„Tarifverträge für alle“

Maidemonstration des DGB Münster

Von Werner Szybalski

„Deutlich mehr als 700 Kolleg:innen auf Demo und Versammlung des DGB Münster“, freute sich am 1. Mai der Mitorganisator Carsten Peters vom DGB Münster. Los ging es um 11 Uhr im Hafen. Von dort zog die offizielle Maidemo des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) durch das Hansaviertel und die Innenstadt zum Prinzipalmarkt. Weiter ging der Protestzug – unter anderem für stärkere Tarifbindung und ein landesweites Tariftreuegesetz – durch die Salzstraße, am Stadthaus I vorbei zur Stubengasse. Dort fand die Kundgebung statt, deren Hauptrednerin in diesem Jahr die GEW-Landesvorsitzende Ayla Çelik war. Sie eröffnete ihren Beitrag mit dem persönlichen Bekenntnis zur „starken und wehrhaften Demokratie“.

Ayla Çelik, Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) in NRW sprach bei der DGB-Maikundgebung auf der Stubengasse. (Fotos: Werner Szybalski)

Unmut bei Dank an die Polizei

Ganz zu Beginn erinnerte Çelik an „die vielen Kolleginnen und Kollegen, die heute nicht dabei sein können, weil sie auch durch ihre heutige Arbeit das Land am 1. Mai am Laufen halten“ würden. Dabei erntete sie zunächst massive Buhrufe, da sie zuallererst der Polizei dankte, was beim linksradikalen Teil des Publikums ganz schlecht ankam. Auch ihr Versuch, diese Demonstrant:innen für die Erfolge der AfD in Deutschland verantwortlich zu machen, kam sehr schlecht an. Der Unmut unter den Zuhörer:innen breitete sich aus und ein ernsthafter Konflikt zwischen Teilen der Versammlung und der Hauptrednerin erschien am Horizont. Doch die hauptamtliche Gewerkschaftlerin erwies sich als Profi und entschärfte den Disput durch geschickten Themenwechsel.

Herausforderungen der Zeit

Die NRW-Chefin der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) wandte sich nämlich den „Herausforderungen der Zeit“ zu: „Der Klimawandel ist noch nicht gestoppt. Die soziale Ungleichheit in Deutschland wächst weiter. Der Mindestlohn muss so hoch sein, dass Menschen davon leben können und auch eine ausreichende Rente gesichert werden kann. Dringend muss Deutschland den Investitionsstau überwinden.“

Der Öffentliche Dienst sei die Grundlage für das soziale Miteinander in der Gesellschaft, betonte Ayla Çelik. Die Gewerkschaften würden das Öffentliche verteidigen, so wie sie auch ihre politischen Errungenschaften verteidigen würden. Beispielhaft nannte Çelik dafür den Acht-Stunden-Tag.

Es war richtig voll auf der Stubengasse, nachdem der Demonstrationszug am Kundgebungsplatz angekommen war.

Tag zum Fordern

„Heute ist nicht nur ein Tag zum Feiern“, rief sie laut in die Menge: „Heute ist auch ein Tag zum Fordern!“ Dies gelte insbesondere für ein Tarifbindungsgesetz für Nordrhein-Westfalen. „Tarifverträge für alle“, sei das gemeinsame Ziel der DGB-Gewerkschaften im Land.

Ayla Çelik erinnerte schließlich daran, dass jährlich 50.000 junge Menschen die Schule ohne Abschluss verließen und dass 2,8 Millionen Menschen keinen Berufsabschluss besitzen würden. Dies allein fordere zum Handeln – auch die Kindergrundsicherung müsse her.

Die Musikerin Nadu musste das Publikum nach der langen Rede der GEW-Chefin zunächst wieder motivieren.

Motivationsrede statt Chapmann-Song

Die Musikerin „Nadu“ sollte nach der Hauptrednerin für gute Stimmung sorgen, doch der Künstlerin war es vor der Bühne zu leer. Sie hatte ihre Gitarre schon umgeschnallt und ein Lied von der amerikanischen Singer-Songwriterin Tracy Chapman angekündigt, als sie umschaltete und eine feurige Motivationsrede hielt. Etwas Musik gab es anschließend auch noch auf die Ohren, so dass auch die letzte Rednerin nicht vor einem leeren Platz sprach.

