt durch die gestärkte linke Fraktion im Bundestag könnte so unter anderem der Mietendeckel und auch das Deutschland-Ticket verlängert werden. Selbst die Anhebung des Mindestlohns ist nicht unwahrscheinlich. Offen bleibt die Androhung von Kürzungen beim Bürgergeld, dass vermutlich aber nur einen neuen Namen bekommen dürfte.

Durch Trennung von Sicherheits- und Migrationspolitik die AfD bekämpfen

Befreit von den migrationsfeindlichen Parteien FDP und BSW, die beide an der Fünf-Prozent-Hürde scheiterten, kann Merz nun durch eine klare Trennung von Sicherheits- und Migrationspolitik, auch bei leider nicht unwahrscheinlichen zukünftigen Attentaten auch von Menschen mit Migrationsvorgeschichte, daran gehen, seinen alten Plan „Halbierung der AfD“ in die Praxis umzusetzen. Dazu muss er nur die schon sehr restriktive EU-Migrationspolitik fortführen und zukünftig keine Wolkenkuckucksheime (per Dekret Grenzen schließen, Abschiebekandidat*innen verhaften oder Menschenrechte außer Kraft setzen) mehr bauen.

In der Steuerpolitik, die Vorschläge im Wahlkampf nahm praktisch niemand ernst, und der Wirtschaftspolitik werden die von Trump geplanten Einfuhrsteuern und die Lockerung der Schuldenbremse die Agenda bestimmen. Im verbalen Kampf gegen Windkraftanlagen wird sich der Bundeskanzler Friedrich Merz vermutlich am NRW-Ministerpräsidenten Wüst orientieren, so dass die Energiepolitik der Ampel fortgesetzt wird, auch wenn an einzelnen Gesetzen (Heizungsgesetz) optisch manipuliert werden wird.

Junge Menschen entdecken wieder ihr soziales Gewissen

Hoffnung macht, dass bei den jüngsten Wähler*innen, wie übrigens auch überwiegend bei den U18-Wahlen an den Schulen in Münster und NRW die Linke die meisten Stimmen erhält. Die Partei selbst, wie auch die meisten Wahlanalytiker, führt dies darauf zurück, dass sie einen konsequenten Wahlkampf mit sozial Themen (Mietendeckel, Mehrwertsteueraus für Grundnahrungsmitte, „Milliardäre abschaffen“) geführt hat. Auch war sie die einzige Partei, die konsequent ohne Migrantenhetze Wahlkampf betrieb.

Gefahren drohen durch die Merz-Regierung aber auch

Die größte Gefahr dürfte in der Schwäche von Friedrich Merz liegen, der zu oft impulsiv agiert. Aufreger – insbesondere auf dem internationalen Parkett – wird es für den im Regieren völlig unerfahrenen Sauerländer genügend geben. Auch könnte die zukünftige militärische Unterstützung der Ukraine durch Merz beängstigend werden. Zudem ist Merz kein Hoffnungsträger für die Bedrohung der Palästinenser*innen durch Israel und Trump und der Kurd*innen durch Erdogan und den möglichen Abzug der US-Militärs aus Nordost-Syrien. Innenpolitisch dürfte das Kabinett Merz vor allem finanziell den unteren Mittelstand sowie Länder und Kommunen schröpfen. Und als größtes Schreckgespenst geistert die mögliche Ernennung eine Verkehrsministers aus den Reihen der CSU durch die Republik.

„Wir haben gewonnen!“

50 Jahre Hausbesetzung Frauenstraße 24

Mit dem Ankauf des Gebäudes Frauenstraße 24 durch die städtische Wohn- und Stadtbau im vergangenen Jahr endete ein jahrzehntelanger Kampf zur Verteidigung und dem Erhalt von bezahlbarem Wohnraum in Münster. Die „F24“, so kürzten die Unterstützer*innen und Aktivist*innen das Haus immer ab, war vor genau 50 Jahren vor dem Abriss gerettet worden, vor rund 40 Jahren als Mietobjekt des AStA der Universität dauerhaft gesichert und 2022 auch dem börsennotierten LEG-Konzern aus dem Portfolio gekauft worden. Damit waren endlich auch die drei Ziele der Hausbesetzer*innen von 1973 erreicht.

