DB ist regional ein Bremsklotz

„Warendorfer“ wird ausgebremst – Forderung von 1991 noch immer nicht umgesetzt

Von Werner Szybalski

Die Misere des Schienenpersonennahverkehr (SPNV) nicht nur im Münsterland geht weiter – Verbesserungen sind nicht wirklich in Sicht. Da sind Bürgermeister (von Telgte und Warendorf) leider genauso machtlos, wie die Menschen, die sich teilweise seit Jahrzehnten für eine Attraktivitätssteigerung der Schiene in Münster und dem Münsterland einsetzen. Einer der größten Bremsklötze ist ausgerechnet die ehemalige Deutsche Bundesbahn (DB).

Am 7. März 2025 gab die Stadt Warendorf eine Pressemeldung heraus, die die SPNV-Misere erneut verdeutlicht: „Mit großer Bestürzung haben die Bürgermeister der Städte Telgte und Warendorf, Wolfgang Pieper und Peter Horstmann, die Entscheidung im DB-Konzern zur Kenntnis genommen, dass offenbar aus strategischen Gründen der Prozess zur Bündelung und Schließung der technisch nicht gesicherten Bahnübergänge auf der Bahnstrecke 2013 von Münster über Telgte nach Warendorf bis mindestens 2031 nicht weiterverfolgt werden soll. In einem gemeinsamen Brief an Bundesverkehrsminister Dr. Volker Wissing, Bahnchef Dr. Richard Lutz und den Vorstandsvorsitzenden der DB InfraGO AG Dr. Philipp Nagl fordern sie eindringlich diese Entscheidung zu revidieren.“

Schon Ende 1991 forderte der Verkehrsclub Deutschland (VCD), damals gemeinsam mit dem ehemaligen SPD-Ratsherrn Rudolf Steingrube die Kommunalisierung der Bahnstrecke von Münster nach Warendorf:

Schon 1991 forderten der spätere Bürgermeister von Greven, Rudolf Steingrube, und der VCD Münsterland eine regional betriebene, moderne Bahn zwischen Warendorf, Münster und Neubeckum. (Artikel aus den Westfälischen Nachrichten)

Auch aktuell ist der VCD federführend bei der Kritik an der Entscheidung der DB InfraGO. In seiner Pressemitteilung verdeutlicht der VCD – gemeinsam mit Pro Bahn – grundsätzlich, woran es beim SPNV und seiner Zukunft im Münsterland mangelt: Der Fortschritt beim Bahnverkehr im Münsterland ist eine Schnecke, die teilweise sogar rückwärts kriecht. Die WLE-Reaktivierung nach Sendenhorst verzögert sich seit Jahren; die längst überfällige Elektrifizierung der Bahnlinie nach Enschede wird vermutlich in den kommenden Jahren nicht realisiert; der Ausbau der Bahnstrecke nach Dortmund könnte erneut an Finanzierungsfragen scheitern. Aufgrund des Personalmangels ist das Bedienungsangebot auf einigen (von privaten Unternehmen bedienten) Regionalbahnstrecken heruntergefahren und jetzt verschiebt sich auch noch die Modernisierung der DB-Strecke zwischen Münster und Rheda-Wiedenbrück.

Gehört die Zukunft auf der Strecke nach Warendorf dem DB-Bus (im Hintergrund) oder der Eurobahn? (Fotos: Werner Szybalski)

Ein verlässlicher und leistungsfähiger Schienenverkehr ist von entscheidender Bedeutung für die Mobilität der Menschen in unserer Region. Insbesondere in Zeiten des Fachkräftemangels ist eine gute Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr essenziell, um Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im ländlichen Raum zu unterstützen, erklärten die Bürgermeister Pieper und Horstmann in der Pressemitteilung der Stadt Warendorf.