Kommunalwahlkampf hat begonnen

Die Kommunalwahl am 14. September in Münster war auch bei Demo und Kundgebung zu erkennen, denn fast alle bekannten Kandidaten für das Amt des Oberbürgermeisters in Münster nahmen an der DGB-Veranstaltung teil. Dr. Georg Lunemann (CDU), Tilman Fuchs (Grüne), Stephan Brinktrine (SPD), Maren Berkenheide (Volt) und Roland Scholle (Die Partei) waren am 1. Mai dabei.

Vom Hafen ging es bei der diesjährigen Maidemonstration durch das Hansaviertel und die Innenstadt zum Prinzipalmarkt. Von dort erreichte der Protestzug über die Salzstraße, wo dieses Foto entstand, den Platz an der Stubengasse. Bei der dortigen Kundgebung war Ayla Çelik (kl. Bild), Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft in NRW, Hauptrednerin.

Ratskoalition verliert die Mehrheit

Mathias Kersting tritt aus der SPD aus

Der Trouble beim Kommunalwahlverlierer SPD Münster hält an. Der Betriebswirt Mathias Kersting verlässt Fraktion und Partei. Er will sich der CDU anschließen. Damit verliert die Ratskoalition von Grünen, SPD und Volt ihre Ein-Stimmen-Mehrheit im Rat der Stadt Münster. Kersting war im Januar diesen Jahres als SPD-Fraktionsvorsitzender zurückgetreten, weil er mit dem zwischen SPD, Grünen und Volt ausgehandelten Koalitionsvertrag nicht zufrieden war. Kersting blieb in der SPD-Fraktion und der Koalitionsvertrag wurde erfolgreich nachverhandelt. Er ist inzwischen in Kraft.

Nun der Eklat: Kersting verrät die Koalition, die SPD und insbesondere natürlich die Wähler*innen in Münster, wobei das Letzte wohl der Betrug an den Wähler*innen ist. Kaum jemand wird am 13. September 2021 bei der SPD-Liste in Münster sein Kreuz gemacht haben, um damit einen voraussichtlich zukünftigen CDUler in den Rat der Stadt zu bringen. Mathias Kersting war einer der Spitzenkandidaten (Platz drei auf der Reserveliste für den Rat – hinter OB-Kandidat Michael Jung und der heutigen Bürgermeisterin Maria Winkel) der SPD. Das Direktmandat in Gremmendorf gewann der CDUler Andreas Nicklas.

Ein Ausschussvorsitz und fünf Aufsichtsratsmandate

Es ist sicherlich nicht falsch, den 35-jährigen Gremmendorfer Mathias Kersting als lokalpolitisches Schwergewicht zu bezeichnen. Immerhin wählte die SPD-Ratsfraktion ihn zu ihrem Vorsitzenden, nachdem Michael Jung sich zurückgezogen hatte. Zudem schickten die Sozialdemokraten Kersting als „Ordentliches stimmberechtigtes Mitglied“ in folgende Ausschüsse und Aufsichtsräte:

  • Hauptausschuss
  • Ausschuss für Wohnen, Liegenschaften, Finanzen und Wirtschaft (Vorsitzender)
  • Sozialholding Klarastift GmbH, Aufsichtsrat
  • Ambulante Dienste Klarastift GmbH, Aufsichtsrat
  • Klarastift Service GmbH, Aufsichtsrat
  • Flughafen Münster-Osnabrück GmbH, Aufsichtsrat
  • Altenzentrum Klarastift gGmbH, Aufsichtsrat
  • Gewerbepark Münster-Loddenheide (GML) GmbH, Fachbeirat

Als Stellvertretendes stimmberechtigtes Mitglied gehört Mathias Kersting zudem noch folgenden kommunalen Gremien an:

  • Rechnungsprüfungsausschuss
  • KonvOY GmbH, Aufsichtsrat
  • AirportPark FMO GmbH, Aufsichtsrat
  • Wirtschaftsförderung Münster GmbH, Aufsichtsrat
  • Ausschuss des Wasser- und Bodenverbandes „Münster-Südost“

Nagelprobe für die Koalition schon am Mittwoch?

