Schon wieder ein Verkehrsversuch

Warendorfer Straße bekommt gemeinsame Bus- und Radspur auf der Fahrbahn

Vor dem Garbo kommt es immer wieder zu kritischen Situationen. Der Gehweg ist bei Außenbestuhlung vor der nicht nur im Erphoviertel beliebten gastronomischen Einrichtung des Programmkinos Cinema in Münster immer sehr eng. Meistens geht es gut, aber staut es sich einmal vor dem Kinoeingang, sind schnell auch die Radfahrer*innen in Richtung Freiherr-vom-Stein-Platz unzufrieden, da sie gestoppt werden. Nun soll ab Ende April ein Verkehrsversuch den stark frequentierten Abschnitt der Warendorfer Straße zwischen Dodostraße und Gereonstraße sicherer und übersichtlicher machen. Die Stadt Münster plant stadteinwärts eine 3,5 Meter breite und rot markierte Umweltspur auf der Fahrbahn.

Durch die von der Stadt Umweltspur genannte Maßnahme sollen die Konflikte zwischen Fuß- und Radverkehr an dieser Engstelle entschärft werden. Zudem entstehe mehr Platz für die dort ansässige Außengastronomie und Gäste des Kinos, verdeutlicht die Stadt. Die Spur soll auch für Linienbusse freigegeben werden, die so auf dem Weg in die Innenstadt am Autostau vorbeifahren können.

Verkehrsanteile im Abschnitt der Warendorfer Straße, die einseitig eine Umweltspur für Rad- und Busverkehr bekommen soll. (Grafik: Werner Szybalski)

Auf dem etwa 200 Meter langen Abschnitt der Warendorfer Straße seien, so die Stadt Münster, täglich etwa 9.000 Radfahrerinnen und Radfahrer und ungefähr ebenso viele Menschen in Autos unterwegs, erklärte die Stadt Münster in der Pressemitteilung. Außerdem führen dort über 4.000 Fahrgäste pro Tag mit den Stadt- und Regionalbussen. Dazu kämmen zahlreiche Fußgängerinnen und Fußgänger.

Warendorfer Straße: In stadteinwärtiger Fahrtrichtung werden Radfahrerinnen und Radfahrer im Zuge des Verkehrsversuchs auf die neue Umweltspur geleitet. (Grafik: Stadt Münster)

Sicherer und komfortabler?

„Die geplante Umweltspur soll die Durchfahrt für den Radverkehr sicherer und komfortabler machen, Linienbusse sollen pünktlicher werden. Außerdem will die Stadt Lieferbereiche einrichten“, schreibt die Stadt. Doch kann dies wirklich funktionieren?

Die Länge und Anzahl der Busspuren in Münster nimmt – aus Sicht der Öffi-Nutzer*innen erfreulicherweise – immer mehr zu. Allerdings werden auch immer mehr Busspuren als Umweltspuren für den Radverkehr freigegeben. Da nicht alle Menschen schnell Rad fahren, ärgern sich immer mehr Fahrgäste, dass ihr Bus nun statt von Autos auch noch von langsamen Zweirädern gebremst wird.

Eigener Radweg mit baulicher Abgrenzung zum ÖPNV und Autoverkehr in London.

Zudem sehnen sich zunehmend Radfahrende nach sicheren eigenen Spuren in ausreichender Breite, um mit dem Lastenfahrrad auch mal das Fahrrad mit den Kindern im Anhänger überholen zu können. Aber auch eilige Pedaleur*innen schätzen breite, eigene Spuren für den Fahrradverkehr.

Dies geht natürlich nur bei einer Neuverteilung der Verkehrsfläche. Bislang wird auch in Münster dem Autoverkehr grundsätzlich der meiste Platz gewährt. Es ist eher die Ausnahme, dass wie bei diesem Verkehrsversuch, der bis zum Frühjahr 2026 laufen soll, auch stehende Autos mal Platz machen müssen. Denn die Stadt teilte mit: Die „aktuell noch geduldete Möglichkeit, auf beiden Straßenseiten am Fahrbahnrand zu parken,“ entfällt.

Wird die Umweltspur akzeptiert?

Der Verkehrsversuch läuft demnächst erst einmal. Das Amt für Mobilität und Tiefbau will dabei auch Erkenntnisse gewinnen, ob sich die gemeinsame Nutzung der Umweltspur von Rad- und Linienbusverkehr verträgt. Seine Erwartungen hat das Amt schon auf einer extra eingerichteten Webseite verdeutlicht. Die Hoffnung der städtischen Verkehrsplaner*innen: „Klar ist: Bewährt sich der Versuch, gewinnen alle.“

Auch, wie die neu eingerichteten Lieferbereiche akzeptiert werden, will die Stadt erforschen. Die Ergebnisse der Untersuchungen sollen dann die Grundlage für die endgültige Gestaltung liefern.

