„Tarifverträge für alle“

Maidemonstration des DGB Münster

Von Werner Szybalski

„Deutlich mehr als 700 Kolleg:innen auf Demo und Versammlung des DGB Münster“, freute sich am 1. Mai der Mitorganisator Carsten Peters vom DGB Münster. Los ging es um 11 Uhr im Hafen. Von dort zog die offizielle Maidemo des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) durch das Hansaviertel und die Innenstadt zum Prinzipalmarkt. Weiter ging der Protestzug – unter anderem für stärkere Tarifbindung und ein landesweites Tariftreuegesetz – durch die Salzstraße, am Stadthaus I vorbei zur Stubengasse. Dort fand die Kundgebung statt, deren Hauptrednerin in diesem Jahr die GEW-Landesvorsitzende Ayla Çelik war. Sie eröffnete ihren Beitrag mit dem persönlichen Bekenntnis zur „starken und wehrhaften Demokratie“.

Ayla Çelik, Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) in NRW sprach bei der DGB-Maikundgebung auf der Stubengasse. (Fotos: Werner Szybalski)

Unmut bei Dank an die Polizei

Ganz zu Beginn erinnerte Çelik an „die vielen Kolleginnen und Kollegen, die heute nicht dabei sein können, weil sie auch durch ihre heutige Arbeit das Land am 1. Mai am Laufen halten“ würden. Dabei erntete sie zunächst massive Buhrufe, da sie zuallererst der Polizei dankte, was beim linksradikalen Teil des Publikums ganz schlecht ankam. Auch ihr Versuch, diese Demonstrant:innen für die Erfolge der AfD in Deutschland verantwortlich zu machen, kam sehr schlecht an. Der Unmut unter den Zuhörer:innen breitete sich aus und ein ernsthafter Konflikt zwischen Teilen der Versammlung und der Hauptrednerin erschien am Horizont. Doch die hauptamtliche Gewerkschaftlerin erwies sich als Profi und entschärfte den Disput durch geschickten Themenwechsel.

Herausforderungen der Zeit

Die NRW-Chefin der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) wandte sich nämlich den „Herausforderungen der Zeit“ zu: „Der Klimawandel ist noch nicht gestoppt. Die soziale Ungleichheit in Deutschland wächst weiter. Der Mindestlohn muss so hoch sein, dass Menschen davon leben können und auch eine ausreichende Rente gesichert werden kann. Dringend muss Deutschland den Investitionsstau überwinden.“

Der Öffentliche Dienst sei die Grundlage für das soziale Miteinander in der Gesellschaft, betonte Ayla Çelik. Die Gewerkschaften würden das Öffentliche verteidigen, so wie sie auch ihre politischen Errungenschaften verteidigen würden. Beispielhaft nannte Çelik dafür den Acht-Stunden-Tag.

Es war richtig voll auf der Stubengasse, nachdem der Demonstrationszug am Kundgebungsplatz angekommen war.

Tag zum Fordern

„Heute ist nicht nur ein Tag zum Feiern“, rief sie laut in die Menge: „Heute ist auch ein Tag zum Fordern!“ Dies gelte insbesondere für ein Tarifbindungsgesetz für Nordrhein-Westfalen. „Tarifverträge für alle“, sei das gemeinsame Ziel der DGB-Gewerkschaften im Land.

Ayla Çelik erinnerte schließlich daran, dass jährlich 50.000 junge Menschen die Schule ohne Abschluss verließen und dass 2,8 Millionen Menschen keinen Berufsabschluss besitzen würden. Dies allein fordere zum Handeln – auch die Kindergrundsicherung müsse her.

Die Musikerin Nadu musste das Publikum nach der langen Rede der GEW-Chefin zunächst wieder motivieren.

Motivationsrede statt Chapmann-Song

Die Musikerin „Nadu“ sollte nach der Hauptrednerin für gute Stimmung sorgen, doch der Künstlerin war es vor der Bühne zu leer. Sie hatte ihre Gitarre schon umgeschnallt und ein Lied von der amerikanischen Singer-Songwriterin Tracy Chapman angekündigt, als sie umschaltete und eine feurige Motivationsrede hielt. Etwas Musik gab es anschließend auch noch auf die Ohren, so dass auch die letzte Rednerin nicht vor einem leeren Platz sprach.