Inzwischen ist beim Unrast-Verlag das Buch „Frauenstraße 24 – Geschichte einer erfolgreichen Besetzung“ (352 Seiten mit zahlreichen Fotos und Illustrationen, 24,80 Euro, ISBN: 978-3-89771-359-8) schon in zweiter Auflage erschienen. Mitte November lasen die Herausgeber*innen Rita Weißenberg, Bernd Uppena, und Joachim Hetscher auf Einladung des Ex-MdB Hubertus Zdebel, selbst Aktivist und ehemaliger Bewohner der F24, bei den Linken in der Achtermannstraße.

Bernd Uppena, von 1977 bis 1981 Haussprecher in der F24, erzählte von den bewegten frühen Jahren – aus der Zeit der umkämpften Hausbesetzung. „Direkt nach der Besetzung, damals gab es keine Heizung und auch keinen Strom im Haus, begannen die Besetzer mit der Instandhaltung der Zimmer“, erläuterte Uppena, dass der Höhepunkt mit der Renovierung der für das Haus charakteristischen blauen Fassade erreicht wurde. Eindrucksvoll schilderte Uppena die juristischen Kämpfe und die Auseinandersetzungen mit Polizei und insbesondere den Beauftragten der verschiedenen Hauseigentümer. Der wohl gefährlichste Moment war am 11. Mai 1979, als ein Gasanschlag im Keller die Besucher der Kneipe und Bewohner des Hauses in Lebensgefahr brachte. Unbekannte hatten die Gasleitung im Keller manipuliert worden und zwei Kellerräume weiter eine brennende Kerze aufgestellt worden. „Durch Zufall entdeckte der Wirt die Kerze und verhinderte die Katastrophe“, so Bernd Uppena.

Rita Weißenberg, 1974 bis 1979 Besetzerin und Bewohnerin, ordnete die Kämpfe um die F24 politisch-gesellschaftlich ein. „Durch die wöchentlichen Infotische an der Überwasserkirche und viel teilweise spektakuläre Aktionen und Demonstrationen, unter anderem 1981 unangemeldet mitten im traditionellen Rosenmontagsumzug, brachten wir die Münsteraner Bevölkerung mehrheitlich zu der Erkenntnis, dass das Haus nicht abgerissen werden durfte“, las Weißenberg aus dem F24-Buch. Als Erfolgsfaktoren hat Rita Weißenberg analysiert: „Wir waren nicht auf eine Gruppe sondern auf die Stadtgesellschaft fixiert. Von Beginn an gab es eine kreative und teilweise künstlerische Öffentlichkeitsarbeit, mit der praktisch alle Bevölkerungsgruppen angesprochen wurden. Wir haben mit allen Interessierten offene Diskussionen geführt und durch die Positionierung der Wohnungsfrage im Mittelpunkt des Kampfes auch den Druck auf die Straße bekommen.“

Dr. Joachim Hetscher, Vorsitzender des Kulturvereins Frauenstraße 24, rundete die Lesung mit der Schilderung des Zukunftshaus F24 als lehrreiches Beispiel für den noch nicht ausgestandenen Kampf um bezahlbaren Wohnraum nicht nur in Münster ab. Die F 24 ist ein Modell, denn: „Wir haben gewonnen. Die F24 zeigt, es geht auch anders – wohnen ohne Makler ist möglich.“ 2022 sei mit dem Ankauf des Hauses durch die städtische Gesellschaft auch dieses Ziel erreicht worden.

Alles, was die Referent*innen vortrugen, und noch viel mehr angereichert mit unzähligen Erinnerungen, Berichten und Zitaten findet sich neben historischen Informationen und auch Anekdoten zum Haus sowie zur Wechselwirkung zwischen F24 und der Stadt Münster im rundum empfehlenswerten Buch.

Im Stadtmuseum Münster wird aktuell eine Ausstellung zur Geschichte der Frauenstraße 24 gezeigt, die von den Autor*innen des Buches mitgestaltet wurde. Während der Öffnungszeiten des Museums kann bis zum 4. Februar 2024 die Ausstellung kostenfrei besichtigt werden.

