Zehn Millionen Zuschuss für Elektrobusse in Westfalen

NWL schließt Förderlücke für 2025

Die Ampelregierung hatte im Sommer vergangenen Jahres die Förderung für Elektrobusse ausgesetzt. So entstand bei vielen Verkehrsunternehmen, insofern sie anders als die Stadtwerke Münster, noch keinen Förderungsantrag für 2025 gestellt hatten, ein finanzielles Problem, denn der Bund hatte je Bus die Elektrifizierung mit 300.000 Euro gefördert. Nun sprang der Nahverkehr Westfalen-Lippe (NWL) ein und unterstützt 2025 mit einem eigenen Förderprogramm Investitionen von Verkehrsunternehmen in Elektrobusse. Damit, so der NWL in einer Pressemitteilung, könne die Finanzierungslücke bei den Anbietern des Öffentlichen Verkehrs in Westfalen zumindest teilweise geschlossen werden.

Sicherung der Initiativen zur Mobilitätswende

Bisher wurden neue, klimafreundliche Busse zweigeteilt gefördert. Zum einen gab es die Förderung einer Grundausstattung über die ÖPNV-Aufgabenträger, zum anderen wurden die Mehrkosten für den Wasserstoff- oder Elektroantrieb durch den Bund oder das Land übernommen. Seit Ende 2024 ist diese zweite Fördermöglichkeit nicht mehr vorhanden. Eine Neuregelung ist erst ab 2026 vorgesehen. Viele Verkehrsunternehmen stünden daher, so der NWL, vor finanziellen Herausforderungen, wenn sie weiterhin auf lokal emissionsfreie Busse setzen möchten.

Ökologische Modernisierung des öffentlichen Nahverkehrs im Sinne der Mobilitätswende

„Wir wollen den Verkehrsunternehmen in Westfalen-Lippe Planungssicherheit geben und die Umstellung auf klimafreundliche Antriebe nicht ausbremsen. Mit unserer Initiative setzt sich der NWL auch 2025 gezielt für den Einsatz neuer Wasserstoff- und Elektrobusse ein und  stärkt damit die ökologische Modernisierung des öffentlichen Nahverkehrs im Sinne der Mobilitätswende“, so Christiane Auffermann, Stellvertretende Geschäftsführerin des NWL und designierte hauptamtliche Verbandsvorsteherin.

Deutschland hat in Sachen Elektro-Busse in Europa noch ordentlich Aufholbedarf. Besonders bei den Privatunternehmen dominieren noch immer die Verbrenner.

Fördermittel für bis zu 75 neue Elektrobusse

Der NWL stellt insgesamt zehn Millionen Euro bereit, um die Mehrkosten für Wasserstoff- und Elektrobusse mit bis zu 60 Prozent zu fördern. Damit können voraussichtlich rund 75 neue emissionsfreie Busse finanziert werden. Mit diesem Schritt unterstreiche der NWL, laut eigener Pressemitteilung, sein Engagement für nachhaltige Mobilität und den eigenen Anspruch, die Mobilitätswende aktiv und nachhaltig mitzugestalten.

Stadtwerke Münster benötigen 2025 keine Hilfe

Die Stadtwerke Münster schreiben erst für 2026 den Ankauf neuer Elekrtobusse aus. (Foto: Stadtwerke Münster)

Die Stadtwerke Münster fielen in diesem Jahr in keine Förderungslücke, da sie vorausschauend schon frühzeitig neue Busse für 2025 ausgeschrieben und dafür auch die Förderung beantragt hatten. Diese war genehmigt worden, so dass auf Anfrage der Redaktion der Stadtwerke-Pressesprecher Florian Adler antworten konnte: „Wir haben uns für 2025 bereits eine Bundesförderung für zwölf Gelenkbusse gesichert. Für 2026 haben wir noch keine Ausschreibung veröffentlicht. Sofern die Förderung also nur für 2025 gilt – so lese ich die Vorlage – werden wir sie aller Voraussicht nach nicht nutzen.“ Für das kommende Jahr kann es natürlich anders aussehen, so dass zukünftig auch die Stadtwerke Münster ihre Antriebswende über die Infrastrukturförderung gemäß §11 ÖPNVG NRW fördern lässt.