Am Mittwoch, 19. Mai 2021, ersetzt wegen der Coronapandemie der Hauptauschuss den Rat der Stadt Münster. Getagt wird ab 16.30 Uhr im Congress Saal der Halle Münsterland (Tagesordnung). Dies wäre grundsätzlich kein Problem, so die Stadt Münster, weil der Hauptausschuss die Mehrheitsverhältnisse des Rates abbilden würde. Übermorgen könnte es allerdings anders werden, denn niemand kann den abtrünnigen Kersting, der von der SPD-Fraktion auch in dieses Gremium geschickt wurde, davon abhalten, als Ordentliches stimmberechtigtes Mitglied am Hauptauschuss teilzunehmen. Doch auf meine schriftliche Nachfrage zeigte Mathias Kersting, dass er zu seinem Wort steht: „Ich hatte schon vorher mit der SPD abgestimmt, das ich nicht teilnehme, sondern ein SPD-Mitglied mich vertritt. Daran halte ich mich.“

Kersting ist kein Tsakalidis

Ein ehrenhaftes Verhalten, welches nicht bei jedem Ratsmitglied vorhanden ist. Trotzdem könnte der parteilose Dr. Georgios Tsakalidis, der im September von der Wähler*innen der Münsterliste* in den Rat der Stadt Münster gebracht wurde, nun sein früheres Vorhaben, Mitglied der SPD-Fraktion zu werden, umsetzen. Tsakalidis war nur wenige Wochen nach der erfolgten Wahl aus der Münsterliste, einem inzwischen eingetragenen Verein, ausgetreten. Dies ohne Begründung, wenn man vom Nichterhalt einer Email (von mir abgesendet) absieht (siehe hierzu Westfälische Nachrichten und Die Wiedertäufer). Dies, obwohl auch er unterschrieben hatte, sein Mandat nicht anzunehmen beziehungsweise zurückzugeben, wenn er die Münsterliste verlässt.

* Compliancehinweis: Ich bin gemeinsam mit Dr. Georgios Tsakalidis für die Münsterliste – bunt und international bei der Kommunalwahl angetreten. Ich stand auf Platz zwei hinter Tsakalidis.

Werner Szybalski

Der Austritt von Mathias Kersting hat erhebliche Folgen für die Mehrheitsverhältnisse im Kommunalparlament. Bislang „regierte“ eine Ein-Stimmen-Mehrheit aus Grünen, SPD und Volt im Rat der Stadt Münster. Diese Mehrheit ist weg, weil Kersting weiterhin nicht mit dem Koalitionsvertrag im Reinen ist. Die Wiedertäufer zitieren Mathias Kersting heute so: „Ich bin zu dem Entschluss gelangt, dass ich diese politischen Grundüberzeugungen in der SPD Münster und vor allem der Rathauskoalition aus Grünen, SPD und Volt nicht umsetzen kann.“

Mehrheitsbildung dürfte schwierig werden

Im Oktober vergangenen Jahres fragte Dr. Georgios Tsakalidis, gerade aus der Münsterliste ausgetreten, ob er Mitglied der SPD-Fraktion im Rat der Stadt Münster werden könne. Diese Anfrage, die von mehreren Ratsmitgliedern und Fraktionsangehörigen mir gegenüber bestätigt wurde, verlief aber schnell im Off. Sie wurde damals sofort an Journalist*innen in Münster durchgestochen. Als diese Medienvertreter*innen dann bei Tsakalidis nachfragten, leugnete er sein Ansinnen.

Neuer Mehrheitsbeschaffer? Dr. Georgios Tsakalidis.

Doch angesichts der knappen Verhältnisse, Die Linke hatte früh und nachdrücklich erklärt, dass sie ihren Platz nicht in der Ratskoalition sehe, und auch der ÖDP-Ratsherr Franz Pohlmann hatte sich vergleichbar geäußert, könnte Tsakalidis nun zum neuen Mehrheitsbeschaffer werden. Nach der Wahl hatten Grüne und SPD verdeutlicht, dass sie nur widerwillig mit wechselnden Mehrheiten im Rat arbeiten möchten.

