Zentralisierung im Nahverkehr auf der Schiene soll kommen

Landesregierung will Strukturreform im SPNV in diesem Jahr umsetzen

„Wir streben gemeinsam mit den Verkehrsverbünden und den Kommunen eine effizientere und einheitlichere Organisation des SPNV an“, heißt es im Zukunftsvertrag zwischen CDU und Bündnis 90/Die Grünen, der Grundlage für die aktuelle NRW-Landesregierung. Im September vergangenen Jahres veröffentlichte das Ministerium für Umwelt, Naturschutz und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen ein Gutachten (Eckpunktepapier) mit Vorschlägen zur Reform der Organisation im Schienenpersonennahverkehr (SPNV). Planung, Organisation und Ausgestaltung des kommunalen Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) soll laut Pressemitteilung des Verkehrsministeriums „eine Aufgabe der Kreise und kreisfreien Städte beziehungsweise der mittleren und großen kreisangehörigen Städte mit eigenem Verkehrsunternehmen“ bleiben.

Die drei Aufgabenträger go.rheinland, NWL und VRR sollen zu einem einzigen Aufgabenträger für den SPNV zusammengeführt werden. Entsprechende Pläne wurden Anfang Februar 2025 von NRW-Verkehrsminister Oliver Krischer (Bündnis 90/Die Grünen) vorgestellt. Dadurch, so Oliver Krischer, könnten zukünftig die Leistungen für den regionalen Schienenverkehr von einer zentralen Stelle ausgeschrieben und vergeben werden. Dies soll auch die Verhandlungsposition des Landes gegenüber den großen Verkehrsunternehmen stärken.

Pro Bahn NRW sieht Reform positiv

Der Fahrgastverband Pro Bahn in NRW sieht diese Plänen grundsätzlich positiv, wie es in einem noch nicht veröffentlichtem Positionspapier heißt: „Die Verschmelzung ermöglicht gleichzeitig eine Überarbeitung der Strukturen, Mitspracherechte, Aufgaben und Kompetenzen, um den ÖPNV zukünftig zeitgemäßer und höherwertiger gestalten zu können.“ Es könne ein ganz großer Wurf werden, so Pro Bahn, wenn nicht nur die landesweite Vergabe von SPNV-Verträgen betrachtet, sondern gleichzeitig auch das ÖPNV-Gesetz insgesamt nutzer- und fahrgastorientiert würde.

Pro Bahn NRW, im Bild die Vorständler Axel Sindram (v.l.n.r.), Detlef Neuß (zugleich Bundesvorsitzender), Rainer Engel und Andreas Schröder (Vorsitzender), setzt große Erwartungen in die SPNV-Strukturreform des Landes. (Foto: Werner Szybalski)

Was soll verändert werden?

Durch die drei Verbünde gäbe es derzeit „Ineffizienzen“: „S-Bahn-Takte sind nicht aufeinander abgestimmt. Es gibt viele Gremien und lange Entscheidungswege, die oft wichtige Entscheidungen unnötig verzögern“, kritisierte Anfang Februar diesen Jahres der NRW-Verkehrsminister im Interview mit WDR5. Deshalb wolle das Ministerium gemeinsam mit den drei Aufgabenträgern deren Zusammenlegung erarbeiten. NWL (Gebiet: Westfalen-Lippe ohne Ruhrgebiet), go.rheinland (Raum Köln, Bonn und Aachen) und VRR (Niederrhein und Ruhrgebiet) sind in NRW die entscheidenden Stellen für Planung und Organisation des Regionalen SPNV. Sie legen unter anderem fest, wo wann wie viele Züge fahren sollen. Nach der Planung werden die Bahnverbindungen ausgeschrieben. Verkehrsunternehmen bewerben sich um den Zuschlag zum Betrieb.

Aufgabenträger seien durch Dreiteilung in schwacher Position

Der britische National Express bedient zur Zeit die RE7 von Rheine über Münster, Hamm, Hagen, Soligen, Köln, Neuss nach Krefeld. (Foto: Werner Szybalski)

Oliver Krischer sieht die drei Aufgabenträger in einer schwachen Position gegenüber den Auftragnehmern. Zu ihnen gehören zum Beispiel die DB Regio NRW oder das britische Unternehmen National Express. Warum der Minister dieser Auffassung ist, wird nicht wirklich deutlich, auch wenn es natürlich erhebliche Abstimmungsprobleme zwischen den drei Aufgabenträgern in NRW gibt. Trotzdem stehen diese Drei ihrem drohenden Aufgabenverlust oder gar der ihrer Existenz nicht grundsätzlich negativ gegenüber. Der WDR berichtete, dass zum Beispiel der ehemalige NRW-Verkehrsminister und heutige VRR-Vorstandssprecher Oliver Wittke (CDU) glaube, dass es „der richtige Weg“ zu mehr Effizienz „im Sinne der Kunden“ und besserer Verhandlungsposition gegenüber den Regionalbahnunternehmen führe. Go.Rheinland teilte dem WDR mit, dass eine Neuverteilung der Aufgaben zwar auch Gefahren beinhalte, jedoch die Pläne des Ministeriums nachvollziehbar seien.

NWL fordert Beibehaltung von bewährten Strukturen und regionalen Kompetenzen

Laut Pressemitteilung vom 11. Februar diesen Jahres begrüßt auch der NWL „eine Vereinheitlichung wesentlicher Aufgaben des SPNV grundsätzlich“, wolle sich aber konstruktiv in den Umsetzungsprozess einbringen. Dabei sei den Mitgliedern des NWL (19 kommunale Gebietskörperschaften) wichtig, dass die kommunale Ebene weiterhin auch im SPNV ausreichende Berücksichtigung findet: „Wir sind offen für eine SPNV-Reform, die Synergien nutzt, ohne dabei bewährte Strukturen und regionale Kompetenzen zu schwächen.“

Gebiet des Aufgabenträgers Nahverkehr Westfalen-Lippe (NWL). (Grafik: nwl-info.de)