Ratskoalition verliert die Mehrheit

Mathias Kersting tritt aus der SPD aus

Der Trouble beim Kommunalwahlverlierer SPD Münster hält an. Der Betriebswirt Mathias Kersting verlässt Fraktion und Partei. Er will sich der CDU anschließen. Damit verliert die Ratskoalition von Grünen, SPD und Volt ihre Ein-Stimmen-Mehrheit im Rat der Stadt Münster. Kersting war im Januar diesen Jahres als SPD-Fraktionsvorsitzender zurückgetreten, weil er mit dem zwischen SPD, Grünen und Volt ausgehandelten Koalitionsvertrag nicht zufrieden war. Kersting blieb in der SPD-Fraktion und der Koalitionsvertrag wurde erfolgreich nachverhandelt. Er ist inzwischen in Kraft.

Nun der Eklat: Kersting verrät die Koalition, die SPD und insbesondere natürlich die Wähler*innen in Münster, wobei das Letzte wohl der Betrug an den Wähler*innen ist. Kaum jemand wird am 13. September 2021 bei der SPD-Liste in Münster sein Kreuz gemacht haben, um damit einen voraussichtlich zukünftigen CDUler in den Rat der Stadt zu bringen. Mathias Kersting war einer der Spitzenkandidaten (Platz drei auf der Reserveliste für den Rat – hinter OB-Kandidat Michael Jung und der heutigen Bürgermeisterin Maria Winkel) der SPD. Das Direktmandat in Gremmendorf gewann der CDUler Andreas Nicklas.

Ein Ausschussvorsitz und fünf Aufsichtsratsmandate

Es ist sicherlich nicht falsch, den 35-jährigen Gremmendorfer Mathias Kersting als lokalpolitisches Schwergewicht zu bezeichnen. Immerhin wählte die SPD-Ratsfraktion ihn zu ihrem Vorsitzenden, nachdem Michael Jung sich zurückgezogen hatte. Zudem schickten die Sozialdemokraten Kersting als „Ordentliches stimmberechtigtes Mitglied“ in folgende Ausschüsse und Aufsichtsräte:

  • Hauptausschuss
  • Ausschuss für Wohnen, Liegenschaften, Finanzen und Wirtschaft (Vorsitzender)
  • Sozialholding Klarastift GmbH, Aufsichtsrat
  • Ambulante Dienste Klarastift GmbH, Aufsichtsrat
  • Klarastift Service GmbH, Aufsichtsrat
  • Flughafen Münster-Osnabrück GmbH, Aufsichtsrat
  • Altenzentrum Klarastift gGmbH, Aufsichtsrat
  • Gewerbepark Münster-Loddenheide (GML) GmbH, Fachbeirat

Als Stellvertretendes stimmberechtigtes Mitglied gehört Mathias Kersting zudem noch folgenden kommunalen Gremien an:

  • Rechnungsprüfungsausschuss
  • KonvOY GmbH, Aufsichtsrat
  • AirportPark FMO GmbH, Aufsichtsrat
  • Wirtschaftsförderung Münster GmbH, Aufsichtsrat
  • Ausschuss des Wasser- und Bodenverbandes „Münster-Südost“

Nagelprobe für die Koalition schon am Mittwoch?

Am Mittwoch, 19. Mai 2021, ersetzt wegen der Coronapandemie der Hauptauschuss den Rat der Stadt Münster. Getagt wird ab 16.30 Uhr im Congress Saal der Halle Münsterland (Tagesordnung). Dies wäre grundsätzlich kein Problem, so die Stadt Münster, weil der Hauptausschuss die Mehrheitsverhältnisse des Rates abbilden würde. Übermorgen könnte es allerdings anders werden, denn niemand kann den abtrünnigen Kersting, der von der SPD-Fraktion auch in dieses Gremium geschickt wurde, davon abhalten, als Ordentliches stimmberechtigtes Mitglied am Hauptauschuss teilzunehmen. Doch auf meine schriftliche Nachfrage zeigte Mathias Kersting, dass er zu seinem Wort steht: „Ich hatte schon vorher mit der SPD abgestimmt, das ich nicht teilnehme, sondern ein SPD-Mitglied mich vertritt. Daran halte ich mich.“

