DGB Münster zum Weltflüchtlingstag

Asylrecht schützen! Skandalöse Unterbringung in der ZUE beenden!

Der DGB Münster veröffentlichte heute folgende Pressemitteilung, die ungeküzt dokumentiert wird: Während weltweit mittlerweile über 100 Millionen Menschen auf der Flucht vor Kriegen, Hunger, Armut und Klimakatastrophen sind, ist das Asylrecht in Europa in Gefahr. Verweigerte Seenotrettung, illegale Pushbacks in Griechenland, Misshandlungen an der kroatischen Grenze, Inhaftierung Asylsuchender in polnischen Lagern sind nur die Spitze des Eisbergs, anhand derer sich die tagtägliche Kette von Menschenrechtsverletzungen in Europa dokumentieren lassen. Mehr als hunderttausende Geflüchtete leben schon seit vielen Jahren in Deutschland und müssen trotzdem jeden Tag mit der Angst vor Abschiebung leben. Der im Koalitionsvertrag vereinbarte Flüchtlingsschutz lässt auf sich warten.

Es fehlt an Vielem

Auch in Münster werden die Augen geschlossen, wenn es um das Wohl von geflüchteten Menschen geht. Durch die schwerpunktmäßige Zusammenführung der geflüchteten Menschen aus der Ukraine, werden Flüchtlinge aus anderen Ländern in andere Einrichtungen zusammengeschoben. Aus der zentralen Unterbringungseinrichtung (ZUE) in der ehemaligen York-Kaserne mehren sich die Berichte über menschenunwürdige Zustände: Überbelegungen; es fehlt an Betten, Decken und Kissen; keine dauerhafte sichergestellte Strom- und Warmwasserversorgung;  extrem lange Wartezeiten bei der Essensausgabe und Leistungsauszahlung, keine persönlichen Rückzugsräume; nächtliche Abschiebungen, etc.

Demonstration gegen die Zustände im ZUE Münster. (Foto: Archiv Werner Szybalski)

Unwürdige Lebensbedingungen

Menschen, die vielfach einen langen Leidensweg hinter sich haben, erleben in Münster unwürdige Lebensbedingungen, denen sie hilflos ausgesetzt sind. „Die Menschen hatten einen Traum von einem sicheren Leben in Deutschland und erleben hier ein weiteres Trauma! Das darf eine Stadt wie Münster nicht ignorieren! Wer Geld für Flughäfen und Musikhallen in die Hand nehmen kann, der muss doch wohl auch Geld für eine menschenwürdige Unterkunft und selbstbestimmtes Leben von Menschen übrig haben. Wir als DGB erwarten von der Stadtpolitik kein Kompetenzgerangel um die Zuständigkeit zur Behebung dieser Verhältnisse, sondern sofortiges Handeln!“ empört sich die DGB-Stadtverbandsvorsitzende Pia Dilling.

Verschärfend zur Überbelegung kommt die Unterbesetzung des Personals auf allen Ebenen. Die medizinische Versorgung ist gefährdet. Es fehlt an Sozialarbeiter*innen, deren Arbeit durch häufigen Personalwechsel und damit fehlender Kenntnis von vertrauten Abläufen noch erschwert wird. Für Kinder und Jugendliche, die weit über die erlaubten sechs Monate in der ZUE untergebracht sind, ist das schulische Lernangebot mit nur zwei Lehrkräften völlig unzureichend. „Gute Arbeit ist hier nicht möglich und es wundert mich nicht, wenn hier kaum Personal zu finden ist und die Fluktuation beim Personal so hoch ist, auch wenn gerade hier viel gute Arbeit nötig wäre!“, entrüstet sich der stellvertretende Stadtverbandsvorsitzende Carsten Peters.

„Alle Menschen haben das Recht auf Schutz.“

Der DGB-Stadtverband Münster stellt fest, dass das Konzept der ZUE als Landeseinrichtung versagt hat und fordert die entsprechenden Stellen auf ihren jeweiligen politischen und verwaltungstechnischen Handlungsspielraum zu nutzen, um den Geflüchteten, egal aus welchen Ländern, gleichberechtigt eine menschenwürdige Bleibeperspektive zu ermöglichen. Dilling zum Weltflüchtlingstag: „Alle Menschen haben das Recht auf Schutz – wo auch immer sie herkommen, wo auch immer sie sind und warum auch immer sie gezwungen sind, zu fliehen.“