Offen ist aber die Frage, ob sich die SPD und natürlich auch die Grünen und Volt mit Tsakalidis einen Gefallen bereiten würden. Der verloren gegangene Mitstreiter Mathias Kersting hatte zumindest kommunalpolitische Erfahrung und klare politische Vorstellungen für Münsters Entwicklung. In seiner Erklärung schrieb er: „Eine nachhaltige Verkehrswende kann nur mit Angeboten für alle gelingen, eine Verbotspolitik mit dem Feindbild Auto reicht nicht aus. […] Um bezahlbares Wohnen endlich zu schaffen, müssen wir Baugebiete ausweisen und als Stadt selbst bauen. Sinnvolle Nachverdichtungen und neue Baugebiete wieder in Frage zu stellen, das verhindert bezahlbare Mieten.“

Ergänzung um 18.15 Uhr (17. Mai 2021)

CDU-Fraktionschef gewährt Mathias Kersting Gaststatus

In einem CDU-Instagram-Post erklärte heute gegen 14 Uhr der Fraktionsvorsitzende der CDU-Ratsfraktion, Stefan Weber, dass er Mathias Kersting „bis über die von Kersting beantragte Aufnahme in die CDU durch den Kreisvorstand formell entschieden ist“ Gaststatus in der CDU-Ratsfraktion gewährt. Dieses Angebot, so Weber, habe Mathias Kersting angenommen.

Werner Szybalski

Bleibt das Rumpelstübchen?

Rumphorst. Quartiersmanagement ist das neue Zauberwort für Stadtteilentwicklung – auch in Münster. Am Bremer Platz, in Hiltrup, in Handorf, in Coerde und seit einigen Jahren auch schon in Rumphorst sollen durch Quartiersmanagement Stadtteile systematisch entwickelt werden. „Die Lebenslagen und Quartiere benachteiligter und ausgegrenzter Gruppen sollen dadurch verbessert werden“, heißt es auf einer Webseite der katholischen Caritas. Die Beteiligung der Bürger*innen sei wichtig. Fachkräfte in Quartiersbüros, Stadtteilmoderatoren und Gebietsbeauftragte sollen das Zusammenspiel staatlicher, zivilgesellschaftlicher und privater Akteure in Bereichen wie Wohnen, Gesundheit, Verkehr, Umwelt und Freizeit diskutieren und (weiter-)entwickeln. Dafür wurde in Rumphorst das Rumpelstübchen am Rostockweg eingerichtet. Ende September wurde das Ladenlokal geräumt.

„Wir wollen Nachbarschaften stärken und Generationen zusammenbringen“, sagte Marc Gottwald-Kobras gegenüber den Westfälischen Nachrichten Ende November 2018, als unter Leitung der Diakonie das Rumpelstübchen am Rostockweg eröffnet wurde. Ziel sei, so der hauptamtliche Diakonie-Mitarbeiter damals, die Menschen in Rumphorst mit der Räumlichkeit zu unterstützen, damit diese selber Angebote für die Menschen in Rumphorst schaffen könnten. Es gehe auch um Teilhabe für die Menschen im Quartier, wird Diakonie-Geschäftsführerin Marion Kahn in der Tageszeitung zitiert.

Das „Rumpelstübchen“, der Vierteltreff für Rumphorst, am Rostockweg ist derzeit geschlossen. (Foto: Werner Szybalski)

Die Stadt Münster lässt für diese Quartiersentwicklung einiges kosten. So wurde im Februar im Sozialausschuss des Rates mit elf Ja-Stimmen (Grüne, SPD, Linke und Volt) gegen sieben Nein-Stimmen von (CDU und FDP) beschlossen, in diesem Jahr 180.000 Euro für Quartiersentwicklung im Stadtteil Rumphorst auszugeben. Der Rat bestätigte am 17. März den Beschluss des Sozialausschusses. In den kommenden Jahren wird die Diakonie jeweils 110.000 Euro von der Stadt Münster für ihr Engagement in Rumphorst erhalten.

Nachbarschaft organisiert sich

Parallel mit dem zweiten Quartiersprojekt der Diakonie in Rumphorst fand sich durch einen Aufruf der bundesweiten Nachbarschaftsseite „nebenan.de“ eine Gruppe interessierter Rumphorster*innen zusammen. Aus der Gruppe, die sich erstmals im November 2016 in der Kleingartenanlage Schnorrenburg traf, wird derzeit ein Verein. „Am 30. April wollen wir uns so konstituieren, dass wir ein eingetragener Verein werden“, erläuterte Wolfgang Bensberg, Mitglied bei Rumphorst-Viertel i.Gr., gegenüber Vielfalt!.