Kersting ist kein Tsakalidis

Ein ehrenhaftes Verhalten, welches nicht bei jedem Ratsmitglied vorhanden ist. Trotzdem könnte der parteilose Dr. Georgios Tsakalidis, der im September von der Wähler*innen der Münsterliste* in den Rat der Stadt Münster gebracht wurde, nun sein früheres Vorhaben, Mitglied der SPD-Fraktion zu werden, umsetzen. Tsakalidis war nur wenige Wochen nach der erfolgten Wahl aus der Münsterliste, einem inzwischen eingetragenen Verein, ausgetreten. Dies ohne Begründung, wenn man vom Nichterhalt einer Email (von mir abgesendet) absieht (siehe hierzu Westfälische Nachrichten und Die Wiedertäufer). Dies, obwohl auch er unterschrieben hatte, sein Mandat nicht anzunehmen beziehungsweise zurückzugeben, wenn er die Münsterliste verlässt.

* Compliancehinweis: Ich bin gemeinsam mit Dr. Georgios Tsakalidis für die Münsterliste – bunt und international bei der Kommunalwahl angetreten. Ich stand auf Platz zwei hinter Tsakalidis.

Werner Szybalski

Der Austritt von Mathias Kersting hat erhebliche Folgen für die Mehrheitsverhältnisse im Kommunalparlament. Bislang „regierte“ eine Ein-Stimmen-Mehrheit aus Grünen, SPD und Volt im Rat der Stadt Münster. Diese Mehrheit ist weg, weil Kersting weiterhin nicht mit dem Koalitionsvertrag im Reinen ist. Die Wiedertäufer zitieren Mathias Kersting heute so: „Ich bin zu dem Entschluss gelangt, dass ich diese politischen Grundüberzeugungen in der SPD Münster und vor allem der Rathauskoalition aus Grünen, SPD und Volt nicht umsetzen kann.“

Mehrheitsbildung dürfte schwierig werden

Im Oktober vergangenen Jahres fragte Dr. Georgios Tsakalidis, gerade aus der Münsterliste ausgetreten, ob er Mitglied der SPD-Fraktion im Rat der Stadt Münster werden könne. Diese Anfrage, die von mehreren Ratsmitgliedern und Fraktionsangehörigen mir gegenüber bestätigt wurde, verlief aber schnell im Off. Sie wurde damals sofort an Journalist*innen in Münster durchgestochen. Als diese Medienvertreter*innen dann bei Tsakalidis nachfragten, leugnete er sein Ansinnen.

Neuer Mehrheitsbeschaffer? Dr. Georgios Tsakalidis.

Doch angesichts der knappen Verhältnisse, Die Linke hatte früh und nachdrücklich erklärt, dass sie ihren Platz nicht in der Ratskoalition sehe, und auch der ÖDP-Ratsherr Franz Pohlmann hatte sich vergleichbar geäußert, könnte Tsakalidis nun zum neuen Mehrheitsbeschaffer werden. Nach der Wahl hatten Grüne und SPD verdeutlicht, dass sie nur widerwillig mit wechselnden Mehrheiten im Rat arbeiten möchten.

Offen ist aber die Frage, ob sich die SPD und natürlich auch die Grünen und Volt mit Tsakalidis einen Gefallen bereiten würden. Der verloren gegangene Mitstreiter Mathias Kersting hatte zumindest kommunalpolitische Erfahrung und klare politische Vorstellungen für Münsters Entwicklung. In seiner Erklärung schrieb er: „Eine nachhaltige Verkehrswende kann nur mit Angeboten für alle gelingen, eine Verbotspolitik mit dem Feindbild Auto reicht nicht aus. […] Um bezahlbares Wohnen endlich zu schaffen, müssen wir Baugebiete ausweisen und als Stadt selbst bauen. Sinnvolle Nachverdichtungen und neue Baugebiete wieder in Frage zu stellen, das verhindert bezahlbare Mieten.“

Ergänzung um 18.15 Uhr (17. Mai 2021)

CDU-Fraktionschef gewährt Mathias Kersting Gaststatus

In einem CDU-Instagram-Post erklärte heute gegen 14 Uhr der Fraktionsvorsitzende der CDU-Ratsfraktion, Stefan Weber, dass er Mathias Kersting „bis über die von Kersting beantragte Aufnahme in die CDU durch den Kreisvorstand formell entschieden ist“ Gaststatus in der CDU-Ratsfraktion gewährt. Dieses Angebot, so Weber, habe Mathias Kersting angenommen.

