Wo bleibt der Dialog?

Friedensinitiativen kritisieren 2. Westfälische Friedenskonferenz

Die Wirtschaftliche Gesellschaft für Westfalen und Lippe lädt am 4. April 2025 zur 2. Westfälischen Friedenskonferenz nach Münster ins Rathaus ein. 400 nationale und internationale Gäste aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft, so die Pressestelle der Stadt Münster, kämen für die Westfälische Friedenskonferenz in der westfälischen Metropole zusammen. Vier lokale Friedensinitiativen aus Münster, Osnabrück und Nottuln kritisieren in einem offenen Brief die Intention der Veranstaltung und richten einen Appell an die Organisatoren und Teilnehmer.

Der ehemalige NRW-Ministerpräsident und spätere Bundesfinanzminister Peer Steinbrück leitet die Konferenz. Er wird zu Beginn zum Leitthema „Wie ist ein wehrhafter Frieden in Europa und der Welt zu erreichen?“ sprechen ehe er für den ersten Themenkomplex (Europas neue Sicherheitsarchitektur) an den Bundesaußenminister a.D. Joschka Fischer übergibt, der nach seiner Einführung drei internationalen Gästen (Jean Asselborn, Außenminister a.D. von Luxemburg; Sylvie Goulard, Verteidigungsministerin a.D. Frankreichs; Marek Prawda, Stellvertretender Außenminister der Republik Polen) die Diskussion überlässt.

Klare westliche Positionierung der Friedenskonferenz erwartet

Anschließend nimmt die Versammlung Weißrussland in den Blick. In einem Gespräch mit Dr. Wulf Schmiese soll Sviatlana Tsikhanouskaya, im Exil lebende Oppositionsführerin aus Weißrussland, einen kritischen Blick auf ihr Land und bestimmt auch auf das benachbarte Russland werfen.

Wirtschaftsgrößen und Wissenschaftler nehmen nach der Mittagspause die Auswirkungen der aktuellen Situation auf die „Globale Wirtschaft und Friedenspolitik“ ins Visier. Dem Impuls gibt René Obermann, Aufsichtsratsvorsitzender des Rüstungskonzern Airbus Industries. Debattieren werden Lauren Kjeldsen, Vorständin beim Kongresssponsor Evonik, der Wissenschaftler und Publizist Joseph Simon de Weck sowie der Direktor der deutschen Gesellschaft für auswärtige Politik (DGAP), Thomas Kleine-Brockhoff.

Migration in Europa

Das für reaktionäre, konservative, aber inzwischen auch grüne und sozialdemokratische Politiker*innen die Politik dominierende Problem der „Migration in Europa“ steht anschließend auf der Agenda. Das in der Gesellschaft stark umstrittene Thema besprechen nach einer Einführung durch Nathanael Liminski, Minister für Europa und Internationales in Nordrhein-Westfalen, gemeinsam mit ihm Rolf Buch, CEO des größten deutschen Vermieters Vonovia, der österreichische in Berlin lebende Migrationsforscher Gerald Knaus, der Mitinitiator und -aushandler des Flüchtlingspakts zwischen der Türkei und der EU von 2016 war, und der Bochumer CDU-Europaabgeordnete Dennis Radtke.

Mit Magnus Tsahkna, Außenminister Estlands, wird dann die Journalistin Eva Lindenau (Programmgeschäftsführerin bei ARD Phoenix, der die Friedenskonferenz live im TV überträgt) im Gespräch den Blick wieder an die Grenzen Russland richten. NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst lässt dann Joschka Fischer, Jeff Rathke von der Johns-Hopkins-University in Washington DC, Constanze Stelzenmüller, die Publizistin ist Direktorin des Center on the United States and Europe und und Fritz Stern Chair an der Brookings Institution Washington, in die Gegenrichtung schauen. „Kooperation oder Konfrontation – das transatlantische Verhältnis“ bereitet nicht nur den in Münster versammelten Prominenten Kopfzerbrechen.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Margot Friedländer trugen sich am Freitagmorgen ins Goldene Buch der Stadt Münster ein – im Beisein von (v.l.) NRW-Staatssekretärin Gonca Türkeli-Dehnert, Oberbürgermeister Markus Lewe und dem Vorsitzenden der WWL, Dr. Reinhard Zinkann. (Foto: Stadt Münster)