Dies alles ist derzeit noch in der Schwebe. Verhandlungen des oder der zukünftigen Verkehrsminister*in mit den Kolleg*innen aus den Bundesländern müssen dafür erst gesetzliche Grundlagen schaffen. Geschieht dies trotz riesiger zusätzlicher Investionsmittel des Bundes nicht, dann ist das Land NRW mit seinem Aufgabenträgern wie dem NWL erneut gefordert.

Walter von Göwels wird Aufsichtsrat bei der Eurobahn

CDU-Politiker aus Münster soll ZVM bei der vom NWL übernommenen Regionalbahn vertreten

Wenn es einen Politiker in Münster gibt, der als graue Eminenz des Öffentlichen Verkehrs gelten kann, dann ist dies spätestens seit vergangenem Montag der CDU-Kommunalpolitiker Walter von Göwels. Er erhielt ein weiteres Amt: Am 24. März 2025 tagte am Aasee in Münster die Verbandsversammlung des Zweckverband Mobilität Münsterland (ZVM). Unter anderem stand die Besetzung des Aufsichtsrates der kürzlich vom Zweckverband Nahverkehr Westfalen-Lippe (NWL) erworbenen Regionalbahn „Eurobahn KG“ auf der Tagesordnung. Der Haupt- und Finanzausschusses der ZVM-Versammlung hatte den Münsteraner Walter von Göwels nominiert. Die Versammlung schickt den Vorgeschlagenen einstimmig als Vertreter des ZVM in den Aufsichtsrat der „Eurobahn KG“.

Walter von Göwels von der CDU Münster soll für den Zweckverband Mobilität Münsterland (ZVM) in den Aufsichtsrat der Eurobahn KG einziehen. (Foto: CDU Münster)

Der Münstersche CDU-Kommunalpolitiker Walter von Göwels gehört nicht nur dem Rat der Stadt Münster an, sondern ist für diesen auch in den Ausschüssen für Stadtplanung und Stadtentwicklung sowie für Verkehr und Mobilität, deren 2. Stellvertrender Vorsitzender er ist, sowie im Aufsichtsrat der Stadtwerke Münster GmbH, dessen Vorsitzender er ist, tätig. Zudem gehört er für den Rat der Stadt Münster den Verbandsversammlungen des Zweckverbandes Mobilität Münsterland (ZVM), dem Zweckverband Nahverkehr Westfalen-Lippe (NWL) und der Westfälische Landeseisenbahn GmbH (WLE) an. Bei seiner Wahl zum Vorsitzenden der ZVM-Versammlung im Dezember 2020 erklärte Walter von Göwels laut Webseite der CDU Münster: „Die kommunale Zusammenarbeit im Münsterland muss angesichts des demografischen Wandels und des Klimaschutzes den öffentlichen Verkehr auf der Schiene und der Straße als gemeinsames System umfassen.“

Eurobahn-Premiere in der Pfalz

1998 wurde die Eurobahn Verkehrsgesellschaft mbH & Co KG mit Sitz in Wachenheim an der Weinstraße (Rheinland-Pfalz) gegründet. Die Gesellschafter waren zunächst Via Générale de Transport et d’Industrie, ab 1999 ein Tochterunternehmen der staatlichen französischen SNCF, mit 60 Prozent und Rhenus mit Sitz in Holzwickede, die zum Rethmann-Konzern gehört, mit 40 Prozent.