Werner Szybalski

Gysi in der Kirche

Chef der Europäischen Linken eröffnet Woche der Brüderlichkeit in Welbergen

Ochtrup. Als niemand mehr in die kleine „Alte Kirche Welbergen“ hereinkam, entschieden am späten Sonntagnachmittag die Organisatoren der Auftaktveranstaltung der Woche der Brüderlichkeit des Kulturforums Ochtrup, die Kirche zu wechseln. Zu groß war das Interesse der Menschen in nördlichen Münsterland daran, was Gregor Gysi, Bundestagsabgeordneter und Präsident der Europäischen Linken, zum Motto „Mensch, wo bist Du? Gemeinsam gegen Judenfeindschaft“ zu sagen hatte.

Nur die Plätze der Ehrengäste waren in der Alten Kirche Welbergen eine halbe Stunde vor der Rede von Gregor Gysi noch frei. Kurzfristig wurde die Veranstaltung in die gegenüberliegende „neue“ und vor allem größere St. Dionysius-Kirche verlegt.

Ochtrups SPD-Bürgermeister Kai Hutzenlaub begrüßte das Publikum und den Berliner Gast, der zuvor von der Stadt als „Deutschlands wichtige Stimme des Ostens“ angekündigt worden war. Nach nur wenigen Worten räumte er den Platz am Mikro für Gregor Gysi.

Das Folkduo „Am Rhin“, Petra und Klaus Spellmeyer, rahmten die Auftaktveranstaltung musikalisch ein.

Obwohl die ersten Worte nur die wenigsten Zuhörer erreichten, gewann der prominente Gast durch seine charmante Art und die durch und durch versöhnlichen Worte schnell die Sympathie des überwiegend älteren Publikums. Nach dem dritten Mikrowechsel war der Berliner Politiker dann auch in der ganzen Kirche zu verstehen.

Zu Beginn unterstrich Gysi, der sein eigenes Zitat bemühte („Ich glaube nicht an Gott, aber ich fürchte eine gottlose Gesellschaft“ [, weil sie moralfrei wäre.]), um sein Verhältnis zur Religion zu verdeutlichen, dass er den wachsenden Antisemitismus in Deutschland und Europa gefährlich findet. Er müsse wie der Nationalismus und der Rassismus in und von der Gesellschaft entschlossen bekämpft werden.

Er brach aber auch eine Lanze für die Flüchtlinge auf dem Mittelmeer, denen nicht nur aber auch aus jüdischen, christlichen und muslimischen Motiven geholfen werden müsse. Damit leitete Gregor Gysi seinen politischen Teil ein, bei dem er verdeutlichte, dass „die Welt immer enger zusammenrücke“. Auch als Linker müsste er betonen: „Die Konzernchefs sind nicht an Nationalismus, Antisemitismus und Rassismus interessiert – sie sind nämlich international aufgestellt.“ Dabei machte er am Beispiel der Arbeitnehmer deutlich, dass er keinesfalls ein Genosse der Bosse sei: „Die Gewerkschaften sind schon lange nicht mehr gleichberechtigt.“

