Wohlfühlen im Martiniviertel

So sehen die Planer*innen die Hörsterstraße nach Abschluss der Umgestaltung. (Visualisierung: SAL Landschaftsarchitektur)

Stadtnahes Quartier wird ab Mai umgestaltet

„Mehr Grün, mehr Aufenthaltsqualität, mehr Klimaschutz und mehr Raum für alle, die zu Fuß oder mit dem Fahrrad unterwegs sind“, verspricht die Stadt Münster in einer Presseerklärung zur Zukunft des innerstädtischen Martiniviertels. Diese Ziele sollen durch die Umgestaltung der Hörsterstraße, der Martinistraße und der Stiftsherrenstraße sowie des kleinen Platzes am Bült realisiert werden. Das zu Grunde liegende Konzept entspricht dem Siegerentwurf des NRW-Fördermittelwettbewerb „ZukunftStadtRaum“ aus dem Jahr 2022. Vor den Umbauten will ab Mai die städtische Tochter „Stadtnetze Münster“ im Quartier die Versorgungsinfrastruktur modernisieren. Die Öffi-Nutzer*innen aus Coerde werden überwiegend nicht profitieren.

Die geplanten drei Bauphasen im Martiniviertel, die fünf Bauabschnitte beinhalten. Nach Erneuerung der Versorgungsinfrastruktur erfolgt die bauliche Umgestaltung zwischen Promenade und Bült. Los gehen soll es im Mai 2025. (Grafik: © Stadt Münster)

Stadt setzt auf Fernwärme statt auf Wärmepumpen

Zunächst wird das Fernwärmenetz aus den 1980er-Jahren im Viertel erneuert. Die Hörsterstraße wird komplett neu angeschlossen. Die Stadt sieht die in Blockheizkraftwerken und dem Kraftwerk am Hafen mit Gas erzeugte Fernwärme gegenüber den zweifelsfrei mit höherem Wirkungsgrad Energie erzeugenden Wärmepumpe im Vorteil. In der Pressemitteilung heißt es: „Der Ausbau der Fernwärme als klimagerechte Alternative zur Wärmepumpe [steht] im Fokus.“ Zudem sollen für mehr Kapazitäten im Stromnetz sowie sichere Internetversorgung neue Kabel verlegt werden. Teilweise würden auch die Trinkwasserleitungen erneuert.

Arbeiten erfolgen in fünf Bauabschnitten

Im Bereich Lotharingerstraße / Hörstertor / Promenade sowie in der Hörsterstraße zwischen Gartenstraße und Lotharingerstraße werden zunächst die Wärmeleitungen erneuert. Darauf folgen die Leitungsarbeiten in weiteren Abschnitten der Hörsterstraße, der Stiftsherrenstraße sowie der Martinistraße. Jeder der fünf Bauabschnitte soll rund sechs Monate dauern. Dabei können die Arbeiten, die auch im Bereich der alten Stadtmauer Münsters erfolgen, durchaus verzögert werden. Dann nämlich, wenn die Archäolog*innen auf bedeutende Funde stoßen.

Die Regionalbusse S 60, S 90 und X 90 verlieren ihre Betriebshaltestelle in der Lotharingerstraße und werden somit dauerhaft aus dem Martiniviertel vertrieben. (Foto: Werner Szybalski)

Wegen der engen Straßen im Quartier erfordern die Bauarbeiten besondere Maßnahmen. So wird zunächst die Lotharingerstraße für die Durchfahrt gesperrt – Pkws, Fahrradfahrer*innen und natürlich auch die Busse aus Coerde können die Umleitung durch die Stiftsherrenstraße nutzen. Trotzdem bleiben das Standesamt mitsamt – für Münster eigentlich wenig überraschend – der zugehörenden Parkplätze und auch das türkische Konsulat, die Sporthalle und Geschäftsstelle der TG Münster sowie andere Ziele (automobil?) erreichbar.

Über vier Millionen Euro vom Land NRW

Parallel zur Sanierung der Versorgungsinfrastruktur finalisiert Münsters Stadtverwaltung die Planungen für die Neugestaltung des Martiniviertels. Neue Bodenbeläge aus Natursteinpflaster, Wasserelemente, Grünflächen mit Bäumen und Pflanztrögen, kleine Bereiche für Außengastronomie und weitere Sitzmöglichkeiten sieht das Konzept vor. Ende 2028 soll alles fertig sein.