Kommunalwahlkampf hat begonnen

Die Kommunalwahl am 14. September in Münster war auch bei Demo und Kundgebung zu erkennen, denn fast alle bekannten Kandidaten für das Amt des Oberbürgermeisters in Münster nahmen an der DGB-Veranstaltung teil. Dr. Georg Lunemann (CDU), Tilman Fuchs (Grüne), Stephan Brinktrine (SPD), Maren Berkenheide (Volt) und Roland Scholle (Die Partei) waren am 1. Mai dabei.

Vom Hafen ging es bei der diesjährigen Maidemonstration durch das Hansaviertel und die Innenstadt zum Prinzipalmarkt. Von dort erreichte der Protestzug über die Salzstraße, wo dieses Foto entstand, den Platz an der Stubengasse. Bei der dortigen Kundgebung war Ayla Çelik (kl. Bild), Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft in NRW, Hauptrednerin.

Kampftag der Arbeiterklasse

Hinaus zum 1. Mai!

Am Donnerstag (1. Mai) zieht es viele mit Bollerwagen oder auf der Leeze hinaus in die Natur. Maigang ist angesagt. Traditionsbewusste Arbeitnehmer:innen hingegen versammeln sich in diesem Jahr vormittags um 11 Uhr im Hafen von Münster, um in diesem Jahr unter dem Motto „Mach dich stark mit uns!“ für eine gerechte Arbeitswelt, für Demokratie und Solidarität sowie gegen Rechts zu demonstrieren. In Deutschland begann es mit dem Kampftag der Arbeiterklasse im Jahr 1890.

Ein Jahrhundert nach der Französischen Revolution wurde am 14. Juli 1889 auf dem Gründungskongress der Zweiten Internationalen in Paris von sozialistischen Gewerkschaften und Parteien aus der ganzen Welt beschlossen, sich den Plänen des amerikanischen Arbeiterbundes für eine weltweite Demonstration am 1. Mai 1890 anzuschließen. Eine der Kernforderungen war, den Arbeitstag auf acht Stunden festzulegen. Am 1. Mai 1890 beteiligten sich in Deutschland etwa 100.000 Arbeiter:innen – in Berlin, Dresden und als gewerkschaftlichen Schwerpunkt festgelegt in Hamburg – an Streiks, Demonstrationen und den Maispaziergängen, bei denen Menschen, häufig verbunden mit dem Konsum von Alkohol, den Frühling begrüßen.– an Streiks, Demonstrationen und den Maispaziergängen, bei denen Menschen, häufig durchaus verbunden mit dem Konsum von Alkohol, den Frühling begrüßen.

DGB ruft zum 1.Mai auf: „Mach dich stark mit uns!“

„Wir erheben unsere Stimme für eine gerechte Arbeitswelt! – Für Demokratie und Solidarität – gegen Rechts!“ Mit diesen klaren Äußerungen ruft Pia Dilling, Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) in Münster, zur Teilnahme an der Maidemonstration und -kundgebung am kommenden Donnerstag auf. „Noch nie war es so wichtig für die Rechte der Arbeitnehmer*innen auf die Straße zu gehen“, machte die DGB-Stadtverbandsvorsitzende in einer Pressemitteilung deutlich: „Gute Arbeitsbedingungen und faire Löhne sind der Schlüssel, um ausreichend Fachkräfte zu gewinnen, die unsere Schulen mit Leben füllen, Kranke pflegen und versorgen, unsere Brücken sanieren und bauen sowie den klimagerechten Umbau des Landes voranbringen. Immer mehr Arbeitgeber stehlen sich aus der Verantwortung und sorgen nicht für faire Löhne. Wir fordern deshalb einen nationalen Aktionsplan zur Stärkung der Tarifbindung und ein Bundestariftreuegesetz. Damit wieder mehr Beschäftigte von starken Tarifverträgen profitieren und endlich mehr Lohn bekommen. Wir fordern außerdem einen armutsfesten Mindestlohn als untere Haltelinie.“

Pia Dilling und Carsten Peters vom DGB Münster rufen zur Teilnahme an der Maikundgebung in Münster auf. (Foto: DGB Münster)

Errungenschaften verteidigen!