Die Fusion der drei bestehenden SPNV-Aufgabenträger in kommunaler Trägerschaft, wobei die Verantwortung weiterhin bei den Kommunen liegen solle, und gleichzeitig eine effizientere Steuerung möglich wäre, sieht der NWL kritisch: „Der politische Diskurs in Westfalen-Lippe ist in diesem Punkt bereits offen und transparent geführt worden. Viele Stimmen haben sich gegen eine kommunale Trägerschaft ausgesprochen – mit dem Hauptargument, dass sich ein kommunaler Träger auf langfristige Entscheidungen zur Planung, Ausgestaltung und Organisation des SPNV einlassen und Verantwortung für Verträge mit Laufzeiten von bis zu 20 Jahren übernehmen muss. Eine dazu erforderliche Finanzierungszusage von Bund und Ländern ist aber nicht ansatzweise in dieser Laufzeit gegeben. Das Umlagerisiko für eine Kommune ist damit hoch, Finanzierungsspielräume sind angesichts schwieriger Haushaltslagen nicht gegeben. Gerade hier muss im politischen Diskurs ein zielführendes Angebot gemacht werden, die Erfüllung dieser Anforderung ist aus Sicht der NWL-Politik ein erfolgskritischer Faktor im Reformprozess.“

Bietet Chancen und birgt Herausforderungen

Eine Reform des SPNV bietet Chancen und birgt Herausforderungen, die aus Sicht des NWL die folgenden Aspekte zwingend berücksichtigen sollte:

  • Chance zur Effizienzsteigerung nutzen: Die Reduktion von Doppelstrukturen und eine bessere Koordinierung könnten Prozesse optimieren.
  • Herausforderung Regionale Spezifika berücksichtigen: Eine zentralisierte Struktur darf nicht dazu führen, dass regionale Bedarfe und Besonderheiten in den Hintergrund treten.
  • Chance zur Fahrgastorientierung: Eine Reform darf nicht auf eine reine Verwaltungsstrukturreform hinauslaufen, sondern muss sich an einer spürbaren Verbesserung für die Fahrgäste orientieren.
  • Herausforderung bei Unsicherheit in der Mitarbeiterschaft: Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der bestehenden Organisationen müssen Klarheit über ihre berufliche Zukunft erhalten, um Unsicherheiten zu vermeiden.

Der NWL wird sich in den Entwicklungsprozess des Ministeriums konstruktiv und sachlich einbringen, um idealerweise im Zuge der Novellierung des ÖPNV-Gesetzes auch Lösungen für die Herausforderungen entwickelt und die Chancen bestmöglich realisiert werden. 

Fahrgastverband stellt Forderungen

Die DB Regio NRW ist ein großer Akteur im SPNV in Nordrhein-Westfalen. Im Bild die RB64 von Enschede nach Münster beim Stop in Gronau. (Foto: Werner Szybalski)

Für Pro Bahn NRW wird die Zusammenlegung der Aufgabenträger für diese zu mehr Marktmacht und damit mehr Durchschlagskraft bei allen Aspekten der Infrastruktur und Qualität führen. Um den ganz großen Wurf zu schaffen, fordert der Fahrgastverband:

  • Der neue Aufgabenträger sollte den öffentlichen Verkehr als wichtigen Faktor der der Landes- und Strukturentwicklung aktiv gestalten können. Weiterhin muss der neue Aufgabenträger seine Fahrgastfreundlichkeit in vielen Bereichen steigern.
  • Lösungsorientiertere Zusammenarbeit des neuen Aufgabenträgers mit Kommunen und Einführung einer Ebene regional verorteter, beratender Gremien.
  • Überwindung des Spannungsfeldes zwischen zentraler Entscheidung und lokaler Mitwirkung durch geeignete regionale schlanke Strukturen, die von unten nach oben Einfluss nehmen, aber nicht blockieren können.
  • Zusammenlegung der SPNV-Aufgabenträger mit landesweit harmonisierter Struktur und Tarifen.
  • Mitwirkung der Fahrgastverbände und anderer Nutzerinteressen in allen Gremien.
  • Transparenz durch Öffentlichkeit aller Sitzungen, Vorlagen und Dokumente (ausgenommen Wettbewerb und Personelles).

Damit geht der Fahrgastverband mit seinen Vorstellungen offensichtlich weit über die ursprünglichen Ideen der Landesregierung hinaus. Es wird sicherlich noch sehr interessant, was Verkehrsministerium und die Landespolitik bis zur Verabschiedung der Strukturreform für den SPNV in Nordrhein-Westfalen diskutieren wollen. Nur die Aufgabenträger zusammenzulegen, um eine bessere Verhandlungsposition bei Vergaben zu erhalten, ist vermutlich nicht den Aufwand wert, der bislang schon betrieben wurde.

KOMMENTAR

Nahverkehr auf der Schiene muss nicht profitieren

Die geplante Strukturreform wird sicherlich die Position des einen Aufgabenträgers gegenüber den SPNV anbietenden Unternehmen verbessern. Ob zugleich auch Verbesserungen für die Nutzer*innen sowie für die kommunalen Gebietskörperschaften, die ins finanzielle Risiko eingebettet werden könnten, entstehen, darf zur Zeit kritisch hinterfragt werden. Dies hat der NWL mit seinen Verbandsvertreter*innen zweifelsfrei deutlich gemacht. Natürlich wäre es sehr wünschenswert, wenn der Fahrgastverband Pro Bahn von Landesverwaltung, dem oder den Aufgabenträgern und den Landespolitiker*innen nicht nur gehört würde, sondern mit seinen Vorschlägen im neuen Gesetz Beachtung fände. Anderenfalls ist keineswegs gewährleistet, dass der Schienenpersonennahverkehr in NRW von der Strukturreform – auch für die Nutzer*innen – profitiert. Werner Szybalski

Münster könnte Vorzeigestadt werden

Ergebnis der Bundestagswahl vom 23. Februar stärkt den ländlichen Raum

Von Werner Szybalski

Wenig überraschend erreichte die CDU bei der vorgezogenen Bundestagswahl die meisten Stimmen aller Parteien. Dies im Bund, in Nordrhein-Westfalen aber nicht in Münster. Trotzdem könnte durch die drei westfälischen Christdemokraten Friedrich Merz (Sauerland), dem designierten zukünftigen Bundeskanzler, dem CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann (Paderborn) und dem Atomkraftbefürworter Jens Spahn (Borken) aus dem westlichen Münsterland, die alle drei Führungsaufgaben in der Bundesrepublik übernehmen dürften, in Zeiten globaler Krisen die Bundesregierung provinzieller sein wird. Davon dürfte auch die ehemalige Provinzialhauptstadt Münster profitieren, denn in der konservativen, schwarz-grünen und noch immer katholischen Stadt ticken die Uhren so, wie sich die drei genannten CDU-Politiker es sich für die Zukunft wünschen dürften. Münster könnte die Vorzeigestadt für die CDU werden, obwohl die Christdemokraten nur auf Rang zwei in der Domstadt stehen.