Die Wohlfühlmaßnahmen für die Bewohner*innen und Besucher*innen des Martiniviertels wurden im Oktober 2022 im Rat der Stadt beschlossen. Gut zehn Monate später bewilligte für die Planungen und den Umbau das Land NRW Fördermittel in Höhe von rund 4,1 Millionen Euro.

Öffi-Nutzer*innen profitieren nicht

Nicht so erfreut über das unmittelbar an das Stadtzentrum angrenzende zukünftige Wohlfühl-Quartier sind die Nutzer*innen des Öffentlichen Verkehrs. Die Hälfte des innerstädtischen Busangebots wurde im Quartier schon gestrichen – die Linie 6 fährt nun von Coerde kommend schon nicht mehr durch das Martiniviertel (und Kreuzviertel), um die Fahrgäste direkt in die Innenstadt zu bringen, sondern über die Gartenstraße daran vorbei in Richtung Hauptbahnhof. Noch härter trifft es die Öffi-Nutzer*innen aus dem Kreis Coesfeld, denn ab Mai enden die Regionalbusse aus Nottuln (S 60), Senden (S 90) und Lüdinghausen (X 90) am Hauptbahnhof statt am zukünftig noch einladender gestalteten Bült. Natürlich müssen die Fahrgäste aus dem Kreis Coesfeld dann auch zur Abfahrt ihres Busses zum Hauptbahnhof.

Fahrtziel der Linie 8 wird geändert – Fahrtzeit zum Bült verlängert

Inzwischen bedient nur noch die Linie 8 von Coerde kommend das Kreuz- und das Martiniviertel. Die Linie 6 fährt direkt vom Pumpenhaus zur Eisenbahnstraße. (Foto: Werner Szybalski)

Die im Titelbild gezeigte erneuerte Hörsterstraße wird, wie die Stadtwerke Münster auf Nachfrage mitteilten, nach dem Umbau auch nicht mehr von der Linie 8 genutzt werden dürfen. Gemäß Ratsbeschluss vom 21. Februar 2024 soll die Linie 8 spätestens nach Abschluss der Umbaumaßnahme in der Hörsterstraße von der Lotharinger Straße am Standesamt links in Richtung Bohlweg abbiegen. An der Kreuzung hinter der Promenade geht es über die Fürstenbergstraße dann rechts ab zum Bült.

Vier statt einer Ampel auf der kurzen Strecke

Somit müssen möglicherweise vier zusätzliche Stopps an Ampeln eingeplant werden. Bislang muss der Bus, wie im Bild oben, nur am Bült auf Grün warten. Die Fahrtzeit beträgt laut Stadtwerke derzeit zwischen den Haltestellen Standesamt und Altstadt / Bült drei Minuten. Das wird auf dem sicherlich mehr als dreimal so langen zuküftigen Fahrweg nicht annähernd erreichbar sein.

Zudem ändert sich natürlich auch das Fahrtziel der Linie 8, die dann aus der Gegenrichtung die Altstadt erreicht. Wolbeck dürfte nach der Fahrt am Schlossplatz vorbei und über den Stadtgraben sicherlich nicht angesteuert werden. So müssen wohl auch die Fahrgäste der Linien 15 und 16 aus Richtung Kinderhaus sich auf eine geänderte Linienführung zumindest eines der Busse einstellen.

Weitere Verschlechterungen für Öffi-Nutzer*innen aus Coerde

Eine weitere Verschlechterungen insbesondere für die Öffi-Nutzer*innen aus Coerde. Sie müssen für ein Wohlfühlviertel im Innenstadtbereich sich zukünftig entscheiden, ob sie den Hauptbahnhof (und die Eisenbahnstraße) oder den Bült erreichen wollen. Dabei wird die Fahrzeit zur Haltestelle Altstadt / Bült mit der zukünftigen Linienführung länger dauern. Profitieren dürften neben den Anwohner*innen der Hörsterstraße die paar Coerder Busnutzer*innen, die in Richtung Amtsgericht, Aasee oder Pluggendorf wollen – sie bekommen eine Direktverbindung.

Polizei bremst Fröhliche Fahrraddemo

Organisator ärgert sich über das Verhalten der Ordnungskräfte

Am Samstag (29. März 2025) radelten zum zweiten Mal Eltern mit ihren Kindern demonstrierend vom Zentrum Nord durch Rumphorst, Erpho- und Martiniviertel zum Spielplatz an der Coerdestraße. Dabei ging es den Organisatoren um Franz Schröer besonders darum, deutlich zu machen, dass im Verkehr noch immer viel zu wenig Platz für Kinder – insbesondere wenn diese schon eigenständig mobil sind – gibt und in Münster noch immer zu viel Platz für stehende und rollende Autos vorhanden ist.