Ab Ende Mai 1999 fuhr die Eurobahn auf der reaktivierten Donnersbergbahn, die in Rheinland-Pfalz von Alzey nach Kirchheimbolanden führt. Ein Jahr später trat die Eurobahn in Nordrhein-Westfalen auf den Fahrplan. Die Ravensberger Bahn und der Lipperländer von Bielefeld nach Rahden beziehungsweise nach Lemgo wurden fortan mit Zügen der Eurobahn bedient. Im selben Jahr wurde mit einem Tochterunternehmen in Sachsen Schienenpersonennahverkehr auf der Bahnstrecke von Freiberg nach Holzhau angeboten.

Nach nur drei Jahren wurde im September 2001 die Eurobahn Verkehrsgesellschaft zur Rhenus Keolis mit Sitz in Mainz. Dabei übernahmen die Südmünsterländer Rethmann-Tochter Rhenus aus Selm mit 51 Prozent die Mehrheit. Die französische Keolis erhielt 49 Prozent. Die Eisenbahnbetriebe Alzey, Bielefeld und Freiberg sowie Busbetriebe in Bad Kreuznach und Zweibrücken gehörten damals zu Rhenus Keolis mit rund 180 Mitarbeiter*innen.

Anfang Dezember 2007 wurde das Unternehmen in Keolis Deutschland GmbH & Co. KG, die fortan unter dem Namen „eurobahn“ den Betrieb in Bielefeld organisierte, und Rhenus Veniro für den Rest geteilt. Keolis Deutschland übernahm bis 2017 weitere Bahnnetze in Nordrhein-Westfalen und angrenzenden Gebieten.

Eurobahn-Streckennetz am 10. Dezember 2017. (Foto: Keolis; © commons.wikimedia.org)

Vier Jahre später wurde die Eurobahn Opfer ihrer Tiefpreispolitik. Sie hatte in ihren Bewerbungen um Schienenstrecken auf Masse statt auf Preis gesetzt, so dass 2021 anhaltende Betriebsverluste zum Rückzug des Keolis-Mutterkonzern führten. Fortan hieß das Unternehmen „eurobahn GmbH & Co. KG“. Der NWL und andere öffentliche Aufgabenträger gaben dem „neuen“ Unternehmen verbesserte Verträge, so dass der Eisenbahnbetrieb möglichst verlustfrei weitergeführt werden könne. Zum Abschied stattete der französische Staatsbetrieb die Eurobahn mit zusätzlichem Kapital aus und übergab das Unternehmen an die Anwaltskanzlei Noerr, eine Wirtschaftskanzlei mit über 580 Rechtsanwälten, Steuerberatern, Wirtschaftsprüfern und Unternehmensberatern an zehn Standorten in Deutschland. Deren Tochtergesellschaft „Team Treuhand“ übernahm die Gesellschafterstellung und suchte fortan einen neuen Eigentümer.

Krisen über Krisen schütteln die Eurobahn

Eurobahn wurde in den vergangenen Jahren für Fahrgäste nahezu zum Synonym für Fahrtausfälle. Schon 2016, also ein Jahr vor der größten Netzausdehnung des Unternehmens, wurde – begründet mit der personellen Situation – der Fahrbetrieb auf sechs seiner zehn SPNV-Linien eingeschränkt. Auch nach der Übernahme des Teutoburger-Wald-Netzes im Dezember 2017 gab es Probleme. So startete der grenzüberschreitende Betrieb zwischen dem niederländischen Hengelo und dem niedersächsischen Bad Bentheim erst zwei Monate später. Der NWL mahnte die Eurobahn deshalb im Februar 2018 wegen zu starken Einschränkungen mit Zugausfällen, zu geringerer Kapazität und zu schlechter Fahrgastinformation ab. Ende des Jahres kam schon die zweite Abmahnung, die sogar alle vier Eurobahn-Netze betraf.