Thomas Lins

Thomas Lins, Vorsitzender des VCD Münsterland und ehemaliger grüner Lokalpolitiker in Warendorf, verdeutlicht: „Die Meldung, dass die Bahnstrecke von Münster nach Warendorf frühestens ab den 30er Jahren ertüchtigt wird, ist ein Schlag ins Kontor für alle, die sich für eine ressourcenschonende Gestaltung des Verkehrs einsetzen. Gerade diese Bahnstrecke des »Warendorfer« ist aufgrund der vielen unbeschrankten Bahnübergänge in Bahnkreisen als »Westfalentöter« berüchtigt. Wenn jetzt die Ertüchtigung der Strecke auf Jahre verschoben wird, bleibt die hohe Unfallgefahr und das markerschütternde doppelte Pfeifen vor jedem der rund 30 unbeschrankten Bahnübergänge. Auch der geplante Halbstundentakt zwischen Münster und Warendorf ist mit der jetzigen geringen Fahrgeschwindigkeit nicht realisierbar.“

KOMMENTAR

Weichen neu stellen – Regionalisierung

Die gewählten Lokalpolitiker*innen zwischen Beelen und Bocholt sowie Werne und Ibbenbüren träumen von der S-Bahn Münsterland. Leider werden, trotz avisierter Milliarden für öffentliche Infrastrukturmaßnahmen durch den Bund, die Probleme im regionalen SPNV immer wieder verschoben oder gar aufgegeben. Trotz der Lippenbekenntnisse der gewählten Mandatsträger*innen in den politischen Gremien des Münsterlandes. Dies liegt auch an der Zuständigkeit. So lange die Menschen im Münsterland nicht eigenverantwortlich mit Schienen, Bahnhöfen, Haltepunkten und deren Betrieb umgehen können, wird das Münsterland schienentechnisch bleiben, was es ist: Provinz. Werner Szybalski

Straßenbahn für Münster

Ende Oktober lud Pro Bahn Münsterland zur Auftaktveranstaltung zur Wiedereinführung der Straßenbahn in Münster. Mit rund 40 interessierten Schienenfreund*innen diskutierte Wolfgang Seyfert von der Straßenbahninitiative Osnabrück in der B-Side am Stadthafen in Münster die Perspektiven für den schienengebunden Nahverkehr in Städten und speziell in Osnabrück und Münster.

Zuvor hatte im Stadthaus 3 am Albersloher Weg Werner Szybalski vom Pro-Bahn-Vorstand im Münsterland vor dem Hintergrund der restaurierten „Elektrischen“, wie die Straßenbahn von den Münsteraner*innen genannt worden war, über die gut 50-jährige Geschichte der Tram in der Domstadt informiert. Vor genau 70 Jahren (siehe unten) endete die Geschichte der Tram in Münster – allerdings nur vorläufig, wenn auf die Meinung der Teilnehmer*innen der Pro-Bahn-Veranstaltung gehört wird.

In Osnabrück wäre die Wiederbelebung der Tram machbar

Der Rat der Stadt Osnabrück hatte eine Machbarkeitsstudie für die Reaktivierung der Tram in Auftrag gegeben. Dies allerdings nur, weil die Straßenbahn-Initiative Osnabrück (SBI) zuvor rund 5000 Unterstützer*innenunterschriften für die Wiedereinführung der Tram in Osnabrück gesammelt hatte. Das 80.000 Euro teure Gutachten des Dresdener Planungsbüros VKT stellte die SBI-Mitglieder zufrieden, denn es bescheinigte ihnen, dass es durchaus realistische Perspektiven für die Renaissance des Schienenverkehrs in Osnabrück gibt.

„Die Straßenbahn allein ist nicht die Lösung, aber sie ist die Königin der Mobilität“, unterstrich der emeritierte Professor Wolfgang Seyfert aus Osnabrück gleich zu Beginn seines Vortrages. Zunächst verglich er die verkehrliche Situation zwischen Münster und Osnabrück, die überraschend viele Parallelen ausweise. So sind im Vergleich mit gleichgroßen deutschen Städte Münster und Osnabrück bei der Verkehrswegenutzung (Modalsplit) beide Schlusslicht in den Bereichen Öffentlicher Personennahverkehr (ÖPNV) und Fußverkehr.