KOMMENTAR
Einzelne Spuren für alle?
Die Öffi-Nutzer*innen wollen sie, die Radfahrenden vielfach auch, die Autofahrenden haben sie – allerdings meistens nur außerhalb der Innenstädte und auf wenigen innerstädtischen Rennstrecken wie dem Ring zwischen Warendorfer Straße und Torminbrücke oder Ausfallstraßen wie Weseler, Steinfurter, Grevener oder – jenseits des Kanals – Warendorfer Straße: eigene Spuren für jeden Verkehrsträger. Dieses Ziel, zugegeben weniger von Autonutzer*innen als von mobilen Menschen im Umweltverbund gewünscht, strebt der städtische Versuch an der Warendorfer Straße nicht an. Dabei fühlen sich viele Zweiradfahrer*innen auf einer Fahrbahn mit motorisiertem Öffentlichem Verkehr und / oder MiV nicht wirklich wohl.
Es wird Zeit, dass Münster seinem noch immer vorhandenen Ruf als Fahrradstadt endlich mit Einrichtung von eigenen, baulich weitgehend vom anderen Verkehr getrennten Radwegen erneuert. Nicht unbedingt als Verkehrsversuch, sondern als echte Maßnahme. Werner Szybalski

„Klinken putzen“ hat sich gelohnt

Kulturliste Münster ermöglicht für kostenfreie kulturelle Teilhabe

Eintrittskarten für Sport- oder Kulturevents können sich viele Menschen in Münster nicht wirklich leisten. Der Erwerb von Tickets für den Volleyball-Bundesligisten USC Münster, die Städtischen Bühnen oder den Allwetterzoo fällt häufig anderen Ausgaben des täglichen Bedarfs zum Opfer. Diese prekäre Situation der rund 30.000 Inhaber*innen des Münster-Passes wollen Annette Georgi, Hubert Bergmoser und Hermann Koopmann – die drei Münsteraner*innen bilden den Vorstand der von ihnen gegründeten „Kulturliste Münster“ – etwas entschärfen. Dank der ehrenamtlichen Arbeit der 30 Mitarbeiter*innen der Kulturliste können auch weniger Begüterte in Münster kräftig mitfiebern, mitfühlen und gegebenenfalls mitfeiern.

„Im September 2022 habe ich einen WDR-Beitrag über die Kulturliste Düsseldorf gesehen“, erzählte Hubert Bergmoser, Bildender Künstler, im Gespräch mit der Sperre, dass er sofort begeistert von der Idee war, Menschen mit geringem Budget kostenfreien Zugang zu Kultur, Sport und Unterhaltung zu ermöglichen. Bergmoser recherchierte und stellte fest, dass es damals rund 30 Kulturlisten-Vereine in Deutschland gab und dass aber ein solches Angebot in Münster nicht existierte: „Die anderen machten es schon teilweise seit über zehn Jahren. Da habe ich mir von ihnen die Blaupause geholt und habe Freunde und Bekannte wie Annette Georgi angesprochen, um die Kulturliste Münster auf die Beine zu stellen. 2023 konnten wir mit rund 30 Mitgliedern den Verein gründen.“

Erster Aufschlag erfolgte beim Turnier der Sieger

Nach der Vereinsgründung mussten die Vereinsmitglieder „Klinken putzen“, so Vorstandsmitglied Hermann Koopmann, um von Veranstaltern kostenpflichtige Eintrittskarten kostenfrei zur Verfügung gestellt zu bekommen. Der Eisbrecher war 2023 der Westfälische Reiterverein, Veranstalter des sommerlichen Turniers der Sieger vor dem Schloss in Münster.

Inzwischen gibt es zahlreiche Veranstalter, die der Kulturliste Eintrittskarten zur Verfügung stellen. „100 Tickets auf einmal haben wir vom Zirkus Knie bekommen“, erzählte Bergmoser und Georgi ergänzte: „Es freut uns immer besonders, wenn wir Kinder oder sogar gleich die ganze Familie für einen Event mit kostenfreien Eintrittskarten ausstatten können.“ Wie hoch inzwischen die Nachfrage ist, verdeutlicht die Kulturgästeliste – Ende 2024 umfasste diese 700 Erwachsene sowie 300 Kinder und Jugendliche.