Ab November 2018 musste aufgrund von Fahrzeugmangel bei der Eurobahn zwischen Minden und Nienburg ein Ersatzzug der Centralbahn AG eingesetzt werden. (Foto: Clic, CC BY-SA 4.0; © commons.wikimedia.org)

Am 26. Juli 2024 gab der NWL bekannt, dass auf der bisherigen Eurobahn-Linie RE 82 (Bielefeld nach Horn-Bad Meinberg beziehungsweise weiter bis Altenbeken) ab dem August bis zum Fahrplanwechsel im Dezember übergangsweise DB Regio Leistungen erbringen wird. Zunächst soll dies bis Dezember 2025 gelten. Ab September 2024 übernahm auch die Centralbahn AG erneut Zugleistungen der Eurobahn. So kamen beim Porta-Express bis Januar diesen Jahres alte, angemietet Triebzüge der Baureihe 425 aus dem Bestand der Deutschen Bahn (DB-Gebrauchtzug) für die Centralbahn zum Einsatz. Seit Februar 2025 und geplant bis Ende des Jahres nimmt im Auftrag der Eurobahn TRI Train Rental die Verkehrs auf der Linie RE 3.

Triebwagen 425 064 (angemietet von DB Gebrauchtzug und ohne Eurobahn-Logos), am ersten Einsatztag, dem 20. September 2024, im Bahnhof Nienburg (Weser). (Foto: Clic, CC BY 4.0; © commons.wikimedia.org)

900 Mitarbeiter*innen aus 26 Nationen

Eurobahn muss aufgepäppelt werden

Ende Januar diesen Jahres beschloss der NWL die Eurobahn zu übernehmen. Sie muss nun aufgepäppelt werden, was insbesondere durch die Gewinnung von zusätzlichem (Fahr-)Personal erfolgen muss. Der Autor dieses Artikels kommentierte am Tag des Beschlusses im Namen von Pro Bahn Münsterland die Übernahme der Eurobahn in die Öffentliche Hand in der WDR Lokalzeit positiv. „Mit einer zeitlich begrenzten Übernahme der Eurobahn durch den NWL können wir unseren Fahrgästen weiterhin verlässliche Verkehrsleistungen anbieten und geben gleichzeitig den Mitarbeitenden eine langfristige, sichere Perspektive“, verdeutliche am Jahresende 2024 der Geschäftsführer des NWL, warum der Ankauf durch den NWL notwendig sei. Festgelegt wurde das ein Aufsichtsrat bei der Eurobahn eingerichtet wird, der sich aus bis zu sieben Mitgliedern zusammensetzen soll. Der NWL darf bis zu zwei Mitglieder entsenden und die Mitgliedszweckverbände jeweils ein Mitglied. Der ZVM entschied sich für Walter von Göwels.

Werner Szybalski

Die Eurobahn – hier auf dem Weg von Münster nach Greven – fährt nun in öffentlicher Trägerschaft. (Foto: Werner Szybalski)

Kommunalpolitik ist kein Geschäftsmodell

Münsterliste gegen Geld für Aufsichtsratstätigkeit

Die Westfälischen Nachrichten berichten in ihrer heutigen Ausgabe (1. Juni 2022) das der Rat der Stadt Münster auf der Sitzung am 14. Juni 2022 beschließen soll, dass die Ratsmitglieder in den städtischen Aufsichtsräten eine zusätzliche Aufwandsentschädigung erhalten sollen.

Dies lehnt die Münsterliste in einer heute veröffentlichten Pressemitteilung ab:

Ein Ratsmandat sollte ein Ehrenamt sein. Tatsächlich wird es für immer mehr Kommunalpolitiker*innen zum Geschäftsmodell mit dem ganz oder teilweise der Lebensunterhalt bestritten wird. Dies führt natürlich dazu, dass die Existenzsicherung durch das Mandat die Unabhängigkeit der Mandatsträger*innen erheblich beeinflusst.

