Menschen und Nationen – Neurasthenie

Von Christoph Theligmann (Zuerst erschienen auf proscript.de am 17. April 2025)

Deutschland soll kriegstüchtig werden. Es wird über eine Wiederauflage Wehrpflicht diskutiert. Äußerungen wie Wir müssen in die Lage kommen, uns verteidigen zu können, um uns nicht verteidigen zu müssen, diese Sätze sind zu hören und zu lesen.

Thomas Mann Gedenkjahr. Sein Erstlingsroman Buddenbrook hat den Untertitel Verfall einer Familie.

Der Verfall vollzieht sich in vier Stech-Schritten: Erfolg, Komfort, Vergeistigung, Dekadenz. Gilt auch für Nationen. Was heute Burnout heißt, nannte man zu Thomas Manns Zeiten Neurasthenie.

Seine Erzählung erstreckt sich über ein Intermezzo von vier Generationen. Das sind ca. 75 Jahre. Bedenkt man den Zeitraum von durchschnittlich 25 Jahre je einer Generation, ist man irritiert von der Parallele: 80 Jahre seit Weltkriegsende 1945.

Vier Akte: Erfolg gleich aufgestanden aus Ruinen, Wirtschaftswunder gleich Komfort, Studentenrevolte gleich Vergeistigung, Ölkrise und nicht endendes Krisen-Mikado gleich zunehmender Verfall.

In dieser, negative Bezeichnung Endzeitstimmung, positive Bezeichnung Zeitenwende, erscheint ein umstrittener Bestseller. Warum ich niemals für mein Land kämpfen würde – Gegen die Kriegstüchtigkeit von Ole Nymoen, 27 Jahre alt.

In dem Buch die Argumente: Die Staatssouveränität will geschützt, soll wehrfähig sein. Dazu werden notfalls Menschenleben geopfert, obwohl die Menschen mit- und untereinander oft gar keine, geschweige denn tödliche Meinungsverschiedenheiten haben. Dennoch werden sie mit Waffen aufeinandergehetzt.

Der einzelne Bürgerwille, lieber in Unfreiheit zu leben, statt für die Freiheit zu sterben, zählt nicht. Auch die Frage, ob es nicht wert sei, eine demokratische Grundordnung zu verteidigen, stellt sich ja dann nicht, wenn man sich nicht als sinnvollen Teil einer Gesellschaft sieht, in der zwar jeder für sich verantwortlich sein soll, doch die Tolerierung von extremem Reichtum auf der einen, von Armut auf der anderen Seite die Vorgabe ist. Verteidigungswerte Gemeinschaft?

Errungenschaften, die da wären, Bildung und medizinische Versorgung etc. existieren in Wahrheit doch nur als Bedingungen für ein Humankapital, willens des Erfolgs einer Volkswirtschaft als Ganzes.

In einer zukünftigen Welt, die schon allein durch den Klimawandel gefährdet ist, sind es die Jüngeren, die als erstes die Zeche zahlen müssen. Die gleiche Altersgruppe, die vorzugsweise zu den Waffen gerufen wird, wenn es todernst wird. Dann wird verstärkt zuallererst und dann zuallerletzt an die Solidargemeinschaft dieser und später, falls vonnöten, aller Altersgruppen appelliert. Gleichzeitig der Kontrast der Konkurrenz unter den Staaten in jeweiliger repräsentativer Form der wenigen, die, daran hat sich nichts geändert, wie ein Sonnenkönig „L’Etat c’est moi – Der Staat bin ich“, tönen.

Warum ich niemals für mein Land …  Ein aktueller Widerruf zum Aufruf des Appells Gewehr bei Fuß.

Autor Christoph Theligmann lebt in Hiltrup. Der Politikwissenschaftler ist Redakteur der Sperre und Feuilletonist aus Neigung, was jeweils donnerstags neu auf seiner Webseite proscribt.de erfahren werden kann.

„Klinken putzen“ hat sich gelohnt

Kulturliste Münster ermöglicht für kostenfreie kulturelle Teilhabe

Eintrittskarten für Sport- oder Kulturevents können sich viele Menschen in Münster nicht wirklich leisten. Der Erwerb von Tickets für den Volleyball-Bundesligisten USC Münster, die Städtischen Bühnen oder den Allwetterzoo fällt häufig anderen Ausgaben des täglichen Bedarfs zum Opfer. Diese prekäre Situation der rund 30.000 Inhaber*innen des Münster-Passes wollen Annette Georgi, Hubert Bergmoser und Hermann Koopmann – die drei Münsteraner*innen bilden den Vorstand der von ihnen gegründeten „Kulturliste Münster“ – etwas entschärfen. Dank der ehrenamtlichen Arbeit der 30 Mitarbeiter*innen der Kulturliste können auch weniger Begüterte in Münster kräftig mitfiebern, mitfühlen und gegebenenfalls mitfeiern.