Franz Schröer organisierte maßgeblich die 2. Fröhliche Fahrraddemo. (Fotos: Werner Szybalski)

Eltern, die ihre Kinder mit dem Fahrrad, Roller oder zu Fuß statt mit dem Auto in den Kindergarten oder auch in die Vor- und Grundschule bringen, erfahren es täglich – in der „Fahrradstadt“ Münster lauern gerade für Kinder im Verkehr unzählige von den Kids teilweise nicht zu überblickende oder zu erkennende Gefahren. Dies insbesondere durch die an die Automobilität angepassten Verkehrswege. Zwar gäbe es in der Domstadt – Beispiel Fahrradstraßen – viele gut gelöste Maßnahmen für den Radverkehr. Aber selbst diese wären nicht immer kindgerecht, war auf der Fahrraddemo zu hören. Deshalb waren sich Eltern, Kinder und teilnehmende Omas und Opas sicher:

Münster kann mehr!

Zum zweiten Mal lud deshalb die Elternschaft der Fröbel Kita Zentrum Nord zur Fröhlichen Fahrraddemo. Dabei wurden die Eltern und ihre Kids nicht nur von etlichen Omas und Opas unterstützt, sondern auch vom Verein Rumphorstviertel, dem ADFC und Kidical Mass, die alle aktiv an der Protestfahrt teilnahmen. Das Polizeipräsidium Münster hatte zahlreiche Einsatzkräfte geschickt, um die Tour über durchaus stark frequentierte Straßen abzusichern. Am Pumpenhaus ging es links den Hohen Heckenweg hinauf. Hauptorganisator Franz Schröer fuhr vorne weg, um auch auf genügend Pausen für die jüngsten, selbständig radelnden Teilnehmer*innen zu achten. Aber schon beim Abbiegen in die Einmündung zur Piusallee geriet der Demoleiter erstmals in Stress: „Ich wollte kurz anhalten, um den Kids eine Verschnaufpause zu gönnen. Doch die Polizei wollte die Piusallee möglichst schnell für den Verkehr wieder frei haben. Die Kleinen mussten weiter in die Pedale treten.“

Mit Streifenwagen, Bullis, Fahrrädern und Motorrädern begleitete die Polizei Münster die 2. Fröhliche Fahrraddemo in Münsters nördlicher Innenstadt.

Fahrräder statt wie geplant Autos blockiert

Der erste längere Stopp war auf der Kreuzung Ostmarkstraße / Dieckstraße / Kirchstraße geplant. Als Franz Schröer mit seinem mit Lautsprecher versehenen Fahrradanhänger auf die von einem Streifenwagen frei gehaltene Kreuzung rollen wollte, stoppten ihn die Polizist*innen. „Der Einsatzleiter der Polizei erklärte mir, dass es unverhältnismäßig sei, für unsere Kundgebung die Kreuzung zu sperren und damit den Autoverkehr zu behindern. So haben wir, weil wenig später an der Kreuzung Bohlweg / Hörster Straße mit der Gartenstraße das gleiche passierte zwei Mal Fahrradstraßen statt Autos blockiert. So war das nicht gedacht.“

Franz Schröer musste einige Male mit den Ordnungshütern diskutieren. Nicht alles, was er angemeldet hatte, wurde der Demo auch tatsächlich ermöglicht.

Da habe er den Kaffee schon aufgehabt, erklärte er nach Ende der Demonstration im Rahmen der Aktionswochen „Straßen sind für alle da!“, die vom bundesweiten Aktionsbündnis Kidical Mass allerdings eigentlich erst im Zeitraum zwischen dem 5. und 25. Mai stattfinden. Aber die Elternschaft ist lieber zu früh als zu spät.

Die am Ende der Dieckstraße, die von Kindern mit Kreide bemalt und von Eltern beschriftet wurde, belohnten die Gäste des Café Herr Hase die Redebeiträge und Aktionen der 2. Fröhlichen Fahrraddemo mit spontanem Applaus, was natürlich bei den Demonstrant*innen sehr gut ankam.

Die erste Kundgebung mit Malaktion fand am Ende der Dieckstraße statt.