Großstadt zu sein, aber eher ländlich strukturiert – der Wandel der vergangenen Jahrzehnte ist in Münster kaum zu spüren. Zwar gab es positive, zukunftsgewandte Veränderungen; doch alles dauert in der Domstadt ewig lange. Ein gutes Beispiel ist die Anerkennung des preußischen Fußballclubs durch die Stadtoberen. Es hat rund 100 Jahre gedauert, bis endlich auch Poahlbürger rund um den Prinzipalmarkt sich hinter den Verein stellten, was sich aktuell durch den Ausbau des LVM-Preußenstadions an der Hammer Straße offen zeigt. Zudem gibt es in Münster einzelne soziale (Münster-Pass, MünsterAbo), ökologische (Rieselfelder, Umwelthaus) und kulturelle (Skulptur Projekte, Freie Szene) Entscheidungen, die einen Blick in die Zukunft erlauben. Allerdings dienen sie auch dazu, den Einwohner*innen ein ruhiges Gewissen zu bereiten und sie so weiterhin gut schlafen zu lassen.

In Westfalen ist es ruhig, aber weltweit wird gezündelt oder brennt es schon

Es ist nicht überall in der Welt so ruhig wie an der Aa beziehungsweise zwischen dem Kahlen Asten und Ibbenbüren sowie zwischen Höxter und Bocholt. Putin, Netanjahu, Xi Jinping und nicht zuletzt Trump machen die Welt gewaltsamer und damit natürlich auch erheblich unsicherer. Ob da ein provinzieller Kanzler aus dem Sauerland in einem zudem nach rechts driftendem Europa in der Lage ist, eine der größten Volkswirtschaften weltweit politisch so zu führen, dass zukünftig Deutschland gehört wird?

Angesichts des Wahlergebnisses vom 23. Februar 2025 ist damit zu rechnen, dass es Friedrich Merz tatsächlich schafft, sich schnell zum deutschen Bundeskanzler wählen zu lassen. Schließlich kommt, da Merz offensichtlich weiterhin kein festes Bündnis mit den teilweise rechtsradikalen Abgeordneten der AfD eingehen will, nur die gescheiterte SPD als Koalitionspartner in Frage. Angesichts ihrer Schwächen, sowohl im Wahlergebnis als auch im Personal, wird die Klingbeil-SPD nicht zu viele Schwierigkeiten bei der Koalitionsbildung machen.

Schwarz-rot muss es richten

Die Neuauflage der schwarz-roten Koalition wird ohne Ex-Kanzlerin Angela Merkel und Ex-Kanzler Olaf Scholz trotzdem innenpolitisch den Merkel-Kurs fahren müssen. Schließlich wird der Kanzler außenpolitisch extrem gefordert sein, so dass die Reste des ehemaligen stolzen Polittankers deutsche Sozialdemokratie sich, trotz der möglichen Übernahme des Außenministeriums durch die SPD, schwerpunktmäßig mit sozialer Politik befassen kann. Unterstützt durch die gestärkte linke Fraktion im Bundestag könnte so unter anderem der Mietendeckel und auch das Deutschland-Ticket verlängert werden. Selbst die Anhebung des Mindestlohns ist nicht unwahrscheinlich. Offen bleibt die Androhung von Kürzungen beim Bürgergeld, dass vermutlich aber nur einen neuen Namen bekommen dürfte.

Durch Trennung von Sicherheits- und Migrationspolitik die AfD bekämpfen

Befreit von den migrationsfeindlichen Parteien FDP und BSW, die beide an der Fünf-Prozent-Hürde scheiterten, kann Merz nun durch eine klare Trennung von Sicherheits- und Migrationspolitik, auch bei leider nicht unwahrscheinlichen zukünftigen Attentaten auch von Menschen mit Migrationsvorgeschichte, daran gehen, seinen alten Plan „Halbierung der AfD“ in die Praxis umzusetzen. Dazu muss er nur die schon sehr restriktive EU-Migrationspolitik fortführen und zukünftig keine Wolkenkuckucksheime (per Dekret Grenzen schließen, Abschiebekandidat*innen verhaften oder Menschenrechte außer Kraft setzen) mehr bauen.

In der Steuerpolitik, die Vorschläge im Wahlkampf nahm praktisch niemand ernst, und der Wirtschaftspolitik werden die von Trump geplanten Einfuhrsteuern und die Lockerung der Schuldenbremse die Agenda bestimmen. Im verbalen Kampf gegen Windkraftanlagen wird sich der Bundeskanzler Friedrich Merz vermutlich am NRW-Ministerpräsidenten Wüst orientieren, so dass die Energiepolitik der Ampel fortgesetzt wird, auch wenn an einzelnen Gesetzen (Heizungsgesetz) optisch manipuliert werden wird.

Junge Menschen entdecken wieder ihr soziales Gewissen

Hoffnung macht, dass bei den jüngsten Wähler*innen, wie übrigens auch überwiegend bei den U18-Wahlen an den Schulen in Münster und NRW die Linke die meisten Stimmen erhält. Die Partei selbst, wie auch die meisten Wahlanalytiker, führt dies darauf zurück, dass sie einen konsequenten Wahlkampf mit sozial Themen (Mietendeckel, Mehrwertsteueraus für Grundnahrungsmitte, „Milliardäre abschaffen“) geführt hat. Auch war sie die einzige Partei, die konsequent ohne Migrantenhetze Wahlkampf betrieb.