„Im September 2022 habe ich einen WDR-Beitrag über die Kulturliste Düsseldorf gesehen“, erzählte Hubert Bergmoser, Bildender Künstler, im Gespräch mit der Sperre, dass er sofort begeistert von der Idee war, Menschen mit geringem Budget kostenfreien Zugang zu Kultur, Sport und Unterhaltung zu ermöglichen. Bergmoser recherchierte und stellte fest, dass es damals rund 30 Kulturlisten-Vereine in Deutschland gab und dass aber ein solches Angebot in Münster nicht existierte: „Die anderen machten es schon teilweise seit über zehn Jahren. Da habe ich mir von ihnen die Blaupause geholt und habe Freunde und Bekannte wie Annette Georgi angesprochen, um die Kulturliste Münster auf die Beine zu stellen. 2023 konnten wir mit rund 30 Mitgliedern den Verein gründen.“

Erster Aufschlag erfolgte beim Turnier der Sieger

Nach der Vereinsgründung mussten die Vereinsmitglieder „Klinken putzen“, so Vorstandsmitglied Hermann Koopmann, um von Veranstaltern kostenpflichtige Eintrittskarten kostenfrei zur Verfügung gestellt zu bekommen. Der Eisbrecher war 2023 der Westfälische Reiterverein, Veranstalter des sommerlichen Turniers der Sieger vor dem Schloss in Münster.

Inzwischen gibt es zahlreiche Veranstalter, die der Kulturliste Eintrittskarten zur Verfügung stellen. „100 Tickets auf einmal haben wir vom Zirkus Knie bekommen“, erzählte Bergmoser und Georgi ergänzte: „Es freut uns immer besonders, wenn wir Kinder oder sogar gleich die ganze Familie für einen Event mit kostenfreien Eintrittskarten ausstatten können.“ Wie hoch inzwischen die Nachfrage ist, verdeutlicht die Kulturgästeliste – Ende 2024 umfasste diese 700 Erwachsene sowie 300 Kinder und Jugendliche.

Kreis der Kulturpartner wächst beständig weiter

Neben den schon erwähnten Kulturpartnern gehören auch der SC Preußen Münster, das Boulevard Münster, die Uni Baskets, das Wolfgang-Borchert-Theater, das Pumpenhaus, das Cineplex, der Kleine Bühnenboden, das GOP Varieté-Theater, Cinema & Kurbelkiste, das Bennohaus, der Unichor sowie das Schloßtheater Münster dazu. Inzwischen ist auch der Allwetterzoo Kulturpartner der Kulturliste. Weitere sind auf der Vereinswebseite (www.kulturliste-muenster.de) zu finden.

„Kulturpartner können alle Institutionen werden, die kostenpflichtige Veranstaltungen anbieten. Karten für kostenfreie Veranstaltungen geben wir nicht weiter“, verdeutlichte Annette Georgi, dass die Nachfrage groß ist und mit zunehmender Bekanntheit der Kulturliste sicherlich auch noch wachsen dürfte. „Wir haben in allen Bereichen Luft nach oben – da ist noch einiges mehr drin“, so Hermann Koopmann.

Mindestens zwei Karten stellen die Partner der Kiste für die Kulturgäste für jede Veranstaltung zur Verfügung. „Niemand soll alleine hingehen müssen“, erklärte Annette Georgi, dass die Begleitung eines Kulturgastes nicht die sozialen Voraussetzungen wie der Kulturgast erfüllen muss: „Da kann einfach jeder mitkommen“, so Georgi, die zudem betonte: „Gibt es mehrere Kontingente für eine Veranstaltung, sitzen die Kulturgäste nicht zusammen, sondern sind grundsätzlich über den gesamten Publikumsbereich verteilt.“

Rund zwei Wochen Vorlauf benötigt die Kulturliste. Nachdem das Kartenkontingent vom Kulturpartner gemeldet wurde, organisiert das „Vermittlungsteam“ die Kartenweitergabe an die für das Interessensgebiet registrierten Kulturgäste. Die Auswahl erfolgt durch eine Software. Rechtzeitig vor der Veranstaltung erhält der Kulturpartner dann die Namensliste der Kulturgäste, die sich am Veranstaltungstag beim Einlass mit Hinweis auf die Gästeliste melden und ihre Tickets entgegennehmen können.