Klare Forderungen der Demonstrierenden

„Für unsere Kinder!“ „Für sicheren Radverkehr!“ „Für Straßen, die für alle da sind!“ schallte es aus Kehlen und Lautsprecher. Von der Dieckstraße ging es über die Piusallee ging es zum zweiten Stopp (mit dem schon beschriebenen zweiten Ärger bei Franz Schröer) zur Gartenstraße. Von dort wurde dann das Ziel mit der Abschlusskundgebung am und auf dem Promenaden-Spielplatz an der Coerdestraße angesteuert.

Schluss mit dem amtlichen Blick durch die Windschutzscheibe

Dort empfing Andrea Blome, Vorsitzende des Ratsausschusses für Verkehr und Mobilität den Fahrraddemozug. „Über ihren Besuch haben wir uns sehr gefreut“, erklärte Franz Schröer, dass die Politikerin der Grünen viel Verständnis für die Forderungen der Demonstrant*innen zeigte. „In Münster blickten noch immer zu viele Menschen in Stadtverwaltung und speziell im Ordnungsamt durch die Windschutzscheibe auf den Verkehr. Damit müsse endlich Schluss sein“, hätte Blome gefordert.

3. Fröhliche Fahrraddemo vor der Wahl im September

Trotz der wenig entgegenkommenden Ordnungskräfte will sich Franz Schröer nicht entmutigen lassen. Knapp ein Jahr nach der 1. Fröhlichen Fahrraddemo am 28. September 2024 soll der dritte „Streich“ noch vor der Kommunalwahl im September erfolgen. Franz Schröer: „Das sind wir unseren Kindern einfach schuldig.“

Busse werden ausgesperrt

Busnutzer*innen haben bei der innerstädtischen Mobilität in Münster die geringste Wahlmöglichkeit. Manchmal erweckt das ÖPNV-Angebot in Münster den Eindruck, es sei für die Nutzer*innen nach dem Motto „friss oder stirb“ gebastelt.

Jüngstes Beispiel für die Nachrangigkeit des Busangebots in Münster sind die Planungen der Verwaltung im Martiniviertel (Verkehrsversuch Hörsterstraße – Bült / Ratsvorlage V/0247/2021). Für zwei Monate soll rund um die Hörsterstraße ein Verweilviertel mit geringem motorisierten Durchgangsverkehr entstehen: „Grundlegendes Ziel des Verkehrsversuches Hörsterstraße – Bült ist es, die räumliche Dominanz des motorisierten Verkehrs in der engen Altstadtstraße und auf dem Platz am Bült abzuschwächen und die Verkehrsbelastung durch versuchsweise Unterbindung von Durchgangs- und Parksuchverkehren mittels einer Durchfahrtsperre wirksam zu verringern.“

Busnutzer*innen werden hart getroffen

Der Radverkehr wird – anders als die Busse – natürlich nicht ausgesperrt, sondern erhält sogar ein erweitertes Nutzungsangebot: Die Hörsterstraße soll dann auch ab Bült / Voßstraße erlaubt beradelt werden. Die Autofahrer*innen müssen sich einschränken, denn auch sie können einen Teil der Hörsterstraße nicht mehr befahren und beparken. Wirklich hart getroffen werden nur die Busnutzer*innen.

Die städtischen Linien 6 und 8 sollen weder die Kanalstraße noch das Martiniviertel mit der Haltestelle Altstadt / Bült befahren. Den ÖPNV-Nutzer*innen aus Coerde und Kinderhaus wird zugemutet, ab der Haltestelle Bohlweg die 330 Meter zum Bült (und dann weiter in die Innenstadt) zu Fuß zu bewältigen. Zudem wird das grundlegende ÖPNV-Konzept Münsters, dass bis auf die Ringlinen (33 und 34) alle Busse die Innenstadt und den Hauptbahnhof anfahren, für zumindest zwei Sommermonate aufgegeben.

Geringe Umleitung würde Ziel auch erreichen

Dabei wäre es möglich, die Ziele des Vorschlages auch ohne gravierende Nachteile für Busnutzer*innen zu erreichen. Die Linien 6 und 8 könnten aus Wolbeck und Angelmodde weiterhin die heutige Linie nach Norden fahren. Es tangiert den Verwaltungsvorschlag überhaupt nicht. Aus Richtung Kanalstraße könnten die beiden Buslinien die Stiftsherrenstraße statt der Lotharinger Straße und Hörster Straße befahren. Nur auf 86,56 Meter in der Nähe des Bült wäre das Verkehrsversuchsgebiet tangiert. Mit einem zusätzlichen Halt in der Stiftsherrenstraße gäbe es sogar nahezu null Einschänkungen für Busnutzer*innen.