Sonderpreis des Westfälischen Friedens für Margot Friedländer

Für den Abschlussbeitrag wird wieder Peer Steinbrück an das Mikro treten, ehe Gastgeber Dr. Reinhard Zinkann, Vorsitzender der Wirtschaftlichen Gesellschaft für Westfalen und Lippe, die Veranstaltung beenden wird. Zur Eröffnung der Konferenz übergab Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier einen Sonderpreis des Internationalen Preises des Westfälischen Friedens an Margot Friedländer übergibt. Die 103-Jährige überlebte als deutsche Jüdin den Holocaust und wird für ihre Aufklärungsarbeit als Zeitzeugin geehrt, die sie seit ihrer Rückkehr aus dem US-amerikanischen Exil nach Deutschland vor 15 Jahren leistet.

Kritik an der militärischen Verteidigungsfähigkeit

Im Vorfeld der 2. Westfälischen Friedenskonferenz haben vier Friedensinitiativen gemeinsam einen offenen Brief veröffentlicht, der mit einem Appell zur Abrüstung und friedlichen Koexistenz endet. Die zur 1. Westfälischen Friedenskonferenz gegründete Gruppe „Signal aus Münster und Osnabrück“, deren Logo oben zu sehen ist, die FiM (Friedensinitiative in Münster), die Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte Kriegsdienstgegner (DFG-VK) und die Friedensinitiative Nottuln machen sich „große Sorgen, dass es zur militärischen Verteidigungsfähigkeit keine echte Alternative mehr geben soll.“

im Krieg gibt es keine Sieger

Friedensdemo schon vor dem Überfall auf die Ukraine. In Dülmen protestierten Friedensgruppen 2021 für Frieden schaffen ohne Waffen. (Foto: Werner Szybalski)

Gegenwärtige Wahrnehmung der Friedensinitiativen

  • 800 Milliarden Euro sind in den nächsten Jahrfen europaweit für Verteidigung und Militär (und Zivilschutz) vorgesehen.
  • Das Militärische soll Priorität vor dem Zivilen bekommen.
  • Deutschland soll unter einen (eventuell französischen) atomaren Schutzschirm schlüpfen.
  • Die Polarisierung in unserer Gesellschaft wie auch zwischen Ländern und Kulturen nimmt weltweit zu.
  • Statt dringende globale Probleme wie die Bewältigung der Folgen des Klimawandels und der Armut anzugehen, wird vorrangig in Zerstörung und Bedrohung investiert.

Die Besorgnis der Friedensinitiativen

  • Wir befürchten, dass sich der Krieg immer mehr ausweitet.
  • Der Geist des Westfälischen Friedens „Toleranz durch Dialog“ wird nicht aufgenommen.
  • Mehr in Verteidigung und Abschreckung zu investieren, verletzt unser Bedürfnis nach einem friedlichen Zusammenleben der Menschen.
  • Wir befürchten, dass nur noch der militärische Weg gedacht wird und die Aufnahme von Kontakten, Gesprächen und das Finden von Gemeinsamkeiten nicht den gebührenden Stellenwert für eine Lösung von Konflikten bekommt.

Der Appell der Friedensinitiativen

  • Helfen Sie, Brücken der Begegnung zu bauen.
  • Investieren Sie in menschliche Begegnungen, wissenschaftliche und wirtschaftliche Zusammenarbeit, Jugendaustausch, Kulturprogramme – gerade auch mit Ländern, zu denen die Beziehungen angespannt ist.
  • Setzen Sie sich für ein Ende des nuklearen Wettrüstens ein und unterstützen Sie den Beitritt Deutschlands zum Atomwaffenverbotsvertrag.
  • Investieren Sie nach Ihren Möglichkeiten in konstruktive Lösungen zur Beilegung von Konflikten.
  • Setzen Sie sich für eine Stärkung internationaler Organisationen (UNO, u.a.) und die Wiederaufnahme von Abrüstungsverhandlungen und Rüstungskontrollverträgen ein.
  • Bitte setzen Sie sich dafür ein, dass Europa zukünftig Konfliktfrüherkennung und -verhinderung zur Priorität macht. Zwei große verheerende Weltkriege, die Deutschland initiiert hat, haben uns in unserer jüngsten Geschichte gelehrt: im Krieg gibt es keine Sieger.