Gefahren drohen durch die Merz-Regierung aber auch

Die größte Gefahr dürfte in der Schwäche von Friedrich Merz liegen, der zu oft impulsiv agiert. Aufreger – insbesondere auf dem internationalen Parkett – wird es für den im Regieren völlig unerfahrenen Sauerländer genügend geben. Auch könnte die zukünftige militärische Unterstützung der Ukraine durch Merz beängstigend werden. Zudem ist Merz kein Hoffnungsträger für die Bedrohung der Palästinenser*innen durch Israel und Trump und der Kurd*innen durch Erdogan und den möglichen Abzug der US-Militärs aus Nordost-Syrien. Innenpolitisch dürfte das Kabinett Merz vor allem finanziell den unteren Mittelstand sowie Länder und Kommunen schröpfen. Und als größtes Schreckgespenst geistert die mögliche Ernennung eine Verkehrsministers aus den Reihen der CSU durch die Republik.

2025 wird es in Deutschland kälter

Kanzler Scholz beendet Ampel-Regierung – Bundestagsneuwahlen am 23. Februar 2025

Dieser Beitrag erscheint in der Sperre, Ausgabe Winter 2024, die Anfang Dezember kostenfrei in Münster verteilt wird.

Kamala Harris und mit ihr die Linksliberalen in den USA sind krachend gescheitert. Donald Trump kehrt ins Weiße Haus zurück. Er wird in seiner zweiten Amtszeit die Welt mehr verändern, als es ihm in der ersten Präsidentschaft von 2017 bis 2021 gelang. Neben der Beschleunigung des Klimawandels werden die Leidtragenden dieses erneuten Politikwechsels in Washington in den USA insbesondere die Migrant*innen und zudem die wirtschaftlich benachteiligten Menschen sein, in Europa die Ukrainer*innen insbesondere in den östlichen Landesteilen und im Nahen Osten die Palästinenser*innen. Zudem wird die produzierende Wirtschaft außerhalb der USA Probleme mit dem Absatz ihrer Güter bekommen. Nach dem Zusammenbruch der Ampel in Berlin droht nun im Windschatten des Rechtsrucks in den USA sowie der EU auch in Deutschland ein Politikwechsel.

Bemerkenswert ist, dass die Regierung bei der Aufstellung des Haushaltes vor dem Hintergrund der wirtschaftspolitischen Auseinandersetzung in der Koalition gescheitert ist. Wie seiner Zeit Bundeskanzler Gerhard Schröder, der auf eine verlorene Wahl in Nordrhein-Westfalen zu Neuwahlen im Bund blies, hat auch Olaf Scholz mit der Wahl in den USA einen äußeren Anlass zur Beendigung der Koalition aus Sozialdemokraten, Grünen und Liberalen gewählt. Dabei lässt sich der noch amtierende Kanzler – anders als sein sozialdemokratischer Vorgänger – nicht von seinen individuellen Vorstellungen blenden, sondern sieht in der vorgezogenen Neuwahl mit von ihm gesetzten Themen seine letzte Chance.

Wirtschaft und Finanzen im Zentrum der Bundestagswahl

Olaf Scholz ist überzeugt, dass er für eine arbeitsplatz- und exportorientierte Wirtschaft steht und zudem als ehemaliger Finanzminister unter CDU-Kanzlerin Angela Merkel für kreative Finanzwirtschaft prädestiniert ist. So wie er 2021 mit der Betonung des Respektes voreinander den Ton der Zeit traf, glaubt der gebürtige Osnabrücker nun mit Wirtschaft und Finanzen punkten zu können. Die Chancen, dass diese Themen den Wahlkampf dominieren werden, sind nicht schlecht, denn neben Scholz und seiner SPD dürfte auch CDU-Gegenkandidat Friedrich Merz, ehemaliger Deutschlandrepräsentant des weltgrößten in New York ansässigen Vermögensverwalters BlackRock, und die Christdemokraten sowie der entlassene FDP-Finanzminister Christian Lindner, der nach der Neuwahl in neuer Koalition wieder Finanzminister werden will, mit diesen Themen punkten wollen. Auch der grüne Frontmann, Wirtschaftsminister Robert Habeck, setzt schon von seiner bisherigen Regierungstätigkeit in Berlin her auf das Thema Wirtschaft. Dabei dürfte bei den Grünen, wie schon nach dem Beginn des Krieges in der Ukraine, der Schutz des Klimas, der Natur und der Umwelt in den Hintergrund rücken. Bleibt schließlich die Frage, was bedeutet dieser Wahlkampf und schließlich sein wahrscheinlicher Ausgang mit einer von Merz geführten Koalition für das Soziale?

FDP als Zünglein an der Waage

Die Reichen und insbesondere die Superreichen, die schon von der Trump-Wahl und der neuen rechtsgerichteten EU-Kommission stark profitieren, werden zweifelsfrei die Wahlsieger sein. Die CDU und die CSU in Bayern werden gemeinsam die meisten Stimmen bekommen und damit die führende Kraft in der zukünftigen Bundesregierung sein. Gut für vermögende Menschen – schlecht für die Öffentliche Infrastruktur, für die Kommunen, für die finanziell nicht privilegierte untere Hälfte der Bevölkerung sowie für das Klima.

Die Sozialdemokraten werden nach der Wahl zerrissen sein, denn die Machtorientierten werden in die Merz-Regierung drängen, während Sozis mit sozialem Gewissen in die Opposition wollen und vielleicht sogar gemeinsam mit Linken, Ökolog*innen, Rentner*innen, Bürgergeldempfänger*innen und den prekär im Niedriglohnsektor beschäftigten Menschen auf der Straße demonstrieren.

Die FDP wird alles versuchen, Leihstimmen der CDU zu ergattern, um so in den Bundestag zurückzukehren und wieder das Zünglein an der politischen Waage Bundesregierung zu sein. Mit ihrem Programm erreichen die deutschen Liberalen nur ein oder zwei Prozent der Menschen, weshalb die fehlenden drei Prozent mit Wahlversprechen gegenüber Wähler*innen anderer Parteien – insbesondere bei CDU und CSU – geholt werden müssen. Spricht sich Merz für eine Koalition mit der FDP aus, dürfte die Strategie erfolgreich sein.

Die Grünen regieren, wo sie können. Egal, ob als chancenloser Kanzlerkandidat oder als Spitzenkandidat seiner Partei wird Robert Habeck einen Wahlkampf führen, der die Grünen als „Partei der Mitte“ präsentiert. So behalten sie alle Optionen offen, wobei sie vermutlich nur in der vor sieben Jahren durch Lindner gescheiterten „Jamaika-Koalition“ eine echte Regierungs- und Machtoption besitzen. Ihren ehemaligen Markenkern Ökologie und Nachhaltigkeit werden sie unter dem Schlagwort „Grüner Kapitalismus“ und der Forderung nach mehr individueller Selbstverantwortung tarnen. Ob es zur Regierungsbeteiligung reicht, hängt aber allein vom Vertrauen und damit Wahlverhalten ihrer zuletzt ständig und auf allen politischen Ebenen enttäuschten Stammklientel ab.