Nun sollen in Münster die Ratsmitglieder zusätzlich für ihre Aufsichtsratstätigkeiten in städtischen Gesellschaften entlohnt werden. „Diese Selbstbedienung ist ein weiterer unverschämter Griff in die öffentlichen Kassen“, erklärt Werner Szybalski, Sprecher der Münsterliste: „Hinzu kommt, dass auch die Parteien finanziell profitieren dürften, denn praktisch alle Ratsgruppierungen müssen einen Teil ihrer Entschädigungen an die jeweilige Partei abführen.“

Mehr Transparenz statt Geld für Ehrenamtliche

Änderungsbedarf sieht die Münsterliste bei den Stadtwerken, der Wohn + Stadtbau, der Westfälische Bauindustrie, der Halle Münsterland, der Wirtschaftsförderung Münster, des Allwetterzoos sowie der Konvoy-Gesellschaft und anderen städtischen Unternehmen allerdings. Die Gesellschafter tagen in Aufsichtsräten hinter verschlossenen Türen. Alle Mandatsträger*innen sind zur Verschwiegenheit verpflichtet, so dass in der Regel etwas illegal durchgestochen werden muss, wenn die Öffentlichkeit sich nicht allein auf die Verlautbarungen der jeweiligen Geschäftsführungen verlassen will. „Alle diese Unternehmen nehmen öffentliche Aufgaben wahr. Deshalb sollten die Einwohner*innen und Nutzer*innen wenn sie schon kein Mitspracherecht haben, zumindest erfahren, was ihr*e gewählten Vertreter*innen diskutieren und welche Vorhaben sie verfolgen“, so Szybalski.

Ratsarbeit ist keine Erwerbsarbeit

„Niemand hat etwas gegen eine angemessene Aufwandsentschädigung für kommunalpolitisches Engagement. Ein Modell zur Finanzierung des eigenen Lebensbedarfs darf aber Kommunalpolitik nicht werden“, unterstreicht Sarah Geselbracht, Sprecherin der Münsterliste. Derzeit würden – laut Westfälischen Nachrichten – zumindest zwei Ratsherren die unmoralische AfD-Praxis des Ex-Ratsherrn Schiller praktizieren und sich neben den Ratsgeldern auch noch durch städtische Gelder finanzierte Eigenanstellungen gönnen. Diese Praxis erhöht die individuelle Abhängigkeit der Mandatsträger*innen noch weiter, was für die Demokratie äußerst schädlich ist.

Eigenbetriebe statt städtische GmbHs

Statt einer Finanzierung der Aufsichtsratstätigkeit für Ratsmitglieder schlägt die Münsterliste vor, die städtischen Einrichtungen aus dem Gesellschaftsdasein mit dem Zwang zu betriebswirtschaftlichen Gewinn wieder zurück in Eigenbetriebe der Stadt zu verwandeln. „Städtisches Eigentum und kommunale Daseinsvorsorge sind kein Steuersparmodell“, betont Szybalski, der fordert: „Die städtischen Einrichtungen sollten für die Einwohner*innen da sein. Bei Eigenbetrieben kontrollieren die bestehenden Ratsausschüsse die Geschäftspolitik. Idealerweise sollte der Rat der Stadt zudem beschließen, die Nutzer*innen an der politischen Kontrolle dieser Einrichtungen zum Beispiel durch Mieter*innenräte bei der Wohn + Stadtbau oder einen Fahrgastrat im ÖPNV (Öffentlicher Personennahverkehr) zu beteiligen.

Ratskoalition verliert die Mehrheit

Mathias Kersting tritt aus der SPD aus

Der Trouble beim Kommunalwahlverlierer SPD Münster hält an. Der Betriebswirt Mathias Kersting verlässt Fraktion und Partei. Er will sich der CDU anschließen. Damit verliert die Ratskoalition von Grünen, SPD und Volt ihre Ein-Stimmen-Mehrheit im Rat der Stadt Münster. Kersting war im Januar diesen Jahres als SPD-Fraktionsvorsitzender zurückgetreten, weil er mit dem zwischen SPD, Grünen und Volt ausgehandelten Koalitionsvertrag nicht zufrieden war. Kersting blieb in der SPD-Fraktion und der Koalitionsvertrag wurde erfolgreich nachverhandelt. Er ist inzwischen in Kraft.