Unterzeichnet haben den Offenen Brief Dr. Brigitte Hornstein für Signal, Rixa Borns für die FiM, Jewgenij Arefiev für die DFG-VK und Brigitte Balmer-Landwehr für die Friedensinitiative Nottuln.

LEG verkauft wieder Sozialwohnungen

Kemna Immobilien Gruppe aus Kamen erwirbt im Recklinghäuser Stadtteil König Ludwig 386 Wohnungen von der LEG

Die LEG Immobilien SE ist offensichtlich gut durch ihre Krise im Vorjahr gekommen, als keine Dividende an die Aktienbesitzer*innen ausgeschüttet werden konnte. Die im Januar 2024 fällig gewordene 500-Millionen-Euro-Anleihe sowie weitere Schulden konnten laut Pressemitteilung des zweitgrößten Wohnungsunternehmens aus NRW mit Sitz in Düsseldorf refinanziert worden. Bis Mitte 2025 müssten nun keine Schulden mehr bedient werden.

Zudem habe die LEG, die über 181 Millionen Euro auf der Hauptversammlung am 23. Mai 2024 an ihre Aktionäre*innen verteilen will, auch weiterhin ungeliebte Immobilien verkaufen können. „Trotz der Kaufzurückhaltung auf dem Markt für Wohnimmobilien“ sei es der LEG im Jahr 2023 gelungen, rund 2000 Wohnungen und mehrere gewerbliche Objekte für rund 155 Millionen Euro zu verkaufen. Davon 1316 Wohnungen für zusammen 80,3 Millionen Euro im Jahr 2023. Dabei, so die LEG, sei ein Liquiditätsüberschuss von 55,2 Millionen Euro erzielt worden. Insgesamt stünden 5000 Wohnungen zum Verkauf. Nicht bekannt gab das profitorientierte Unternehmen, welche Standorte konkret vom Verkauf betroffen sein könnten.

374 Sozialwohnungen in ehemaliger Bergbausiedlung verkauft

Jüngst verkaufte die LEG in Recklinghausen 386 Wohnungen mit einer Gesamtmietfläche von rund 26.080 m² an das Kamener Privatunternehmen Kemna Immobilien. 96,89 Prozent der Wohnungen (insgesamt 374) in der Siedlung „Kolonie König Ludwig“ sind öffentlich gefördert, also sogenannte „Sozialwohnungen“ für deren Anmietung ein Wohnberechtigungsschein erforderlich ist. Über den Verkaufspreis der fast 400 Wohnungen in der Emscherzone wurde öffentlich nichts bekannt. Offensichtlich besteht dort Renovierungsbedarf, denn der Käufer will „die Objekte langfristig entwickeln“. Dies könnte natürlich – schrecklich für die Mieter*innen – auch Modernisierung bedeuten, die von den Mieter*innen zu tragen ist, was in der Regel happige Mietsteigerungen beinhaltet.

Im Jahr 1886 begann mit zwei Schächten die Kohleförderung auf der Zeche / Gewerkschaft „König Ludwig“ in Recklinghausen. Zwischen 1900 und 1903 wurden weiterer Schächte abgeteuft. In den 1930er Jahren wurde ein Verbund mit Zeche Ewald geschaffen. Die Salzgitter AG legte zwischen 1963 und 1965 die Zeche König Ludwig still. Die Siedlung „Kolonie König Ludwig“ entstand in der ersten Dekade des vergangenen Jahrhunderts Die König-Ludwig-Siedlungen wurden südwestlich der Zeche in drei Bauphasen „auf der grünen Wiese“ errichtet. In den 1960er Jahre gingen die Wohnungen an Salzgitter Wohnungs-GmbH. Später erfolgte eine denkmalgerechte Sanierung sowie umfangreiche Wohnungsmodernisierung, bei nur „einfacher Gestaltung des Wohnumfeldes“. Im neuen Jahrtausend kaufte die heute zum Vonovia-Konzern gehörende Grainger two GmbH die Siedlung. 2016, also acht Jahre nach ihrer Privatisierung, übernahm die LEG Wohnen die Wohnungen. 2024 gingen 386 Wohneinheiten mit einer Gesamtmietfläche von rund 26.080 m² an die „Kemna Immobilien Unternehmensgruppe“ aus Kamen. 374 der 386 Wohneinheiten (96,89 %) sind öffentlich gefördert. (Quelle: Siedlungskultur in Quartieren des Ruhrgebietes)