AfD wird nur von Linken und Sahra Wagenknecht bekämpft werden

Auch die selbsternannte „Alternative für Deutschland“ hat ihren Markenkern durch den aktuellen Regierungssturz in Berlin und die Entwicklungen in Brüssel und Washington verloren. Migration ist im nach rechts wandernden Europa nur noch ein Sicherheitsthema an den Grenzen der Vereinigung. Zwar werden die Rechten weiterhin die massenhafte Ausweisung aller oder vieler zugewanderter Menschen propagieren, doch die von Scholz, Merz, Lidner und Habeck gesetzten Wahlkampfschwerpunkte Wirtschaft und Finanzen wird den nächsten Wahlerfolg der AfD verhindern.

Bekämpfen werden die AfD im Wahlkampf lediglich die vom Untergang bedrohten Mitglieder der Linkspartei sowie die ehemaligen Linken in der Wagenknecht-Gruppierung. Parteigründerin Sahra Wagenknecht und ihre Gefolgschaft haben durch Trumps Sieg ihre bisherige Erfolgsstrategie Friedenspolitik und damit auch ihr Alleinstellungsmerkmal verloren, da die Ukraine im nächsten Jahr von der Trump-Administration in den USA in einen Waffenstillstand gezwungen werden wird. Bleibt auch den Links-Abtrünnigen nur im Wahlkampf der Versuch, dass lediglich von kleinen Teilen der SPD und den Grünen bearbeitete Feld der sozialen Gerechtigkeit erfolgreich zu besetzen. Den angeblich woken Linksliberalismus zu bekämpfen, wird kein Wahlkampfhit von Wagenknecht, da alle Ausgegrenzten, Diffamierten und Abgehängten im kommenden Wahlkampf von allen oben genannten Parteien links liegen gelassen werden.

Linkes Potential ist aktuell begrenzt

Bei Wahlen in Deutschland dürfte zur Zeit das Potential für linke Wirtschafts- und Sozialpolitik bei rund neun Prozent liegen. Ob nun die einen sechs (Wagenknechte) und die anderen (Linkspartei) drei oder beide nur jeweils 4,5 Prozent bekommen, hängt einerseits vom Wahlverhalten der links fühlenden Stammwähler*innen von SPD und Grünen ab und andererseits von der Schwerpunktsetzung der beiden um linke Wähler*innen konkurrierenden Parteien. Weder AfD noch BSW (Bündnis Sahra Wagenknecht) werden außerhalb der migrationsfeindlichen Wähler*innengruppe mit dem Thema Zuwanderung beziehungsweise Abschiebung punkten können. Die Linke muss sich deshalb grundsätzlich nur in Abgrenzung zum BSW und zur AfD mit Migration im Wahlkampf beschäftigen. Zentral wird im linken Wahlkampf, wie es mit der sozialen Absicherung in Deutschland weitergeht? Diese Frage müssen Linke im Wahlkampfes überzeugend beantworten, wenn im nächsten Bundestag noch Parlamentarier*innen sitzen wollen, die sich um die untere Hälfte der Gesellschaft und deren Überleben kümmern möchten. Angesichts dieser aufgezeigten Perspektiven zur vorgezogenen Bundestagswahl, ist aber schon jetzt klar: Es wird in Deutschland klimatisch wärmer und sozial kälter werden.

Straßenbahn für Münster

Ende Oktober lud Pro Bahn Münsterland zur Auftaktveranstaltung zur Wiedereinführung der Straßenbahn in Münster. Mit rund 40 interessierten Schienenfreund*innen diskutierte Wolfgang Seyfert von der Straßenbahninitiative Osnabrück in der B-Side am Stadthafen in Münster die Perspektiven für den schienengebunden Nahverkehr in Städten und speziell in Osnabrück und Münster.

Zuvor hatte im Stadthaus 3 am Albersloher Weg Werner Szybalski vom Pro-Bahn-Vorstand im Münsterland vor dem Hintergrund der restaurierten „Elektrischen“, wie die Straßenbahn von den Münsteraner*innen genannt worden war, über die gut 50-jährige Geschichte der Tram in der Domstadt informiert. Vor genau 70 Jahren (siehe unten) endete die Geschichte der Tram in Münster – allerdings nur vorläufig, wenn auf die Meinung der Teilnehmer*innen der Pro-Bahn-Veranstaltung gehört wird.

In Osnabrück wäre die Wiederbelebung der Tram machbar

Der Rat der Stadt Osnabrück hatte eine Machbarkeitsstudie für die Reaktivierung der Tram in Auftrag gegeben. Dies allerdings nur, weil die Straßenbahn-Initiative Osnabrück (SBI) zuvor rund 5000 Unterstützer*innenunterschriften für die Wiedereinführung der Tram in Osnabrück gesammelt hatte. Das 80.000 Euro teure Gutachten des Dresdener Planungsbüros VKT stellte die SBI-Mitglieder zufrieden, denn es bescheinigte ihnen, dass es durchaus realistische Perspektiven für die Renaissance des Schienenverkehrs in Osnabrück gibt.

„Die Straßenbahn allein ist nicht die Lösung, aber sie ist die Königin der Mobilität“, unterstrich der emeritierte Professor Wolfgang Seyfert aus Osnabrück gleich zu Beginn seines Vortrages. Zunächst verglich er die verkehrliche Situation zwischen Münster und Osnabrück, die überraschend viele Parallelen ausweise. So sind im Vergleich mit gleichgroßen deutschen Städte Münster und Osnabrück bei der Verkehrswegenutzung (Modalsplit) beide Schlusslicht in den Bereichen Öffentlicher Personennahverkehr (ÖPNV) und Fußverkehr.