Nun der Eklat: Kersting verrät die Koalition, die SPD und insbesondere natürlich die Wähler*innen in Münster, wobei das Letzte wohl der Betrug an den Wähler*innen ist. Kaum jemand wird am 13. September 2021 bei der SPD-Liste in Münster sein Kreuz gemacht haben, um damit einen voraussichtlich zukünftigen CDUler in den Rat der Stadt zu bringen. Mathias Kersting war einer der Spitzenkandidaten (Platz drei auf der Reserveliste für den Rat – hinter OB-Kandidat Michael Jung und der heutigen Bürgermeisterin Maria Winkel) der SPD. Das Direktmandat in Gremmendorf gewann der CDUler Andreas Nicklas.

Ein Ausschussvorsitz und fünf Aufsichtsratsmandate

Es ist sicherlich nicht falsch, den 35-jährigen Gremmendorfer Mathias Kersting als lokalpolitisches Schwergewicht zu bezeichnen. Immerhin wählte die SPD-Ratsfraktion ihn zu ihrem Vorsitzenden, nachdem Michael Jung sich zurückgezogen hatte. Zudem schickten die Sozialdemokraten Kersting als „Ordentliches stimmberechtigtes Mitglied“ in folgende Ausschüsse und Aufsichtsräte:

  • Hauptausschuss
  • Ausschuss für Wohnen, Liegenschaften, Finanzen und Wirtschaft (Vorsitzender)
  • Sozialholding Klarastift GmbH, Aufsichtsrat
  • Ambulante Dienste Klarastift GmbH, Aufsichtsrat
  • Klarastift Service GmbH, Aufsichtsrat
  • Flughafen Münster-Osnabrück GmbH, Aufsichtsrat
  • Altenzentrum Klarastift gGmbH, Aufsichtsrat
  • Gewerbepark Münster-Loddenheide (GML) GmbH, Fachbeirat

Als Stellvertretendes stimmberechtigtes Mitglied gehört Mathias Kersting zudem noch folgenden kommunalen Gremien an:

  • Rechnungsprüfungsausschuss
  • KonvOY GmbH, Aufsichtsrat
  • AirportPark FMO GmbH, Aufsichtsrat
  • Wirtschaftsförderung Münster GmbH, Aufsichtsrat
  • Ausschuss des Wasser- und Bodenverbandes „Münster-Südost“

Nagelprobe für die Koalition schon am Mittwoch?

Am Mittwoch, 19. Mai 2021, ersetzt wegen der Coronapandemie der Hauptauschuss den Rat der Stadt Münster. Getagt wird ab 16.30 Uhr im Congress Saal der Halle Münsterland (Tagesordnung). Dies wäre grundsätzlich kein Problem, so die Stadt Münster, weil der Hauptausschuss die Mehrheitsverhältnisse des Rates abbilden würde. Übermorgen könnte es allerdings anders werden, denn niemand kann den abtrünnigen Kersting, der von der SPD-Fraktion auch in dieses Gremium geschickt wurde, davon abhalten, als Ordentliches stimmberechtigtes Mitglied am Hauptauschuss teilzunehmen. Doch auf meine schriftliche Nachfrage zeigte Mathias Kersting, dass er zu seinem Wort steht: „Ich hatte schon vorher mit der SPD abgestimmt, das ich nicht teilnehme, sondern ein SPD-Mitglied mich vertritt. Daran halte ich mich.“

Kersting ist kein Tsakalidis

Ein ehrenhaftes Verhalten, welches nicht bei jedem Ratsmitglied vorhanden ist. Trotzdem könnte der parteilose Dr. Georgios Tsakalidis, der im September von der Wähler*innen der Münsterliste* in den Rat der Stadt Münster gebracht wurde, nun sein früheres Vorhaben, Mitglied der SPD-Fraktion zu werden, umsetzen. Tsakalidis war nur wenige Wochen nach der erfolgten Wahl aus der Münsterliste, einem inzwischen eingetragenen Verein, ausgetreten. Dies ohne Begründung, wenn man vom Nichterhalt einer Email (von mir abgesendet) absieht (siehe hierzu Westfälische Nachrichten und Die Wiedertäufer). Dies, obwohl auch er unterschrieben hatte, sein Mandat nicht anzunehmen beziehungsweise zurückzugeben, wenn er die Münsterliste verlässt.