Wolfgang Bensberg

Dennoch ist Bensberg frustriert. Ihm gefallen die Geschehnisse der vergangenen Wochen und Monate nicht: „Wir haben damals für das Rumpelstübchen den Mietvertrag ausgehandelt. Gekündigt wurde dieser mit der Diakonie – ohne uns zu informieren.“ Auch sei sein Verein, weder von der Diakonie selbst, noch von der Stadt Münster oder den Lokalpolitiker*innen, vor der Ratsabstimmung über den umfangreichen Haushaltsantrag informiert worden. „Das neue Objekt, die ehemalige Backstube am Hohen Heckenweg ist sicherlich als Vierteltreff geeignet – die Miete empfinden wir aber als zu hoch. Auch nimmt die Diakonie damit potentiellen Gewerbetreibenden Immobilien weg und treibt zudem die Pachtpreise hoch. Am schlimmsten ist aber, dass wir Bürger*innen überhaupt nicht in die Planungen involviert wurden“, ärgert sich Wolfgang Bensberg.

Nur 5000 Euro für ehrenamtliche Arbeit im Rumphorst-Viertel

Die Aktiven im Verein wollen gern ehrenamtliche Arbeit im Rumphorst-Viertel leisten. Auf ihre kostenfreie Mitarbeit und die ehrenamtlichen Angebote baut laut Antrag auch die Diakonie. Allerdings sind für „Veranstaltungen, Gruppenangebote, Lebensmittel und Getränke“ nur 5000 Euro im Jahr vorgesehen.

Das Rumpelstübchen dürfte also bleiben, wenn auch zukünftig an einem anderen Standort. Ob die engagierten Einwohner*innen im Verein Rumphorst-Viertel zusätzlich in den alten Räumlichkeiten ihre ehrenamtlichen Angebote unterbreiten können, dürfte ohne finanzielle Unterstützung der Stadt fraglich sein.


KOMMENTAR

Quartiersentwicklung ist insbesondere für die Stadtteile eine vielversprechende Perspektive. Dabei sollten aber die Menschen im Quartier im Mittelpunkt stehen. In Rumphorst wird deutlich, dass das Instrument Quartiersmanagement in Münster zuallererst ein neuer Geschäftszweig für etablierte Sozialverbände ist. Die sich selbst organisierenden Einwohner*innen werden weder von Verwaltung oder Politik noch vom Empfänger der kommunalen Gelder von den Planungen und der zukünftigen Entwicklungen in ihrem Stadtteil informiert. Der Verein Rump- horst-Viertel wurde von Stadt und Diakonie einfach vor vollendete Tatsachen gestellt: friss oder stirb.

Dies ist inakzeptabel. Stadtteile leben von und durch die dort wohnenden Menschen. Amtliche Mitarbeiter*innen des Quartiersmanagements – gerade wenn diese von außerhalb des Stadtteils kommen – können keine echten Akteur*innen in dem notwendigen Prozess der Weiterentwicklung eines Viertels sein. Selbstorganisation und Selbstbestimmung stehen bei der aktuellen grün-rot-violetten Ratsmehrheit aber offensichtlich nicht auf der Agenda. Top-down ist deren Marschrichtung. So werden öffentliche Gelder verprasst, ohne dass die Bewohner*innen ihr Wohnquartier nach ihren Vorstellungen entwickeln können.

Werner Szybalski

Aufstehen in Münster

Am Mittwoch (23. Januar 2019) luden die Aktivisten der Bewegung „Aufstehen“, die nach eigener Aussage in der Domstadt 600 „Mitglieder“ habe, zum ersten Mal zu einer öffentlichen Veranstaltung in Münster ein. Rund 200 Interessierte aus Münster, dem Münsterland aber auch aus Osnabrück, dem Ruhrgebiet und selbst aus der Rheinschiene kamen ins Bennohaus, um die Aktivisten sowie die Promis zu hören.

Angekündigt zur Auftaktveranstaltung von Aufstehen in Münster war neben Marco Bülow (links) und Steve Hudson auch Sevim Dagdelen, Bundestagsabgeordnete der Linken. Sie war aber erkrankt. Bild: Aufstehen Münster (facebook)

Zunächst war Stühlerücken angesagt, denn offensichtlich hatte selbst die Orga-Gruppe von Aufstehen Münster unter Leitung von Matthias Gößling nicht mit einem so großen Interesse gerechnet. Auf dem Podium begrüßete Frank Kemper, Mitarbeiter des MdB Alexander Neu und selbst Mitglied der Partei Die Linke, die Gäste und das mit drei (Ex-)SPDlern besetzte Podium.