Wolfgang Seyfert von der Stadtbahn-Initiative Osnabrück warb bei Pro Bahn Münsterland für ein Revival der Straßenbahn in Münster. Foto: Wolfgang Bensberg

Seyfert hielt fest, dass es Münster ganz gut gelingt, den motorisierten Individualverkehr (Autos) einzuschränken, um aber kritisch erklärend für die genannten Schlusslichtpositionen der benachbarten Orte anzumerken: „Bei Städten der Größe von Münster und Osnabrück brauchen Fußgänger*in einen gut funktionierenden ÖPNV. Die Städte mit hohem ÖPNV-Anteil haben eine Tram.“

Renaissance der Straßenbahn in Frankreich

In französischsprachigen Städten erlebt die Tram ab den 80er Jahren des vergangenen Jahrhundert eine Renaissance. Seyfert: „1971 waren in Frankreich nur noch drei kleine Tramsysteme übrig: in Saint-Étienne, drei Kilometer Strecke in Marseille und in Lille.“ 1975 erfolgte die Cavaillé-Initiative. Marcel Cavaillé, Staatssekretärs im Verkehrsministerium in Paris, forderte in einem Brief die Stadtverwaltungen von Bordeaux, Grenoble, Nancy, Nice, Rouen, Strasbourg, Toulon and Toulouse auf, Konzepte für ihren Stadtverkehr zu entwickeln. „Alle Cavaillé-Städte – bis auf Toulon – haben heute eine Tram. Toulouse baut gerade. Viele andere, auch die ganz großen wie Paris, Marseille und Lyon setzen inzwischen auf die Tram. Spät, aber umfassenden kam der Umschwung in Bordeaux. Die Stadt wurde vom Nachzügler zum Vorreiter in Sachen Straßenbahn und Stadtentwicklung. So gelang der Wandel von einer etwas heruntergekommenen Hafenstadt zum Weltkulturerbe in 2007“, erläuterte Seyfert, der anschließend ein Beispiel aus seiner Geburtsheimat vortrug.

Optimaler Planungsprozess in Calgary

In Ulm sollte die letzte 5,5 Kilometer lange Straßenbahnstrecke 1975 still gelegt werden. Dies wurde durch Proteste der Bürger*innen verhindert. Später konnte diese Tramlinie verlängert werden und zwischen 2025 und 2018 wurde eine zweite Linie gebaut. „Heute sorgen rund 50 Prozent aller Fahrgäste auf den nur zwei Straßenbahnlinien dafür, dass in Ulm die Tram das Rückgrat des öffentlichen Verkehrs bildet“, berichtete der Osnabrücker.

Calgary im südlichen Kanada, das Zentrum der kanadischen Öl- und Gasindustrie mit über 1,6 Millionen Einwohner*innen. „Das 2005 gestartete Projekt Imagine Calgary, war eine umfassende kommunale Visions- und strategische Planungsinitiative, die die langfristige Entwicklung von Calgary beeinflussen sollte“, verdeutlichte Seyfert, dass dieser Planungsprozess aus seiner Sicht optimal verlaufen sei: „Das vermutlich breiteste Beteiligungsverfahren weltweit. In 18 Monaten, von 2005 bis 2007, waren 18.000 Bürger*innen am Verfahren beteiligt.“ Mit einem Planungshorizont von 50 bis 100 Jahren wurde die gesamte Stadtentwicklung entlang von festgelegten Verkehrskorridoren, die schon ab Baubeginn mit öffentlichen Verkehr bedient wurden, geplant. „Dabei ist die Tram das Rückgrat und die letzte Stufe der Verkehrsplanung. Weil so jede neue Bahn sofort ziemlich voll war, blieben die Betriebskosten der Tram pro Passagier von Beginn an niedrig bei einem Sechstel der Betriebskosten eines Busses.

Zürich kämpft für Tram und Fahrrad

Die Züricher*innen lieben ihre Straßenbahn, berichtete Wolfgang Seyfert. Drei Mal (1960 mit 70 Prozent, 1962 mit 63 Prozent und 1973 mit 71 Prozent) lehnten sie in Volksabstimmungen die Verlegung der Tram in den Untergrund ab und 2020 stimmten sie für ein 130 Kilometer langes Velovorzugsroutennetz in der Stadt. „Viel mehr geht nicht“, so Seyfert.

Letzte Fahrt vor 70 Jahren

Genau vor 70 Jahren, am Donnerstag, dem 25. November 1954, fuhr die Straßenbahn letztmalig durch Münster. Das Ende nach nur 53 Jahren kam nicht überraschend. Schon gut ein Jahr zuvor musste im Oktober die Linie 2 auf der Warendorfer Straße aufgegeben werden. Die Gleise waren, vermutlich wegen eines nicht ausreichend gefüllten Bombenkraters unter der Straße, abgesackt, so dass die Tram nicht mehr fahren konnte. Schon direkt nach dem Krieg hatte ein externer Gutachter empfohlen, zukünftig auf die vom Volksmund „Elektrische“ oder „Strom“ genannte Straßenbahn zu verzichten. Als im Herbst die Sperrung einer der Hauptlinien hinzukam, schlug die Stimmung langsam um in Richtung „modernen Bus- beziehungsweise O-Busbetrieb in Münster.

Die letzte Fahrt des Wagen 60 der Elektrischen in Münster: Im Hintergrund ist die abgerissene Kiesekamps Mühle am Albersloher Weg erkennbar. Heute steht dort das Cineplex. Foto: Universität Münster

Das Aus für die Elektrische in der Domstadt – zurückblickend sicherlich als politische Fehlentscheidung einzustufen – nahmen viele Münsteraner*innen zum Anlass, sich mit einer letzten Fahrt von der Straßenbahn zu verabschieden. Die Westfälischen Nachrichten (WN) schrieben damals, dass tagsüber die „Straßenbahnwagen auffallend starken Verkehr gehabt. Die konservativen Münsteraner, die sich nur schweren Herzens von liebgewordenen Einrichtungen trennen können, nahmen Gelegenheit zu Abschiedsfahrten.“

Auf der tatsächlich letzten Fahrt der Elektrischen wurden unter anderem die Mitglieder des Rates der Stadt mit den Straßenbahnwagen 57, 60 und 62 – außen verziert mit der Aufschrift „Letzte Fahrt“ – von der Lambertikirche durch die Stadt ins Straßenbahndepot am Albersloher Weg gefahren. Eine große Menschenmenge begleitete diese Fahrt. Am Schaltbrett des letzten der drei Wagen stand Oberfahrer Eduard Jenschenfelde, der schon seit drei Jahrzehnten die Elektrische durch Münster bugsierte. Die Menschen winkten, als sich der in den WN „Trauerzug“ genannte Tross in Bewegung setzte. Es wurde extra langsam gefahren, um den Zuschauer*innen am Schienenstrang und in den Fenstern Gelegenheit zum Abschied zu geben. Mit dem „Straßenbahn-Abschiedsschmaus“ an der Haltestelle Stadtwerke, laut WN-Bericht im Regen, endete diese Ära in Münster. Zurück in die Stadt ging es anschließend per Autobus.