Blutspur bis zum Train-Denkmal

Kinderhauser „Werkstatt Gruppe Politik“ legt „Liste der Toten“ öffentlich aus

Am Weltflüchtlingstag (Sonntag, 20. Juni) legte die Kinderhauser Gruppe „Werkstatt Gruppe Politik“ eine 40 Meter lange „Liste der Toten“ aus. „Wir möchten heute hier am Train-Denkmal – oder besser sagt man dazu Schandmal – den viel zu vielen Toten gedenken, die auf der Flucht gestorben sind“, erläuterte Katja Weber von der „Werkstatt Gruppe Politik“ den Passant*innen auf der Promenade den Hintergrund ihrer Mahnwache am „Tag des Flüchtlings“. Die Gruppe entnimmt der Webseite der Organisation „United against racism“ die Namen der Menschen, die auf der Flucht gestorben sind. „Leider ist das Erinnern häufig sehr schwer, denn viele der gestorbenen Geflüchteten können nicht identifiziert werden“, erklärte Katja Weber, warum so häufig „n.n.“ auf der Liste erscheint. Zu den unzähligen Verstorbenen, an die durch die Liste gedacht werden soll, kommen noch die Menschen, die nach ihrem Tod auf der Flucht niemals von Menschenrechtlern gefunden wurden.

In diesem Jahr legte die „Werkstatt Gruppe Politik“ die Liste der Toten am Train-Denkaml am Ludgeriplatz aus. (Fotos: Werner Szybalski)

Detaillierte Opferliste

Die Gruppe listet Todesdatum, Namen, Herkunftsland oder -gebiet, Todesursache und den Namen der Orgaisation, die die Daten der Verstorbenen erfasst hat, auf. Zwei Beispiele: 14/04/20; Teklay Kinfe (young man); Sub-Saharan Africa; died on a migrant boat when Malta an Italy failed to properly rescue, survivors pushed bach to Libya; AlarmPhone/ILM/SeaWatch/ oder 08/04/20; N.N. (boy, 16); Afganistan; died after being stabbed in a fight at overcrowded Moria refugee camp on Lesbos (Greece); InfoMigrants/Stonisi.

Durch mit roter Flüssigkeit gefüllte Gläsern wurde die Blutspur vom Train-Denkmal bis zur Liste der Toten gezogen.

In diesem Jahr hat sich die Gruppe das Train-Denkmal als Ort der Mahnwache ausgesucht. Dies, weil derzeit die Regierungen aus Deutschland und Namibia über eine Wiedergutmachung für den inzwischen von der Deutschen Regierung anerkannten Genozid an den Herero und Nama (siehe auch: AKAFRIK zum Abkommen mit Namibia) verhandeln. „Wir sehen eine Blutspur von den Taten der an dem Völkermord beteiligten Soldaten, an die mit dem Train-Denkmal erinnert werden soll, bis hin zu den heutigen Toten, die auf der Flucht starben“, erläuterte Bärbel Harrach. Die Gruppe zeigte schon mehrfach den Zusammenhang zwischen der aktuellen, europäischen Politik und der eigenen deutschen Geschichte auf.

Seit 2014 in Kinderhaus aktiv

Unter dem Projekttitel „Wir müssen reden“ entstand 2014 die Werkstatt Gruppe Politik. Dies, so die Selbstdarstellung der Gruppe, um dem Bedürfnis Ausdruck zu verleihen, die immense Flut an Nachrichten im Negativen wie im Positiven zu sortieren und einzuordnen: „Die gesammelten Informationen über den Schutz unserer Umwelt oder unserer Daten, über Konflikte und Krisen haben uns bewogen, zumindest in einem Bereich auch aktiv zu werden: Wir veranstalten regelmäßig Mahnwachen zum Massensterben vor den Toren Europas.“

Teresa Häuser hat dazu mehrere Infofilme für die Gruppe produziert, die sich mit den Themen „Kolonialismus, Migration und Fluchtgründen“, „Migranten willkommen!?“, „Verschleppung, Flucht und Vertreibung. Vergangenheit in Greven – Gegenwart in Europa“, „Fluchtgründe aus Afrika: Spuren des kolonialen Erbes in Münster“ und der „Mahnwache mit der Liste der auf der Flucht nach Europa verstorbenen Menschen“ aus dem Jahr 2017.

Die Gruppe ist offen für Menschen, die sie aktiv unterstützen wollen. Wer sich per Email anmeldet, wird zu eigenen Veranstaltungen der Gruppe und auch anderen Terminen eingeladen.