Wolfgang Seyfert von der Stadtbahn-Initiative Osnabrück warb bei Pro Bahn Münsterland für ein Revival der Straßenbahn in Münster. Foto: Wolfgang Bensberg

Seyfert hielt fest, dass es Münster ganz gut gelingt, den motorisierten Individualverkehr (Autos) einzuschränken, um aber kritisch erklärend für die genannten Schlusslichtpositionen der benachbarten Orte anzumerken: „Bei Städten der Größe von Münster und Osnabrück brauchen Fußgänger*in einen gut funktionierenden ÖPNV. Die Städte mit hohem ÖPNV-Anteil haben eine Tram.“

Renaissance der Straßenbahn in Frankreich

In französischsprachigen Städten erlebt die Tram ab den 80er Jahren des vergangenen Jahrhundert eine Renaissance. Seyfert: „1971 waren in Frankreich nur noch drei kleine Tramsysteme übrig: in Saint-Étienne, drei Kilometer Strecke in Marseille und in Lille.“ 1975 erfolgte die Cavaillé-Initiative. Marcel Cavaillé, Staatssekretärs im Verkehrsministerium in Paris, forderte in einem Brief die Stadtverwaltungen von Bordeaux, Grenoble, Nancy, Nice, Rouen, Strasbourg, Toulon and Toulouse auf, Konzepte für ihren Stadtverkehr zu entwickeln. „Alle Cavaillé-Städte – bis auf Toulon – haben heute eine Tram. Toulouse baut gerade. Viele andere, auch die ganz großen wie Paris, Marseille und Lyon setzen inzwischen auf die Tram. Spät, aber umfassenden kam der Umschwung in Bordeaux. Die Stadt wurde vom Nachzügler zum Vorreiter in Sachen Straßenbahn und Stadtentwicklung. So gelang der Wandel von einer etwas heruntergekommenen Hafenstadt zum Weltkulturerbe in 2007“, erläuterte Seyfert, der anschließend ein Beispiel aus seiner Geburtsheimat vortrug.

Optimaler Planungsprozess in Calgary

In Ulm sollte die letzte 5,5 Kilometer lange Straßenbahnstrecke 1975 still gelegt werden. Dies wurde durch Proteste der Bürger*innen verhindert. Später konnte diese Tramlinie verlängert werden und zwischen 2025 und 2018 wurde eine zweite Linie gebaut. „Heute sorgen rund 50 Prozent aller Fahrgäste auf den nur zwei Straßenbahnlinien dafür, dass in Ulm die Tram das Rückgrat des öffentlichen Verkehrs bildet“, berichtete der Osnabrücker.

Calgary im südlichen Kanada, das Zentrum der kanadischen Öl- und Gasindustrie mit über 1,6 Millionen Einwohner*innen. „Das 2005 gestartete Projekt Imagine Calgary, war eine umfassende kommunale Visions- und strategische Planungsinitiative, die die langfristige Entwicklung von Calgary beeinflussen sollte“, verdeutlichte Seyfert, dass dieser Planungsprozess aus seiner Sicht optimal verlaufen sei: „Das vermutlich breiteste Beteiligungsverfahren weltweit. In 18 Monaten, von 2005 bis 2007, waren 18.000 Bürger*innen am Verfahren beteiligt.“ Mit einem Planungshorizont von 50 bis 100 Jahren wurde die gesamte Stadtentwicklung entlang von festgelegten Verkehrskorridoren, die schon ab Baubeginn mit öffentlichen Verkehr bedient wurden, geplant. „Dabei ist die Tram das Rückgrat und die letzte Stufe der Verkehrsplanung. Weil so jede neue Bahn sofort ziemlich voll war, blieben die Betriebskosten der Tram pro Passagier von Beginn an niedrig bei einem Sechstel der Betriebskosten eines Busses.

Zürich kämpft für Tram und Fahrrad

Die Züricher*innen lieben ihre Straßenbahn, berichtete Wolfgang Seyfert. Drei Mal (1960 mit 70 Prozent, 1962 mit 63 Prozent und 1973 mit 71 Prozent) lehnten sie in Volksabstimmungen die Verlegung der Tram in den Untergrund ab und 2020 stimmten sie für ein 130 Kilometer langes Velovorzugsroutennetz in der Stadt. „Viel mehr geht nicht“, so Seyfert.

