Verändern – egal, ob in der Opposition oder Regierung!?

Nimmt Die Linke in Münster ihren Wähler*innenauftrag an?

Von Werner Szybalski

Ein klarer Wahlsieger im Bund und in insbesondere in Münster ist die Partei Die Linke. Durch einen enorm großen Zustrom an jungen Mitgliedern in die Partei gelang es der Linken mit einem klaren sozialen Programm die Menschen bei der Bundestagswahl für sich zu begeistern. Dies besonders bei Erstwähler*innen und auch den noch Jüngeren, die erst zukünftig an Wahlen teilnehmen dürfen. Insbesondere in Münster hat sich die Linke jüngst stark verändert. Stand der Kreisverband vor Jahren unter Kontrolle der trotzkistischen Organisation Marx 21, scheint nun – Dank des neuen Vorstandes und den zahlreich eingetretenen Mitgliedern, deren Anzahl sich in den vergangenen Monaten verdreifacht hatte – ein offener linker Diskurs in Münsters Linkspartei möglich.

Der Politikwechsel in Münsters Linkspartei verlief recht lautlos. Dies lag einerseits an der Auflösung, beziehungsweise Zersplitterung von Marx 21 vor knapp zwei Jahren und andererseits an dem leisen Wechsel in der Ratsfraktion Mitte November vergangenen Jahres. Der aktuelle Kreisvorstand der Linken in Münster ist erfrischend jung. Schatzmeister und Ratsherr Heiko Wischnewski ist trotz seines Alters schon Senior im Gremium. Kreissprecher*innen sind Jonas Hakenes und Patricia Niehaus. Gemeinsam mit Schriftführer Emil Langer, dem Jugendpolitischen Sprecher Benjamin Fobbe sowie den Beisitzer*innen Jenna Inhoff, Joline Klein, Sarah Jansa, Hannes Süper und Yannick Lux kämpfen sie erfolgreich für linke Politik in der Domstadt.

Erfolgreich wie niemals zuvor

Bei der Bundestagswahl 2025 votierten fast 26.000 Münsteraner*innen für Die Linke, was 12,5 Prozent aller abgegebenen Stimmen waren. Ein Ergebnis was viele erstaunt, aber die jungen Linken in Münster offensichtlich motiviert. Beim ersten „Offenen Aktiventreffen“ nach dem Wahlerfolg erklärte ein junges Mitglied: „Ich hatte heute nach den anstrengenden Wochen und der gestrigen Wahlparty gehofft, dass wenigstens fünf Leute kämen.“ Zu seine Überraschung und Freude waren tatsächlich mehr als zehnmal so viele Menschen ins Linke-Zentrum an der Achtermannstraße gekommen. Zu viele für den Versammlungsraum, weshalb es zwei Aktiven Treffen in zwei Räumen mit parallelem Programm gab. Bei den Aktiven Treffen der Linkspartei in Münster ist es derzeit so voll, dass sie sich in zwei Gruppen in unterschiedlichen Räumen versammeln müssen.

Das Aktiventreffen der Linken in Münster war am Tag nach der Bundestagswahl so gut besiucht, dass die Gruppe sich teilen und in zwei Räumen getrennt tagen musste. (Foto: Werner Szybalski)

Kann Münster gar Klein-Berlin werden?

Noch nie gaben so viele Menschen in Münster ihre Stimme einer linken Partei. Dies war bei der Bundestagswahl auch in Berlin, mit allerdings dreimal so vielen Einwohner*innen wie Münster, der Fall. Die Linke gewann vier Direktmandate und erhielt die meisten Kreuze sowohl bei der Erst- wie auch bei der Zweitstimme. Zum zweiten Mal nach 2017 wählte mehr als jede*r Zehnte in Münster Die Linke. Nach 10,1 Prozent bei der Bundestagswahl 2017 stimmte 2025 jede* Sechste in der Domstadt für die Linkspartei. Dies weckte beim Aktiven Treffen Hoffnungen und Wünsche. Vereinzelt war 20 Prozent als Kommunalwahlziel zu hören. Tatsächlich könnte mit dem aktuellen Drive und der gewaltigen Energie der vielen Mitglieder es im September bei der Kommunalwahl auch ein Rekordergebnis geben. Vielleicht ist sogar Platz drei hinter Grünen und CDU drin.