Pro Bahn Münsterland fordert Machbarkeitsstudie

Pro Bahn Münsterland möchte in einem Folgetreffen zum oben beschrieben Auftakt mit Seyfert besprechen, wie die Forderung „Reaktivierung der Straßenbahn in Münster“ weiter umgegangen werden soll. Es soll mit möglichst vielen interessierten Menschen am Freitag, dem 6. Dezember 2024, von 17 Uhr bis 19 Uhr im Umwelthaus (nicht barrierefrei) in der Zumsandestraße 15 stattfinden.

„Beim Treffen wird der Pro-Bahn-Nikolaus zunächst die bisherigen Vorschläge und Ideen zur Reaktivierung der Straßenbahn in Münster aus dem Sack lassen“, heißt es in der öffentlichen Einladung von Pro Bahn an alle interessierten Straßenbahnfreund*innen. So werden die abgelehnten Vorschläge aus dem Rat der Stadt Münster vorgestellt. Unter anderem dabei sind die Ratsanträge der CDU Münster („Von der Regionalbahn zur Stadtbahn“) aus dem Jahr 2016 und der SPD Münster („Eine Stadtbahn für unsere Stadt“) aus dem Jahr 2017. Verschiedene Vorschläge aus dem Internet runden den ersten Teil der Versammlung ab.

Anschließend soll gemeinsam besprochen werden, wie die Straßenbahn-Zukunft in Münster in die Spur oder besser „auf die Schiene“ gebracht werden könne. Bedeutsam dabei könnte, wie in Osnabrück erfolgreich durchgeführt, eine Machbarkeitsstudie zur Straßenbahn in Münster sein. Ob dies ein erster sinnvoller Schritt ist und was gemeinsam getan werden kann, um ihn zu gehen, soll Hauptdiskussionspunkt im Umwelthaus werden.

Ratskoalition verliert die Mehrheit

Mathias Kersting tritt aus der SPD aus

Der Trouble beim Kommunalwahlverlierer SPD Münster hält an. Der Betriebswirt Mathias Kersting verlässt Fraktion und Partei. Er will sich der CDU anschließen. Damit verliert die Ratskoalition von Grünen, SPD und Volt ihre Ein-Stimmen-Mehrheit im Rat der Stadt Münster. Kersting war im Januar diesen Jahres als SPD-Fraktionsvorsitzender zurückgetreten, weil er mit dem zwischen SPD, Grünen und Volt ausgehandelten Koalitionsvertrag nicht zufrieden war. Kersting blieb in der SPD-Fraktion und der Koalitionsvertrag wurde erfolgreich nachverhandelt. Er ist inzwischen in Kraft.

Nun der Eklat: Kersting verrät die Koalition, die SPD und insbesondere natürlich die Wähler*innen in Münster, wobei das Letzte wohl der Betrug an den Wähler*innen ist. Kaum jemand wird am 13. September 2021 bei der SPD-Liste in Münster sein Kreuz gemacht haben, um damit einen voraussichtlich zukünftigen CDUler in den Rat der Stadt zu bringen. Mathias Kersting war einer der Spitzenkandidaten (Platz drei auf der Reserveliste für den Rat – hinter OB-Kandidat Michael Jung und der heutigen Bürgermeisterin Maria Winkel) der SPD. Das Direktmandat in Gremmendorf gewann der CDUler Andreas Nicklas.

Ein Ausschussvorsitz und fünf Aufsichtsratsmandate

Es ist sicherlich nicht falsch, den 35-jährigen Gremmendorfer Mathias Kersting als lokalpolitisches Schwergewicht zu bezeichnen. Immerhin wählte die SPD-Ratsfraktion ihn zu ihrem Vorsitzenden, nachdem Michael Jung sich zurückgezogen hatte. Zudem schickten die Sozialdemokraten Kersting als „Ordentliches stimmberechtigtes Mitglied“ in folgende Ausschüsse und Aufsichtsräte:

  • Hauptausschuss
  • Ausschuss für Wohnen, Liegenschaften, Finanzen und Wirtschaft (Vorsitzender)
  • Sozialholding Klarastift GmbH, Aufsichtsrat
  • Ambulante Dienste Klarastift GmbH, Aufsichtsrat
  • Klarastift Service GmbH, Aufsichtsrat
  • Flughafen Münster-Osnabrück GmbH, Aufsichtsrat
  • Altenzentrum Klarastift gGmbH, Aufsichtsrat
  • Gewerbepark Münster-Loddenheide (GML) GmbH, Fachbeirat

Als Stellvertretendes stimmberechtigtes Mitglied gehört Mathias Kersting zudem noch folgenden kommunalen Gremien an:

  • Rechnungsprüfungsausschuss
  • KonvOY GmbH, Aufsichtsrat
  • AirportPark FMO GmbH, Aufsichtsrat
  • Wirtschaftsförderung Münster GmbH, Aufsichtsrat
  • Ausschuss des Wasser- und Bodenverbandes „Münster-Südost“

Nagelprobe für die Koalition schon am Mittwoch?