DGB-Stadtverbandsvorstand Carsten Peters, Hauptamtlicher der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) im Bezirk Münsterland sowie Kopf des Bündnisses „Keinen Meter den Nazis“, verdeutlichte: „Den Acht-Stunden-Tag, die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, stabile Renten und einen starken Sozialstaat haben wir Gewerkschaften solidarisch erkämpft, und wir werden diese Errungenschaften verteidigen! Faire Arbeitszeiten, die zum Leben passen, sind für uns nicht verhandelbar. Wer krank ist, muss sich auskurieren können. Die Beschäftigten haben eine gute und sichere Rente verdient. Das Rentenniveau muss bei 48 Prozent stabilisiert und langfristig erhöht werden. Die Angriffe auf den Sozialstaat weisen wir zurück – das ständige Nach-unten-Treten gegen Bürgergeldbeziehende und Geflüchtete muss aufhören!“

Dilling ergänzte: „Wir stehen für ein gerechtes Steuersystem. Die Beschäftigten, die für ihr Geld arbeiten, dürfen nicht höher besteuert werden als diejenigen, die ihr Geld nur für sich arbeiten lassen. Nach Jahrzehnten wachsender Vermögen ist eine angemessene und gerechte Beteiligung von Spitzenverdienern überfällig. Es ist höchste Zeit, die Vermögensteuer wieder einzuführen und eine Erbschaftsteuer ohne Sonderregelungen für reiche Unternehmenserben auf den Weg zu bringen. Reiche und Superreiche müssen ihren fairen Beitrag leisten, um den Haushalt zukunftsfest zu gestalten und die Daseinsvorsorge zu sichern.“

Auch die DGB-Jugend ist traditionell am 1. Mai auf der Stbengasse dabei. (Foto: Archiv Werner Szybalski)

Kampftag für Demokratie und Solidarität

Carsten Peters erklärte zum Hintergrund des Maifeiertages: „Der traditionelle Tag der Gewerkschaften und Arbeitnehmer:innen ist auch ein Kampftag für Demokratie und Solidarität. Wir müssen in diesen Tagen die Demokratie stärken, die derzeit von Rechts angegriffen wird, unsere Aktionen richten sich gegen den zunehmen Rechtsruck in Deutschland und Europa – keinen Platz für Rassismus, Antisemitismus und soziale Ausgrenzung! Der 1.Mai ist auch der Tag der internationalen Solidarität.“

Vom Hafen durch das Hansaviertel in die Innenstadt

Auf dem Hafenplatz treffen sich in Münster um 11 Uhr die Maidemonstrant:innen, die dann gemeinsam durch das Hansaviertel und die Innenstadt zum Stubengassenplatz ziehen. „Kommt mit uns am Tag der Arbeit auf die Straße und macht euch stark für eine friedliche und gerechte Zukunft in Deutschland, Europa und der Welt! Gemeinsam können wir die Politik zum Handeln bringen und für Investitionen, Verteilungsgerechtigkeit, Tarifbindung, faire Arbeitszeiten, stabile Renten und eine starke Demokratie“, wirbt der DGB, der verdeutlicht: „Unsere Botschaft ist klar. Wir haben nicht nachgelassen – mit Erfolg. Deutschland muss den jahrelangen Investitionsstau überwinden. Die von den künftigen Regierungsparteien vereinbarten Milliarden müssen jetzt dahin fließen, wo sie dringend benötigt werden: in die Schienen, Bildung, den Wohnungsbau, die soziale Sicherung, die Digitalisierung und den Klimaschutz. Es kommt jetzt darauf an, unser Land und unsere Wirtschaft am Laufen zu halten und für die Zukunft aufzustellen. Aber auch klar ist, dass wir erwarten, dass der Staat, die Unternehmen und die Arbeitgeber ihrer Verantwortung gerecht werden. Mit den Geldern müssen moderne Standorte, zukunftsfähige Produkte und damit gute und sichere Arbeitsplätze für die Beschäftigten finanziert werden.“

Die lokalistische FAU Münster nimmt auch schon Mal an der DGB-Kundgebung teil. Mit Infomaterial ist die anarchistische Gewerkschaft aber sicherlich am Nachmittag in Berg Fidel am Start. (Foto: Archiv Werner Szybalski)

Maifeiern in der Innenstadt, am Coerdeplatz, am Aasee und – „revolutionär“ – am Berg Fidel

Um 12 Uhr beginnt auf der Stubengasse das DGB Familienfest, bei dem auch verschiedene Rednerinnen sprechen werden. Die GEW-Landesvorsitzende Ayla Celik ist in diesem Jahr Stargast des DGB auf der Bühne. Für die musikalische Kurzweil sorgt NaDuMusik.