Kulturgast werden ist ganz einfach

Menschen aus Münster mit geringem Einkommen können relativ einfach Kulturgast werden. Sie müssen sich entweder selbst online mit Nachweis (zum Beispiel durch Münster-Pass, Bescheid zu ALG II, Bürgergeld-Bescheid für Kinder, Lohnabrechnung, Einkommensteuerbescheid vom Finanzamt, Bafög-Bescheid, Rentenbescheid, BAB-Bescheid oder Berechtigung für Münster-Tafel) anmelden oder zu einem Sozialpartner der Kulturliste gehen. Dazu gehören viele soziale Einrichtungen in der Stadt. Unter anderem die Arbeiterwohlfahrt, die Bischof-Hermann-Stiftung, die Caritas, das Deutsches Rotes Kreuz oder die Diakonie. Sie können Interessierte direkt auf die Kulturgästeliste setzen lassen.

16 Kategorien stehen den Kulturgästen zur Auswahl. Diese reichen von Ausstellungen, Museen über Kabarett und Comedy, über Kino, Theater, Sport bis Zirkus. Da dürfte für alle etwas dabei sein. Infos zum Verein gibt es online und natürlich per Email.

Preußenstadion ist derzeit immer voll

Spenden in Geldform sind für den Verein Kulturliste Münster genauso wichtig wie die gespendeten Eintrittskarten. „Tatsächlich benötigen wir für die Organisation und Verwaltung auch Finanzmittel, um das Angebot aufrecht zu erhalten und möglichst sogar auszubauen“, unterstreicht Hermann Koopmann, dass die Spendenbereitschaft der Münsteraner*innen aber durchaus vorhanden sei.

Die begehrtesten Tickets bei den Kulturgästen seinen Eintrittskarten für das Picasso-Museum und auch die GOP-Tickets kämen sehr gut an. Nachgefragt würden auch immer Karten für den Fußball-Zweitligisten Preußen Münster. Doch die seien derzeit praktisch nicht zu bekommen. „Da ist wohl immer volles Haus“, vermutet Koopmann. Trotzdem hofft der Vorstand der Kulturliste, dass Münster in der 2. Bundesliga bleibt – bestimmt gäbe es dann auch mal wieder Tickets für Kulturgäste.

Die neue Sperre ist da

Münsteraner Quartalsmagazin beleuchtet Digitalisierung in der Stadt

Seit inzwischen 39 Jahren beliefert der Verein „Arbeitslose brauchen Medien“ analog und online die Öffentlichkeit in Münster mit kritischen Texten. Seit heute liegt die Frühjahrsausgabe gedruckt vor. In den 36 Seiten geht es um viele aktuelle Themen, die von den der Digitalisierung über Kultur in Ostdeutschland, den vor dem Bauernkrieg verabschiedeten 12 Artikeln, der just 500 Jahre alten Menschenrechtserklärung von unten, bis zum Angebot des Vereins Kulturliste.

„Vom Amt bis ins Malta“ schickt im Vorwort Arnold Voskamp die Sperre-Leserschaft auf Erkundungstour durchs Heft. Er erinnert an sowohl an die Online-Ausgabe als auch an die sonstigen Veröffentlichungen („fast umsonst“ und „Migrationskompass“) des Vereins, der montags, dienstags und donnerstags vormittags ab zehn Uhr im MAltA (Münsteraner Arbeitslosentreff Achtermannstraße) kostenfreie Serviceleistung bei allen Fragen rund um Arbeit, Bewerbung, Lebenslauf und amtliche Formulare insbesondere Sozial-, Wohnungs- und Ausländeramt sowie dem Jobcenter oder der Arbeitsagentur anbietet.

Digital nicht abhängen!

Das MAltA hilft, wenn Menschen keinen oder schlechten Zugang zur digitalen Welt haben, verdeutlicht Arnold Voskamp in der Titelgeschichte „Digital nicht abhängen!“. Infos zum Barrierefreiheitsgesetz („Zugang für alle“) und die Rezension von Peter Schaars „Schöne neue Stadt“ runden das Schwerpunktthema der ersten Sperre-Ausgabe des Jahres ab.

