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100 Tage Putsch in Myanmar – Mahnwache im Friedenspark

Am 1. Februar 2021 putschte im südostasiatischen Myanmar – oder Burma, wie das Land vielfach im Westen und bei Nichtregierungsorganisationen genannt wird – das Militär. Die unerträgliche Situation insbesondere für die Einwohner*innen in dem Land bewegt auch viele Menschen in Münster. Angeregt durch Dr. Thomas Brüninghaus von der Tibet-Initiative Münster führten 100 Tage nach dem Putsch unter Führung von General Min Aung Hlaing die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) und Amnesty International (ai) Münster im Friedenspark in der Loddenheide eine Mahnwache durch. Die Teilnehmer*innen gedachten der Opfer. Allein in den ersten 100 Tagen starben in Myanmar schon 800 Menschen. Es war auch als politischer Protest gegen die dortige Militärherrschaft gedacht. In Deutschland wurde bislang öffentlich nur in Münster und Berlin gegen die andauernden Menschenrechtsverletzungen in Burma protestiert.

Gewaltlose Proteste gegen die Militärdiktatur

Dr. Thomas Brüninghaus berichtete, dass nach dem Militärputsch nahezu 800 Zivilisten in diesen ersten hundert Tagen bei gewaltlosen Straßenprotesten starben. „Etwa 5000 Menschen wurden verhaftet, die Mehrheit ist noch immer interniert. Zu den Gefangenen zählt auch die demokratisch gewählte Regierung mit Aung San Suu Kyi an der Spitze.“ Er will an jedem Samstag die aktuellen Opferzahlen aus Myanmar als Mahnung an der Gedenklinde im Friedenspark eintragen.

Dr. Thomas Brüninghaus wird an jedem Samstag die aktuellen Opferzahlen aus Myanmar als Mahnung an der Gedenklinde im Friedenspark eintragen. (Fotos: Werner Szybalski)

Bürgerkrieg droht

Dr. Kajo Schukalla

Dr. Kajo Schukalla von der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) Münster erläuterte die aktuellen Konflikteskalation mit den Nationalitäten in dem südostasiatischen Land. Er wusste von Bombenangriffen und dem aufflammendem Krieg unter anderem in Minderheitengebieten der Karen, Shan und Chin. „Bereits Mitte April hatte Michelle Bachelet, UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, aufgrund der Konfliktkonstellation vor einem Bürgerkrieg gewarnt. Durch die Militärherrschaft haben sich die Bedingungen für die über 100.000 Binnenvertriebenen im Norden des Landes weiter zugespitzt. Hoffnungslos bleibt auch die Lage der 1978 geflüchteten und erneut seit Herbst 2017 von der Armee massenhaft vertriebenen islamischen Minderheit der Rohingya. Eine Chance auf Rückkehr in Würde und Sicherheit aus dem extrem armen Bangladesh bleibt einer Million Rohingya von der Militärführung erst recht verwehrt.“

Rückgabe der Macht an die zivile Regierung

Ulrike Krause von Amnesty International Münster forderte ein entschlosseneres Handeln durch die internationale Gemeinschaft, die Rückgabe der Macht an die zivile Regierung in Myanmar und strafrechtiche Konsequenzen für die Putschisten, ein umfassendes globales Waffenembargo sowie gezielte finanzielle Sanktionen gegen hochrangige Militärs. Auch müsse humanitären Helfern dauerhaft und ungehindert Zugang zu den Vertriebenen im ganzen Land und anderen gefährdeten Bevölkerungsgruppen gewährt werden.

„Meine Aufgabe besteht heute darin, die Möglichkeiten des Einzelnen zur Unterstützung der Menschenrechtssituation in Myanmar aufzuzeigen“, erklärte Ulrike Krause zu Beginn ihrer Rede. Sie forderte die Teilnehmer*innen auf, sich hinter die Bevölkerung von Myanmar zu stellen und die Petition von Amnesty International USA online zu unterstützen.

Ulrike Krause forderte die Teilnehmer*innen auf, sich hinter die Bevölkerung von Myanmar zu stellen.

Friedenspark hat eine besondere Bedeutung

Dass die Menschenrechtler ausgerechnet den Friedenspark abseits der Innenstadt als Ort ihres Mahnens und Protestes wählten, hat eine Vorgeschichte.

Am 7. Juni 1998, anlässlich des Jubiläums „350 Jahre Westfälischer Friede“, hatte neben dem Dalai Lama auch Sein Win, der damalige Premierminister der Exilregierung Burmas, in Vertretung der unter Hausarrest stehenden Friedensnobelpreisträgerin und damaligen Wahlsiegerin Aung San Suu Kyi, eine Linde in dem ehemaligen Militärschießstand gepflanzt. So wurde diese Konversionsfläche zu einem friedensbezogenen Symbolort, an dem auch die Tibet-Initiative regelmäßig an die chinesische Unterdrückungspolitik erinnert.

Im August 2017 hatte sich Aung San Suu Kyi, Friedensnobelpreisträgerin von 1991, bei der einsetzenden Massenvertreibung der Rohingya-Minderheit nicht für die Menschenrechtsopfer der nationalistischen Ausgrenzung und blutigen Vertreibung eingesetzt, sondern diese geduldet und sich damit als Friedensikone völlig diskreditiert. Der ihr 2009 von Amnesty International verliehene Titel „Botschafterin des Gewissens“ wurde ihr im November 2018 wieder von der Menschenrechtsorganisation entzogen. Die Gesellschaft für bedrohte Völker forderte außerdem den Entzug des ihr 2014 verliehenen Willy-Brandt-Preises.

Gedenktafel im Friedenspark.

Konflikte durch ethnische und religiöse Struktur

Nach der Mahnkundgebung wurden noch die innenpolitische Lage in Myanmar / Burma und Möglichkeiten bundesdeutschen Protestes und internationaler Unterstützung diskutiert.

Der Blick auf die nachkoloniale Entwicklung machte deutlich, dass der Staat die längste Zeit von Militärdiktaturen geführt wurde. Auch war die ethnische und religiöse Struktur immer ein Konfliktmoment. Große Minderheiten wie die Shan von den offiziell 135 Gruppen hatten sich nur mit der Zusicherung von föderalen Selbstbestimmungsrechten der „Union of Burma“ angeschlossen und pochen mit Recht auf ihre von den Militärs immer verweigerten Rechte.

Mahnwache für die Opfer in Myanmar / Burma im Friedenspark in der Loddenheide.

Auch noch anlässlich des Jubiläums 1998 bei der Osnabrücker Friedenskonferenz und den Veranstaltungen in Münster gab es seitens der Delegierten der Shan und Karen Missstimmung wegen empfundener Zurücksetzung gegenüber dem Ministerpräsidenten, erinnerte sich Schukalla, der anfügte: „Auch künftig werde es einen nachhaltigen Frieden nur bei Anerkennung der Nationalitäten und föderaler Rechte geben können. Ein buddhistisch geprägter Nationalismus, der zu Übergriffen auf christliche Minderheiten wie die Chin und zu Vertreibung der Muslime führe, könne kein Zukunftsmodell sein. Selbstverständlich müssten auch die vertriebenen Rohingya in ihre Heimat zurückkehren können.“

Zum Abschluss der Mahnwache im Friedenspark erklärte Dr. Kajo Schukalla, dass die neue Zusammenarbeit zwischen Amnesty International und der Gesellschaft für bedrohte Völker in Münster künftig weitergeführt werden soll.

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