Letzte Fahrt vor 70 Jahren

Genau vor 70 Jahren, am Donnerstag, dem 25. November 1954, fuhr die Straßenbahn letztmalig durch Münster. Das Ende nach nur 53 Jahren kam nicht überraschend. Schon gut ein Jahr zuvor musste im Oktober die Linie 2 auf der Warendorfer Straße aufgegeben werden. Die Gleise waren, vermutlich wegen eines nicht ausreichend gefüllten Bombenkraters unter der Straße, abgesackt, so dass die Tram nicht mehr fahren konnte. Schon direkt nach dem Krieg hatte ein externer Gutachter empfohlen, zukünftig auf die vom Volksmund „Elektrische“ oder „Strom“ genannte Straßenbahn zu verzichten. Als im Herbst die Sperrung einer der Hauptlinien hinzukam, schlug die Stimmung langsam um in Richtung „modernen Bus- beziehungsweise O-Busbetrieb in Münster.

Die letzte Fahrt des Wagen 60 der Elektrischen in Münster: Im Hintergrund ist die abgerissene Kiesekamps Mühle am Albersloher Weg erkennbar. Heute steht dort das Cineplex. Foto: Universität Münster

Das Aus für die Elektrische in der Domstadt – zurückblickend sicherlich als politische Fehlentscheidung einzustufen – nahmen viele Münsteraner*innen zum Anlass, sich mit einer letzten Fahrt von der Straßenbahn zu verabschieden. Die Westfälischen Nachrichten (WN) schrieben damals, dass tagsüber die „Straßenbahnwagen auffallend starken Verkehr gehabt. Die konservativen Münsteraner, die sich nur schweren Herzens von liebgewordenen Einrichtungen trennen können, nahmen Gelegenheit zu Abschiedsfahrten.“

Auf der tatsächlich letzten Fahrt der Elektrischen wurden unter anderem die Mitglieder des Rates der Stadt mit den Straßenbahnwagen 57, 60 und 62 – außen verziert mit der Aufschrift „Letzte Fahrt“ – von der Lambertikirche durch die Stadt ins Straßenbahndepot am Albersloher Weg gefahren. Eine große Menschenmenge begleitete diese Fahrt. Am Schaltbrett des letzten der drei Wagen stand Oberfahrer Eduard Jenschenfelde, der schon seit drei Jahrzehnten die Elektrische durch Münster bugsierte. Die Menschen winkten, als sich der in den WN „Trauerzug“ genannte Tross in Bewegung setzte. Es wurde extra langsam gefahren, um den Zuschauer*innen am Schienenstrang und in den Fenstern Gelegenheit zum Abschied zu geben. Mit dem „Straßenbahn-Abschiedsschmaus“ an der Haltestelle Stadtwerke, laut WN-Bericht im Regen, endete diese Ära in Münster. Zurück in die Stadt ging es anschließend per Autobus.

Pro Bahn Münsterland fordert Machbarkeitsstudie

Pro Bahn Münsterland möchte in einem Folgetreffen zum oben beschrieben Auftakt mit Seyfert besprechen, wie die Forderung „Reaktivierung der Straßenbahn in Münster“ weiter umgegangen werden soll. Es soll mit möglichst vielen interessierten Menschen am Freitag, dem 6. Dezember 2024, von 17 Uhr bis 19 Uhr im Umwelthaus (nicht barrierefrei) in der Zumsandestraße 15 stattfinden.

„Beim Treffen wird der Pro-Bahn-Nikolaus zunächst die bisherigen Vorschläge und Ideen zur Reaktivierung der Straßenbahn in Münster aus dem Sack lassen“, heißt es in der öffentlichen Einladung von Pro Bahn an alle interessierten Straßenbahnfreund*innen. So werden die abgelehnten Vorschläge aus dem Rat der Stadt Münster vorgestellt. Unter anderem dabei sind die Ratsanträge der CDU Münster („Von der Regionalbahn zur Stadtbahn“) aus dem Jahr 2016 und der SPD Münster („Eine Stadtbahn für unsere Stadt“) aus dem Jahr 2017. Verschiedene Vorschläge aus dem Internet runden den ersten Teil der Versammlung ab.

Anschließend soll gemeinsam besprochen werden, wie die Straßenbahn-Zukunft in Münster in die Spur oder besser „auf die Schiene“ gebracht werden könne. Bedeutsam dabei könnte, wie in Osnabrück erfolgreich durchgeführt, eine Machbarkeitsstudie zur Straßenbahn in Münster sein. Ob dies ein erster sinnvoller Schritt ist und was gemeinsam getan werden kann, um ihn zu gehen, soll Hauptdiskussionspunkt im Umwelthaus werden.