Kreis der Kulturpartner wächst beständig weiter

Neben den schon erwähnten Kulturpartnern gehören auch der SC Preußen Münster, das Boulevard Münster, die Uni Baskets, das Wolfgang-Borchert-Theater, das Pumpenhaus, das Cineplex, der Kleine Bühnenboden, das GOP Varieté-Theater, Cinema & Kurbelkiste, das Bennohaus, der Unichor sowie das Schloßtheater Münster dazu. Inzwischen ist auch der Allwetterzoo Kulturpartner der Kulturliste. Weitere sind auf der Vereinswebseite (www.kulturliste-muenster.de) zu finden.

„Kulturpartner können alle Institutionen werden, die kostenpflichtige Veranstaltungen anbieten. Karten für kostenfreie Veranstaltungen geben wir nicht weiter“, verdeutlichte Annette Georgi, dass die Nachfrage groß ist und mit zunehmender Bekanntheit der Kulturliste sicherlich auch noch wachsen dürfte. „Wir haben in allen Bereichen Luft nach oben – da ist noch einiges mehr drin“, so Hermann Koopmann.

Mindestens zwei Karten stellen die Partner der Kiste für die Kulturgäste für jede Veranstaltung zur Verfügung. „Niemand soll alleine hingehen müssen“, erklärte Annette Georgi, dass die Begleitung eines Kulturgastes nicht die sozialen Voraussetzungen wie der Kulturgast erfüllen muss: „Da kann einfach jeder mitkommen“, so Georgi, die zudem betonte: „Gibt es mehrere Kontingente für eine Veranstaltung, sitzen die Kulturgäste nicht zusammen, sondern sind grundsätzlich über den gesamten Publikumsbereich verteilt.“

Rund zwei Wochen Vorlauf benötigt die Kulturliste. Nachdem das Kartenkontingent vom Kulturpartner gemeldet wurde, organisiert das „Vermittlungsteam“ die Kartenweitergabe an die für das Interessensgebiet registrierten Kulturgäste. Die Auswahl erfolgt durch eine Software. Rechtzeitig vor der Veranstaltung erhält der Kulturpartner dann die Namensliste der Kulturgäste, die sich am Veranstaltungstag beim Einlass mit Hinweis auf die Gästeliste melden und ihre Tickets entgegennehmen können.

Kulturgast werden ist ganz einfach

Menschen aus Münster mit geringem Einkommen können relativ einfach Kulturgast werden. Sie müssen sich entweder selbst online mit Nachweis (zum Beispiel durch Münster-Pass, Bescheid zu ALG II, Bürgergeld-Bescheid für Kinder, Lohnabrechnung, Einkommensteuerbescheid vom Finanzamt, Bafög-Bescheid, Rentenbescheid, BAB-Bescheid oder Berechtigung für Münster-Tafel) anmelden oder zu einem Sozialpartner der Kulturliste gehen. Dazu gehören viele soziale Einrichtungen in der Stadt. Unter anderem die Arbeiterwohlfahrt, die Bischof-Hermann-Stiftung, die Caritas, das Deutsches Rotes Kreuz oder die Diakonie. Sie können Interessierte direkt auf die Kulturgästeliste setzen lassen.

16 Kategorien stehen den Kulturgästen zur Auswahl. Diese reichen von Ausstellungen, Museen über Kabarett und Comedy, über Kino, Theater, Sport bis Zirkus. Da dürfte für alle etwas dabei sein. Infos zum Verein gibt es online und natürlich per Email.

Preußenstadion ist derzeit immer voll

Spenden in Geldform sind für den Verein Kulturliste Münster genauso wichtig wie die gespendeten Eintrittskarten. „Tatsächlich benötigen wir für die Organisation und Verwaltung auch Finanzmittel, um das Angebot aufrecht zu erhalten und möglichst sogar auszubauen“, unterstreicht Hermann Koopmann, dass die Spendenbereitschaft der Münsteraner*innen aber durchaus vorhanden sei.

Die begehrtesten Tickets bei den Kulturgästen seinen Eintrittskarten für das Picasso-Museum und auch die GOP-Tickets kämen sehr gut an. Nachgefragt würden auch immer Karten für den Fußball-Zweitligisten Preußen Münster. Doch die seien derzeit praktisch nicht zu bekommen. „Da ist wohl immer volles Haus“, vermutet Koopmann. Trotzdem hofft der Vorstand der Kulturliste, dass Münster in der 2. Bundesliga bleibt – bestimmt gäbe es dann auch mal wieder Tickets für Kulturgäste.