Nach einem Blick nach Coerde von Regina Joffe und Jochen Schweitzer, die die Initiative „Chancen für alle Coerder Kinder“ vorstellen, werden Wege zur Kultur auch für Menschen mit geringem Einkommen aufgezeigt. Denn der Verein „Kulturliste Münster “ sorgt für kostenfreie kulturelle Teilhabe.

Lena Dhaliwal erklärt in „Fit für den Arbeitsmarkt“ wie Menschen, die aufgrund einer Erwerbsminderung vorzeitig im Rentenbezug sind, unschädlich testen können, ob der Wiedereinstieg in die tägliche Arbeit klappen könnte.

Armut für Alle? – „Armut hat System“

Sperre-Redakteur Jan Rinke – der Sperre lesende Mann oben im Bild – hat Sirkka Jendis´ Buch „Armut hat System“ kritisch gelesen. Er findet: „Angesichts der wirtschaftlichen Stagnation und der Herausforderung einer neuen Regierung liefert »Armut hat System« einen notwendige Analyse und drängende Handlungsempfehlung. Es macht deutlich, dass Politik, die Armut ignoriert, den gesellschaftlichen Zusammenhalt und die Demokratie selbst gefährdet. Ein Buch, das als Pflichtlektüre zur Bewertung der kommenden Sozialpolitik dienen sollte.“

Jan Rinke bespricht in der aktuellen Sperre das Buch „Armut hat System – Warum Deutschland Armut zulässt und was wir dagegen tun können“.

Sascha Lübbe recherchierte für sein Buch „Im System ganz unten“, so ist auf den Folgeseiten der Sperre zu lesen, bei denen, die „von der Gesellschaft allein gelassen“ werden. Das in Münster dies nicht zwingend der Fall ist, macht Regina Offe im Beitrag „Münster auch hier vorne. Teilhabequoten aus dem Bildungs- und Teilhabepaket im Vergleich“ deutlich.

Sehnsucht nach Frieden

Traditionell eng verbunden sind die Sperre-Redakteure mit Rudolstadt-Musikfestival, das Anfang Juli rund 25.000 Menschen in die kleine ostdeutsche Stadt lockt. Sperre-Urgestein Norbert Attermeyer macht auf zwei Seiten Lust auf einen Trip nach Thüringen, wo auch schon mal die Sehnsucht nach Frieden deutlich wird. Den gab es vor 500 Jahren weder in Thüringen noch in weiten Teilen des südlich deutschen Sprachgebietes. Die „12 Artikel“, praktisch die erste Menschenrechtserklärung von unten, führte zum Großen Bauernkrieg mit bis zu 70.000 toten Bauern, Bergknappen, Handwerkern und Städtern, aber auch zu etwas mehr Freiheit nach der Revolution durch den Gemeinen Mann.

Kurzmeldungen und der Dauerbrenner und vielleicht beliebteste Teil der Sperre – die Urteile runden die wieder kostenlose Frühjahrsausgabe von „Münsters Magazin für Arbeit, Soziales & Kultur“ ab.

Zwei politische Beiträge fielen raus

Zwei Artikel fielen nach einer Abstimmung (6 Nein, 2 Ja, ein Enthaltung) in der Redaktionssitzung wegen ihrer politischer Inhalte aus dem Heft. „Münster könnte Vorzeigestadt werden“ und „Verändern – egal, ob in der Opposition oder Regierung!?“ sind online aber zu finden.

Verändern – egal, ob in der Opposition oder Regierung!?

Nimmt Die Linke in Münster ihren Wähler*innenauftrag an?

Von Werner Szybalski

Ein klarer Wahlsieger im Bund und in insbesondere in Münster ist die Partei Die Linke. Durch einen enorm großen Zustrom an jungen Mitgliedern in die Partei gelang es der Linken mit einem klaren sozialen Programm die Menschen bei der Bundestagswahl für sich zu begeistern. Dies besonders bei Erstwähler*innen und auch den noch Jüngeren, die erst zukünftig an Wahlen teilnehmen dürfen. Insbesondere in Münster hat sich die Linke jüngst stark verändert. Stand der Kreisverband vor Jahren unter Kontrolle der trotzkistischen Organisation Marx 21, scheint nun – Dank des neuen Vorstandes und den zahlreich eingetretenen Mitgliedern, deren Anzahl sich in den vergangenen Monaten verdreifacht hatte – ein offener linker Diskurs in Münsters Linkspartei möglich.