Neues Selbstbewusstsein in der Linken

Auch die Bundespartei hat sich stark verjüngt, wie der Altersdurchschnitt von 42,2 Jahren in der neuen Fraktion zeigt. Zudem sorgt nicht nur die bisherige Co-Sprecherin der Bundestagsfraktion, Heidi Reichinnek, für einen neuen und unumstrittenen Kurs: „Wir haben gesagt: Alle wollen regieren – wir wollen verändern, ob wir in der Opposition oder Regierung sind, ist egal.“ Dies schien auch in Münster bei den nun anlaufenden Vorbereitungen für die Kommunalwahl auf Unterstützung zu stoßen. War bislang die Linke in Münsters Stadtrat grundsätzlich auf strengen Oppositionskurs ausgerichtet, war beim Aktiven Treffen zu hören, dass das Wichtigste positive Veränderungen für die Menschen sei: „Dafür wurden wir gewählt. Aber wir kämpfen sowohl auf der Straße als auch im Rat dafür.“

2025 wird es in Deutschland kälter

Kanzler Scholz beendet Ampel-Regierung – Bundestagsneuwahlen am 23. Februar 2025

Dieser Beitrag erscheint in der Sperre, Ausgabe Winter 2024, die Anfang Dezember kostenfrei in Münster verteilt wird.

Kamala Harris und mit ihr die Linksliberalen in den USA sind krachend gescheitert. Donald Trump kehrt ins Weiße Haus zurück. Er wird in seiner zweiten Amtszeit die Welt mehr verändern, als es ihm in der ersten Präsidentschaft von 2017 bis 2021 gelang. Neben der Beschleunigung des Klimawandels werden die Leidtragenden dieses erneuten Politikwechsels in Washington in den USA insbesondere die Migrant*innen und zudem die wirtschaftlich benachteiligten Menschen sein, in Europa die Ukrainer*innen insbesondere in den östlichen Landesteilen und im Nahen Osten die Palästinenser*innen. Zudem wird die produzierende Wirtschaft außerhalb der USA Probleme mit dem Absatz ihrer Güter bekommen. Nach dem Zusammenbruch der Ampel in Berlin droht nun im Windschatten des Rechtsrucks in den USA sowie der EU auch in Deutschland ein Politikwechsel.

Bemerkenswert ist, dass die Regierung bei der Aufstellung des Haushaltes vor dem Hintergrund der wirtschaftspolitischen Auseinandersetzung in der Koalition gescheitert ist. Wie seiner Zeit Bundeskanzler Gerhard Schröder, der auf eine verlorene Wahl in Nordrhein-Westfalen zu Neuwahlen im Bund blies, hat auch Olaf Scholz mit der Wahl in den USA einen äußeren Anlass zur Beendigung der Koalition aus Sozialdemokraten, Grünen und Liberalen gewählt. Dabei lässt sich der noch amtierende Kanzler – anders als sein sozialdemokratischer Vorgänger – nicht von seinen individuellen Vorstellungen blenden, sondern sieht in der vorgezogenen Neuwahl mit von ihm gesetzten Themen seine letzte Chance.

Wirtschaft und Finanzen im Zentrum der Bundestagswahl

Olaf Scholz ist überzeugt, dass er für eine arbeitsplatz- und exportorientierte Wirtschaft steht und zudem als ehemaliger Finanzminister unter CDU-Kanzlerin Angela Merkel für kreative Finanzwirtschaft prädestiniert ist. So wie er 2021 mit der Betonung des Respektes voreinander den Ton der Zeit traf, glaubt der gebürtige Osnabrücker nun mit Wirtschaft und Finanzen punkten zu können. Die Chancen, dass diese Themen den Wahlkampf dominieren werden, sind nicht schlecht, denn neben Scholz und seiner SPD dürfte auch CDU-Gegenkandidat Friedrich Merz, ehemaliger Deutschlandrepräsentant des weltgrößten in New York ansässigen Vermögensverwalters BlackRock, und die Christdemokraten sowie der entlassene FDP-Finanzminister Christian Lindner, der nach der Neuwahl in neuer Koalition wieder Finanzminister werden will, mit diesen Themen punkten wollen. Auch der grüne Frontmann, Wirtschaftsminister Robert Habeck, setzt schon von seiner bisherigen Regierungstätigkeit in Berlin her auf das Thema Wirtschaft. Dabei dürfte bei den Grünen, wie schon nach dem Beginn des Krieges in der Ukraine, der Schutz des Klimas, der Natur und der Umwelt in den Hintergrund rücken. Bleibt schließlich die Frage, was bedeutet dieser Wahlkampf und schließlich sein wahrscheinlicher Ausgang mit einer von Merz geführten Koalition für das Soziale?

FDP als Zünglein an der Waage

Die Reichen und insbesondere die Superreichen, die schon von der Trump-Wahl und der neuen rechtsgerichteten EU-Kommission stark profitieren, werden zweifelsfrei die Wahlsieger sein. Die CDU und die CSU in Bayern werden gemeinsam die meisten Stimmen bekommen und damit die führende Kraft in der zukünftigen Bundesregierung sein. Gut für vermögende Menschen – schlecht für die Öffentliche Infrastruktur, für die Kommunen, für die finanziell nicht privilegierte untere Hälfte der Bevölkerung sowie für das Klima.

Die Sozialdemokraten werden nach der Wahl zerrissen sein, denn die Machtorientierten werden in die Merz-Regierung drängen, während Sozis mit sozialem Gewissen in die Opposition wollen und vielleicht sogar gemeinsam mit Linken, Ökolog*innen, Rentner*innen, Bürgergeldempfänger*innen und den prekär im Niedriglohnsektor beschäftigten Menschen auf der Straße demonstrieren.