Scharf grenzte Gregor Gysi sich von den populistischen und rechten Bewegungen in Europa ab: „Diese Leute von Orbán bis zu AfD wollen nicht die Globalisierung abschaffen, sondern sich nur deren Vorteile sichern. America first macht dies deutlich.“ Tatsächlich sei aber eine interventionistische Politik der reichen Länder notwendig. Gysi: „Im Libanon kommen auf 1000 Einwohner 164 Flüchtlinge – in Deutschland auf 1000 Einwohner zwölf.“ Er wusste auch, wie die Flüchtlingswelle von 2015 zu verhindern gewesen wäre: „Das Internet hat eines erreicht: Weltweit ist nun ein Vergleich des Lebensstandards möglich.“ Neben Kriegen, neben Hunger und Elend sei dies eine weitere entscheidende Fluchtursache. Hätte auch Deutschland den später geflüchteten Menschen schon deutlich früher in ihren Ländern geholfen, wäre der Lebensstandard gestiegen und die Fluchtursachen zumindest in großen Teilen entfallen. Was ab 2015 die öffentlichen Finanzen in Deutschland belaste, sei in der Summe um ein vielfaches höher, als wenn das Geld rechtzeitig für die Menschen in den heutigen Fluchtländern zur Verfügung gestellt worden wäre, erklärte der Bundestagsabgeordnete: „Wir müssen den Mut haben, Schaden frühzeitig abzuwehren.“

Dazu gehört für Gregor Gysi auch, wie er ja aus eigenem Erlebnis wisse, das Mauern nur dazu dienen, Menschen nicht rein – oder auch nicht raus – zu lassen. Doch irgendwann sei der Druck so groß, dass die Mauern einstürzten: „Mauern machen Probleme nur vorübergehend unsichtbar.“

Ein gewichtiges aktuelles Problem sieht der Rechtsanwalt im großen Exportüberschuss in Deutschland: „Wir sind schon wieder Exportweltmeister.“ Für eine gerechtere Welt und ein menschenwürdiges Leben für alle in Deutschland, müsse „dieser Überschuss Stück für Stück abgebaut werden“. Dazu beitragen würden höhere Renten und hohe Sozialleistungen, die gemeinsam den Exportüberschuss durch eine gesteigerte Binnennachfrage senken würden. Aber dazu sieht er den Willen nur bei seiner eigenen Partei. „Natürlich bin ich froh, dass die SPD zu bestimmten Werten zurückzukehren gedenkt“, so Gysi, der aber bezweifelte, dass die Sozialdemokraten sich in nächster Zeit zu einer wirklichen sozialen Politik durchringen könnten. Aber auch die Rechten böten keine tatsächliche Alternative. Trotzdem sei er dagegen, die AfD zu verbieten: „Das was wir tun müssen, ist das Interesse an ihnen durch eine geänderte Politik wieder abzubauen.“

Es sei schon verwunderlich, dass ausgerechnet er gegenüber einem Würdenträger der katholischen Kirche zum Verteidiger des Papstes geworden sei. „Kapitalismus tötet“, hatte Papst Franziskus – sehr zum Unverständnis eines Klostervorstehers – gesagt. „Als ich diesem verdeutlichte, was der Papst meinte, war er sprachlos. Die weltweite Nahrungsprduktion könnte alle Menschen zwei Mal ernähren, tatsächlich verhungern aber 18 Millionen Menschen im Jahr.“

Gysi erinnerte an den ersten Paragrafen des Grundgesetzes und mahnte die Achtung der Würde anderer an: „Wir dürfen die Kultur jeder Gesellschaft niemals unterschätzen.“ Dies gelte auch im Umgang mit dem Anderen: „Es ist entscheidend, welche Meinung wir von Menschen haben, die irgendwie anders sind.“ Schauten wir genau hin, würde deutlich, dass auch sie uns etwas zu geben haben. „Die soziale Frage ist eine Menschheitsfrage“, rief Gregor Gysi in die St. Dionysius-Kirche.

„Die Frage nach der Nationalität oder Religion eines Menschen ist für mich völlig überflüssig. Wichtig ist der Charakter und das, was dieser Mensch tut.“ Die Zuhörer in Welbergen bedankten sich bei Gregor Gysi mit langem Applaus und teilweise stehenden Ovationen.

Ochtrups Bürgermeister Kai Hutzenlaub und seine Tochter Marlen, seit Januar stellvertretene Vorsitzende des Jugendparlaments Ochtrup, freuten sich, dass Grgor Gysi in ihrer Gemeinde zu Gast war.

Zum Abschluss der Auftaktveranstaltung der 30. Woche der Brüderlichkeit des Kulturforums Ochtrup sprach traditionell ihr Vorsitzender Dr. Guido Dahl. Er legte den Schwerpunkt auf die Notwendigkeit der Zusammenarbeit der verschiedenen Religionen.