Am Mittwoch, 19. Mai 2021, ersetzt wegen der Coronapandemie der Hauptauschuss den Rat der Stadt Münster. Getagt wird ab 16.30 Uhr im Congress Saal der Halle Münsterland (Tagesordnung). Dies wäre grundsätzlich kein Problem, so die Stadt Münster, weil der Hauptausschuss die Mehrheitsverhältnisse des Rates abbilden würde. Übermorgen könnte es allerdings anders werden, denn niemand kann den abtrünnigen Kersting, der von der SPD-Fraktion auch in dieses Gremium geschickt wurde, davon abhalten, als Ordentliches stimmberechtigtes Mitglied am Hauptauschuss teilzunehmen. Doch auf meine schriftliche Nachfrage zeigte Mathias Kersting, dass er zu seinem Wort steht: „Ich hatte schon vorher mit der SPD abgestimmt, das ich nicht teilnehme, sondern ein SPD-Mitglied mich vertritt. Daran halte ich mich.“

Kersting ist kein Tsakalidis

Ein ehrenhaftes Verhalten, welches nicht bei jedem Ratsmitglied vorhanden ist. Trotzdem könnte der parteilose Dr. Georgios Tsakalidis, der im September von der Wähler*innen der Münsterliste* in den Rat der Stadt Münster gebracht wurde, nun sein früheres Vorhaben, Mitglied der SPD-Fraktion zu werden, umsetzen. Tsakalidis war nur wenige Wochen nach der erfolgten Wahl aus der Münsterliste, einem inzwischen eingetragenen Verein, ausgetreten. Dies ohne Begründung, wenn man vom Nichterhalt einer Email (von mir abgesendet) absieht (siehe hierzu Westfälische Nachrichten und Die Wiedertäufer). Dies, obwohl auch er unterschrieben hatte, sein Mandat nicht anzunehmen beziehungsweise zurückzugeben, wenn er die Münsterliste verlässt.

* Compliancehinweis: Ich bin gemeinsam mit Dr. Georgios Tsakalidis für die Münsterliste – bunt und international bei der Kommunalwahl angetreten. Ich stand auf Platz zwei hinter Tsakalidis.

Werner Szybalski

Der Austritt von Mathias Kersting hat erhebliche Folgen für die Mehrheitsverhältnisse im Kommunalparlament. Bislang „regierte“ eine Ein-Stimmen-Mehrheit aus Grünen, SPD und Volt im Rat der Stadt Münster. Diese Mehrheit ist weg, weil Kersting weiterhin nicht mit dem Koalitionsvertrag im Reinen ist. Die Wiedertäufer zitieren Mathias Kersting heute so: „Ich bin zu dem Entschluss gelangt, dass ich diese politischen Grundüberzeugungen in der SPD Münster und vor allem der Rathauskoalition aus Grünen, SPD und Volt nicht umsetzen kann.“

Mehrheitsbildung dürfte schwierig werden

Im Oktober vergangenen Jahres fragte Dr. Georgios Tsakalidis, gerade aus der Münsterliste ausgetreten, ob er Mitglied der SPD-Fraktion im Rat der Stadt Münster werden könne. Diese Anfrage, die von mehreren Ratsmitgliedern und Fraktionsangehörigen mir gegenüber bestätigt wurde, verlief aber schnell im Off. Sie wurde damals sofort an Journalist*innen in Münster durchgestochen. Als diese Medienvertreter*innen dann bei Tsakalidis nachfragten, leugnete er sein Ansinnen.

Neuer Mehrheitsbeschaffer? Dr. Georgios Tsakalidis.

Doch angesichts der knappen Verhältnisse, Die Linke hatte früh und nachdrücklich erklärt, dass sie ihren Platz nicht in der Ratskoalition sehe, und auch der ÖDP-Ratsherr Franz Pohlmann hatte sich vergleichbar geäußert, könnte Tsakalidis nun zum neuen Mehrheitsbeschaffer werden. Nach der Wahl hatten Grüne und SPD verdeutlicht, dass sie nur widerwillig mit wechselnden Mehrheiten im Rat arbeiten möchten.

Offen ist aber die Frage, ob sich die SPD und natürlich auch die Grünen und Volt mit Tsakalidis einen Gefallen bereiten würden. Der verloren gegangene Mitstreiter Mathias Kersting hatte zumindest kommunalpolitische Erfahrung und klare politische Vorstellungen für Münsters Entwicklung. In seiner Erklärung schrieb er: „Eine nachhaltige Verkehrswende kann nur mit Angeboten für alle gelingen, eine Verbotspolitik mit dem Feindbild Auto reicht nicht aus. […] Um bezahlbares Wohnen endlich zu schaffen, müssen wir Baugebiete ausweisen und als Stadt selbst bauen. Sinnvolle Nachverdichtungen und neue Baugebiete wieder in Frage zu stellen, das verhindert bezahlbare Mieten.“

Ergänzung um 18.15 Uhr (17. Mai 2021)

CDU-Fraktionschef gewährt Mathias Kersting Gaststatus

In einem CDU-Instagram-Post erklärte heute gegen 14 Uhr der Fraktionsvorsitzende der CDU-Ratsfraktion, Stefan Weber, dass er Mathias Kersting „bis über die von Kersting beantragte Aufnahme in die CDU durch den Kreisvorstand formell entschieden ist“ Gaststatus in der CDU-Ratsfraktion gewährt. Dieses Angebot, so Weber, habe Mathias Kersting angenommen.

Werner Szybalski

Rojava verteidigen

In Münster demonstrierten am Samstag (12. Oktober) Hunderte gegen die militärische Aggression der Türkei, die erneut in Nordsyrien die Kurden vertreiben will. Etwa 800 Menschen zogen vom Hauptbahnhof zu den Geschäftsstellen der GroKo-Parteien SPD und der CDU sowie am türkischen Konsulat vorbei, um gegen den Angriffskrieg der türkischen Armee gegen Rojava zu protestieren. Zum Protest aufgerufen hatten das Bündnis Perspektive Rojava, die Interventionistische Linke Münster, die Revolutionäre Linke (ROSA), das Odak Kulturzentrum und das Demokratisch-Kurdische Gesellschaftszentrum Münster (DKGZ).

Obwohl sehr viele Kurden aus dem Münsterland zur zeitgleich stattfindenen Demonstration nach Köln gefahren waren, wie Ekrem Atalan vom DKGZ Münster bestätigte, zeigte Münster am Samstag Flagge.


Sozialdemokrat will Münsters Oberbürgermeister werden

Die Kommunalwahlen 2020 werfen ihre ersten Schatten voraus. Am Montag (2. September) verkündete Michael Jung, Vorsitzender der SPD-Fraktion im Rat der Stadt Münster, wie die Westfälischen Nachrichten berichteten, dass er im kommenden Jahr gern gegen den amtierenden Oberbürgermeister Markus Lewe (CDU) kandidieren möchte.

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