Der Politikwechsel in Münsters Linkspartei verlief recht lautlos. Dies lag einerseits an der Auflösung, beziehungsweise Zersplitterung von Marx 21 vor knapp zwei Jahren und andererseits an dem leisen Wechsel in der Ratsfraktion Mitte November vergangenen Jahres. Der aktuelle Kreisvorstand der Linken in Münster ist erfrischend jung. Schatzmeister und Ratsherr Heiko Wischnewski ist trotz seines Alters schon Senior im Gremium. Kreissprecher*innen sind Jonas Hakenes und Patricia Niehaus. Gemeinsam mit Schriftführer Emil Langer, dem Jugendpolitischen Sprecher Benjamin Fobbe sowie den Beisitzer*innen Jenna Inhoff, Joline Klein, Sarah Jansa, Hannes Süper und Yannick Lux kämpfen sie erfolgreich für linke Politik in der Domstadt.

Erfolgreich wie niemals zuvor

Bei der Bundestagswahl 2025 votierten fast 26.000 Münsteraner*innen für Die Linke, was 12,5 Prozent aller abgegebenen Stimmen waren. Ein Ergebnis was viele erstaunt, aber die jungen Linken in Münster offensichtlich motiviert. Beim ersten „Offenen Aktiventreffen“ nach dem Wahlerfolg erklärte ein junges Mitglied: „Ich hatte heute nach den anstrengenden Wochen und der gestrigen Wahlparty gehofft, dass wenigstens fünf Leute kämen.“ Zu seine Überraschung und Freude waren tatsächlich mehr als zehnmal so viele Menschen ins Linke-Zentrum an der Achtermannstraße gekommen. Zu viele für den Versammlungsraum, weshalb es zwei Aktiven Treffen in zwei Räumen mit parallelem Programm gab. Bei den Aktiven Treffen der Linkspartei in Münster ist es derzeit so voll, dass sie sich in zwei Gruppen in unterschiedlichen Räumen versammeln müssen.

Das Aktiventreffen der Linken in Münster war am Tag nach der Bundestagswahl so gut besiucht, dass die Gruppe sich teilen und in zwei Räumen getrennt tagen musste. (Foto: Werner Szybalski)

Kann Münster gar Klein-Berlin werden?

Noch nie gaben so viele Menschen in Münster ihre Stimme einer linken Partei. Dies war bei der Bundestagswahl auch in Berlin, mit allerdings dreimal so vielen Einwohner*innen wie Münster, der Fall. Die Linke gewann vier Direktmandate und erhielt die meisten Kreuze sowohl bei der Erst- wie auch bei der Zweitstimme. Zum zweiten Mal nach 2017 wählte mehr als jede*r Zehnte in Münster Die Linke. Nach 10,1 Prozent bei der Bundestagswahl 2017 stimmte 2025 jede* Sechste in der Domstadt für die Linkspartei. Dies weckte beim Aktiven Treffen Hoffnungen und Wünsche. Vereinzelt war 20 Prozent als Kommunalwahlziel zu hören. Tatsächlich könnte mit dem aktuellen Drive und der gewaltigen Energie der vielen Mitglieder es im September bei der Kommunalwahl auch ein Rekordergebnis geben. Vielleicht ist sogar Platz drei hinter Grünen und CDU drin.

Neues Selbstbewusstsein in der Linken

Auch die Bundespartei hat sich stark verjüngt, wie der Altersdurchschnitt von 42,2 Jahren in der neuen Fraktion zeigt. Zudem sorgt nicht nur die bisherige Co-Sprecherin der Bundestagsfraktion, Heidi Reichinnek, für einen neuen und unumstrittenen Kurs: „Wir haben gesagt: Alle wollen regieren – wir wollen verändern, ob wir in der Opposition oder Regierung sind, ist egal.“ Dies schien auch in Münster bei den nun anlaufenden Vorbereitungen für die Kommunalwahl auf Unterstützung zu stoßen. War bislang die Linke in Münsters Stadtrat grundsätzlich auf strengen Oppositionskurs ausgerichtet, war beim Aktiven Treffen zu hören, dass das Wichtigste positive Veränderungen für die Menschen sei: „Dafür wurden wir gewählt. Aber wir kämpfen sowohl auf der Straße als auch im Rat dafür.“