Die FDP wird alles versuchen, Leihstimmen der CDU zu ergattern, um so in den Bundestag zurückzukehren und wieder das Zünglein an der politischen Waage Bundesregierung zu sein. Mit ihrem Programm erreichen die deutschen Liberalen nur ein oder zwei Prozent der Menschen, weshalb die fehlenden drei Prozent mit Wahlversprechen gegenüber Wähler*innen anderer Parteien – insbesondere bei CDU und CSU – geholt werden müssen. Spricht sich Merz für eine Koalition mit der FDP aus, dürfte die Strategie erfolgreich sein.

Die Grünen regieren, wo sie können. Egal, ob als chancenloser Kanzlerkandidat oder als Spitzenkandidat seiner Partei wird Robert Habeck einen Wahlkampf führen, der die Grünen als „Partei der Mitte“ präsentiert. So behalten sie alle Optionen offen, wobei sie vermutlich nur in der vor sieben Jahren durch Lindner gescheiterten „Jamaika-Koalition“ eine echte Regierungs- und Machtoption besitzen. Ihren ehemaligen Markenkern Ökologie und Nachhaltigkeit werden sie unter dem Schlagwort „Grüner Kapitalismus“ und der Forderung nach mehr individueller Selbstverantwortung tarnen. Ob es zur Regierungsbeteiligung reicht, hängt aber allein vom Vertrauen und damit Wahlverhalten ihrer zuletzt ständig und auf allen politischen Ebenen enttäuschten Stammklientel ab.

AfD wird nur von Linken und Sahra Wagenknecht bekämpft werden

Auch die selbsternannte „Alternative für Deutschland“ hat ihren Markenkern durch den aktuellen Regierungssturz in Berlin und die Entwicklungen in Brüssel und Washington verloren. Migration ist im nach rechts wandernden Europa nur noch ein Sicherheitsthema an den Grenzen der Vereinigung. Zwar werden die Rechten weiterhin die massenhafte Ausweisung aller oder vieler zugewanderter Menschen propagieren, doch die von Scholz, Merz, Lidner und Habeck gesetzten Wahlkampfschwerpunkte Wirtschaft und Finanzen wird den nächsten Wahlerfolg der AfD verhindern.

Bekämpfen werden die AfD im Wahlkampf lediglich die vom Untergang bedrohten Mitglieder der Linkspartei sowie die ehemaligen Linken in der Wagenknecht-Gruppierung. Parteigründerin Sahra Wagenknecht und ihre Gefolgschaft haben durch Trumps Sieg ihre bisherige Erfolgsstrategie Friedenspolitik und damit auch ihr Alleinstellungsmerkmal verloren, da die Ukraine im nächsten Jahr von der Trump-Administration in den USA in einen Waffenstillstand gezwungen werden wird. Bleibt auch den Links-Abtrünnigen nur im Wahlkampf der Versuch, dass lediglich von kleinen Teilen der SPD und den Grünen bearbeitete Feld der sozialen Gerechtigkeit erfolgreich zu besetzen. Den angeblich woken Linksliberalismus zu bekämpfen, wird kein Wahlkampfhit von Wagenknecht, da alle Ausgegrenzten, Diffamierten und Abgehängten im kommenden Wahlkampf von allen oben genannten Parteien links liegen gelassen werden.

Linkes Potential ist aktuell begrenzt

Bei Wahlen in Deutschland dürfte zur Zeit das Potential für linke Wirtschafts- und Sozialpolitik bei rund neun Prozent liegen. Ob nun die einen sechs (Wagenknechte) und die anderen (Linkspartei) drei oder beide nur jeweils 4,5 Prozent bekommen, hängt einerseits vom Wahlverhalten der links fühlenden Stammwähler*innen von SPD und Grünen ab und andererseits von der Schwerpunktsetzung der beiden um linke Wähler*innen konkurrierenden Parteien. Weder AfD noch BSW (Bündnis Sahra Wagenknecht) werden außerhalb der migrationsfeindlichen Wähler*innengruppe mit dem Thema Zuwanderung beziehungsweise Abschiebung punkten können. Die Linke muss sich deshalb grundsätzlich nur in Abgrenzung zum BSW und zur AfD mit Migration im Wahlkampf beschäftigen. Zentral wird im linken Wahlkampf, wie es mit der sozialen Absicherung in Deutschland weitergeht? Diese Frage müssen Linke im Wahlkampfes überzeugend beantworten, wenn im nächsten Bundestag noch Parlamentarier*innen sitzen wollen, die sich um die untere Hälfte der Gesellschaft und deren Überleben kümmern möchten. Angesichts dieser aufgezeigten Perspektiven zur vorgezogenen Bundestagswahl, ist aber schon jetzt klar: Es wird in Deutschland klimatisch wärmer und sozial kälter werden.