Den Auftakt machte der Britte Steve Hudson (Köln), der zunächst seine gelbe Warnweste suchte. Er fand sie erst später wieder, konnte dann seine Solidarität mit der französischen Bewegung „Mouvement des Gilets jaunes“, die jüngst verkündete, zur Europawahl mit einer eigenen Liste anzutreten, doch noch auf der Bühne deutlich machen. Der Sozialdemokrat, Mitglied der SPD und von Labour, erinnerte an die unsoziale Vermögensverteilung in Deutschland, Europa und der Welt: „Das ist ungerecht – aber wir sehen am Beispiel Frankreich, dass Änderungen möglich sind. Wir müssen aufstehen – und zwar möglichst viele!“

MdB Marco Bülow, bis vor kurzem SPD-Mitglied, forderte von der Politik mehr Mitbestimmung der Menschen ein.

Ins gleiche Horn stieß Marco Bülow (Dortmund), seit seinem Parteiaustritt aus der SPD Ende vergangenen Jahres fraktionsloser Abgeordneter im Deutschen Bundestag. Der in der Westfalenmetropole direkt auf SPD-Ticket in das Berliner Parlament gewählte Bülow hob den Verlust von Demokratie, insbesondere durch die unzähligen Lobbyisten in Berlin, hervor: „Die schreiben sogar an den Gesetzen mit.“

Die Basisaktivistin Andrea Schaaf (Köln) berichtete von der erfolgreichen Gründung der Kölner Aufstehen-Initiative. Wichtig war ihr, dass Aufstehen gesehen wird. „Wir waren gestern in Aachen, wo Merkel und Macron einen neuen Vertrag unterzeichneten. Durch unsere gelben Westen und den großen weißen Ballon mit dem Aufdruck Aufstehen wurden wir für viele Interessierte zum Anlaufpunkt. Es tut gut zu diskutieren und zu merken, dass wir viele Unterstützer haben, die eine andere, sozial gerechtere Politik wollen.“

Zwischen den Reden ließ Frank Kemper die Anwesenden das tun, was die Initiatoren von möglichst Vielen erwarten – aufstehen und ins Gespräch kommen. Aber auch Statements und Nachfragen waren möglich. So wurde unter anderem diskutiert, wie das korrekte Verhalten gegenüber AfD-Anhängern bei Aktionen oder Demonstrationen sei. Für Bülow ein einfach zu lösendes Problem: „Frag ihn, ob er nach oben oder nach unten tritt!“ Den Anwesenden war schließlich klar: „Die Aufregung darf nicht von rechts, sie muss von links kommen.“

Abfrage der Parteipräferenzen der Aufstehen-Interessenten durch die Vorbereitungsgruppe auf Facebook (57 Teilnehmer).

Im Vorfeld hatte die Initiative bei Facebook ihre Interessenten nach deren Parteipräferenz gefragt. Rund 60 Prozent tendieren zu der Linken, knapp 20 Prozent bevorzugen die SPD und knapp zehn Prozent würden die Grünen wählen. Bei der Versammlung im Bennohaus zeigten bei der Nachfrage nach Mitgliedschaft in einer Partei lediglich ein Drittel auf.

Von den Grünen war nur vom Podium etwas zu hören; nämlich dass die Parteijugend gelegentlich Seit an Seit mit Aufstehen auf Demonstrationen unterwegs sei. Die SPD war insbesondere durch das Podium selbst vertreten; aber durchaus schlecht, da zwei Referenten den früheren Tanker der deutschen Arbeitnehmerschaft schon verlassen hatten. Bleiben die Linken.

Der Kreisverband hatte sich schon frühzeitig auf einer Mitgliederversammlung von der Initiative von Sarah Wagenknecht und ihrer innerparteilichen Gefolgschaft distanziert. Trotzdem gehören zwei Mitglieder des münsterschen Kreisverbandes zum Orga-Team von Matthias Gößling. Im Publikum waren auch einige weitere Linke zu sehen, wobei der Fraktionsvorsitzende Rüdiger Sagel sicherlich nur als Beobachter da war. Schließlich hat sich Ex-MdL Sagel schon mehrfach – unter anderem auf Facebook – klar gegen Aufstehen positioniert.

Das nächste Aktiventreffen von Aufstehen in Münster findet am Montag, dem 11. Februar, von 19.30 Uhr bis 21 Uhr im Nebenan vom Garbo an der Warendorfer Straße statt.