Was geschieht am Berg Fidel und in Kinderhaus?

„Durch ein stabileres Zinsumfeld sieht die LEG eine allmähliche Wiederbelebung des Transaktionsmarktes und freut sich, dass das Portfolio in Recklinghausen in gute Hände abgegeben wurde“, wird Georg zu Ysenburg, Bereichsleiter Akquisitionen bei der LEG, in der Pressemitteilung vom 12. März 2024 zitiert.

Wie Mieter*innen aus Kinderhaus berichteten, wurden vom Vermieter jüngst Maßnahmen an ihren Häusern ohne Modernisierungsankündigung vorgenommen. Natürlich kam sofort der Verdacht auf, das die Wohnungen zu den 5000 von der LEG geplanten zu veräußernden Objekte gehören würden.

Gleiches droht den Bewohner*innen der rund 700 LEG-Wohnungen und den Pächter*innen der LEG-Gewerbeobjekte am Berg Fidel. Modernisierungsmaßnahmen waren schon angekündigt. Diese wurden dann aber im Vorjahr überraschend vom Unternehmen abgesagt, obwohl zweifelsfrei in den LEG-Wohnungen an der Hogenbergstraße, am Rincklakeweg, an der Von-Corvey-Straße und zwischen Trauttmansdorffstraße, Pictoriusstraße sowie Pamkokstraße dringender Renovierungsbedarf besteht, da die Häuser von der LEG seit Jahren vernachlässigt wurden.

LEG-Ziel in Münster sind 10 € Miete pro Quadratmeter

Da die LEG in Münster mittelfristig eine Kaltmiete von zehn Euro pro Quadratmeter anstrebt, was sie aktuell aber nur in wenigen Objekten, wie zum Beispiel dem dritten Bauabschnitt in der autoarmen Weißenburgsiedlung auf der Geist, schafft, ist mit dem Verkauf der günstigen Wohnungen in Hiltrup, Berg Fidel, Angelmodde oder Kinderhaus, wo es noch keine Modernisierungsmaßnahmen gab zu rechnen. Objekte wie zum Beispiel die LEG-Häuser in Uppenberg, wo durch die gesetzlich zulässigen Mieterhöhungen der Preis in den kommenden Jahren auf zehn Euro pro Quadratmeter hochgetrieben werden kann, dürften hingegen nicht zum Verkauf stehen. Für Investoren wie die Kamener Kemna Immobilien Gruppe dürfte Münster allerdings nah genug am „östlichen Ruhrgebiet“ liegen, zumal auch Gewerbeimmobilien im Angebot sein dürften.

Die Kemna Immobilien Gruppe ist ein inhabergeführtes Immobilieninvestmentunternehmen mit Sitz in Kamen. Kerngeschäft ist der Ankauf, die Bewirtschaftung und die Entwicklung von Bestandsimmobilien in Nordrhein-Westfalen, insbesondere der Region östliches Ruhrgebiet. In der Zukunft plant die Kemna Gruppe weitere Ankäufe von entwicklungsfähigen Wohnimmobilien ab ca. 100 Einheiten sowie Gewerbeimmobilien im Bereich Lager-/Produktion.

Die LEG SE mit acht Niederlassungen – darunter auch eine in Münster – ist mit rund 166.500 Mietwohnungen und rund 500.000 Bewohnern ein führendes börsennotiertes Wohnungsunternehmen in Deutschland.