* Compliancehinweis: Ich bin gemeinsam mit Dr. Georgios Tsakalidis für die Münsterliste – bunt und international bei der Kommunalwahl angetreten. Ich stand auf Platz zwei hinter Tsakalidis.

Werner Szybalski

Der Austritt von Mathias Kersting hat erhebliche Folgen für die Mehrheitsverhältnisse im Kommunalparlament. Bislang „regierte“ eine Ein-Stimmen-Mehrheit aus Grünen, SPD und Volt im Rat der Stadt Münster. Diese Mehrheit ist weg, weil Kersting weiterhin nicht mit dem Koalitionsvertrag im Reinen ist. Die Wiedertäufer zitieren Mathias Kersting heute so: „Ich bin zu dem Entschluss gelangt, dass ich diese politischen Grundüberzeugungen in der SPD Münster und vor allem der Rathauskoalition aus Grünen, SPD und Volt nicht umsetzen kann.“

Mehrheitsbildung dürfte schwierig werden

Im Oktober vergangenen Jahres fragte Dr. Georgios Tsakalidis, gerade aus der Münsterliste ausgetreten, ob er Mitglied der SPD-Fraktion im Rat der Stadt Münster werden könne. Diese Anfrage, die von mehreren Ratsmitgliedern und Fraktionsangehörigen mir gegenüber bestätigt wurde, verlief aber schnell im Off. Sie wurde damals sofort an Journalist*innen in Münster durchgestochen. Als diese Medienvertreter*innen dann bei Tsakalidis nachfragten, leugnete er sein Ansinnen.

Neuer Mehrheitsbeschaffer? Dr. Georgios Tsakalidis.

Doch angesichts der knappen Verhältnisse, Die Linke hatte früh und nachdrücklich erklärt, dass sie ihren Platz nicht in der Ratskoalition sehe, und auch der ÖDP-Ratsherr Franz Pohlmann hatte sich vergleichbar geäußert, könnte Tsakalidis nun zum neuen Mehrheitsbeschaffer werden. Nach der Wahl hatten Grüne und SPD verdeutlicht, dass sie nur widerwillig mit wechselnden Mehrheiten im Rat arbeiten möchten.

Offen ist aber die Frage, ob sich die SPD und natürlich auch die Grünen und Volt mit Tsakalidis einen Gefallen bereiten würden. Der verloren gegangene Mitstreiter Mathias Kersting hatte zumindest kommunalpolitische Erfahrung und klare politische Vorstellungen für Münsters Entwicklung. In seiner Erklärung schrieb er: „Eine nachhaltige Verkehrswende kann nur mit Angeboten für alle gelingen, eine Verbotspolitik mit dem Feindbild Auto reicht nicht aus. […] Um bezahlbares Wohnen endlich zu schaffen, müssen wir Baugebiete ausweisen und als Stadt selbst bauen. Sinnvolle Nachverdichtungen und neue Baugebiete wieder in Frage zu stellen, das verhindert bezahlbare Mieten.“

Ergänzung um 18.15 Uhr (17. Mai 2021)

CDU-Fraktionschef gewährt Mathias Kersting Gaststatus

In einem CDU-Instagram-Post erklärte heute gegen 14 Uhr der Fraktionsvorsitzende der CDU-Ratsfraktion, Stefan Weber, dass er Mathias Kersting „bis über die von Kersting beantragte Aufnahme in die CDU durch den Kreisvorstand formell entschieden ist“ Gaststatus in der CDU-Ratsfraktion gewährt. Dieses Angebot, so Weber, habe Mathias Kersting angenommen.

Werner Szybalski