Um 14 Uhr startet die SPD Münster ihre Mai-Feierlichkeiten zwischen Kreuz- und Martiniviertel an der Promenade. Im Sternbuschpark am Berg Fidel lädt zeitgleich die Stadtteil-Gewerkschaft Berg Fidel solidarisch zum „Revolutionären 1. Mai“ ein. Es gäbt Essen, Trinken, Musik, Redebeiträge und sicherlich auch Infostände. Eine Stunde später um 15 Uhr startet das traditionelle Soli-Fest von ODAK, das in diesem Jahr am Aasee bei dem Spielplatz an der Mecklenbecker Straße stattfindet.

Kurze Geschichte des 1. Mai
In Australien, im dortigen Bundesstaat Victoria, gingen am 1. Mai 1856 Arbeiter:innen auf die Straße. Sie demonstrierten für die Begrenzung des Arbeitstages auf acht Stunden. 30 Jahre später rief die nordamerikanische Arbeiterbewegung – ebenfalls zur Durchsetzung des Achtstundentags – zum Generalstreik am 1. Mai 1886 auf.. Der 1. Mai war aus zwei Gründen von den amerikanischen Gewerkschaften ausgewählt worden. Einerseits wegen dem australischen Vorbild und andererseits , weil der erste Tag im Mai traditionell auch der traditionelle „moving day“ war. Der Stichtag, zu dem Arbeitsverhältnisse beendet wurden, weshalb für viele Gekündigte ein Umzug oft in einem anderen Ort anstand, um neue Arbeit zu finden. Es kam am Maitag 1886, der Samstag war ein regulärer Arbeitstag, zu Massenstreiks und Demonstrationen in den Industrieregionen Nordamerikas an denen nach verschiedenen Schätzungen insgesamt zwischen 300.000 und 500.000 Menschen teilnahmen. Allein in Chicago gingen 90.000 Arbeiter:innen in den Ausstand. Am dritten Tag des mehrtägigen Streik fand die von acht Anarchisten organisiere berühmten Haymarket-Versammlung statt. Tage später. Sie begründete den ruf des 1. Mai als Arbeiterkampftag.
In Deutschland wurde erstmals 1890 der 1. Mai von Sozialdemokraten als Aktionstag begangen. 1919 war er einmalig schon ein Feiertag. Ab 1933 nutzten die Nazis den 1. Mai, um

Inklusion von Menschen mit Behinderungen

DGB-Münsterland macht Vorschläge zur Verbesserung der Inklusion                                      

Der DGB-Arbeitskreis Behindertenpolitik im Münsterland ist im Vorfeld der Bundestagswahl zu einer gemeinsamen Tagung zusammengekommen, um Vorschläge und Forderungen zur Verbesserung der Inklusion von Menschen mit Behinderungen zu besprechen.

„Mit ihrer Unterzeichnung der UN-Behindertenrechtskonvention 2009 hat sich die Bundesregierung zu einer gleichberechtigten Teilhabe und Integration von Menschen mit Behinderung verpflichtet. Dieses Ziel ist, was den Bereich Arbeit betrifft, aus unserer Sicht noch lange nicht erreicht“, erklärt Friedel Paßmann, Vorsitzender des DGB-Arbeitskreises Behindertenpolitik im Münsterland. „Am Arbeitsmarkt gilt genauso wie in anderen Bereichen: Menschen sind nicht behindert, aber sie werden behindert durch eine wenig integrative Gesellschaft und eine Politik, die außer leerer Versprechen für sie bislang nicht viel zu bieten hat“.

Im Münsterland sind nach Angaben des DGB aktuell 3.101 schwerbehinderte Menschen arbeitslos, darunter 1.547 Langzeitarbeitslose. Anlässlich der Bundestagswahl am 26. September fordert der DGB-Arbeitskreis darum eine Erhöhung der Ausgleichsabgabe und der Beschäftigungspflichtquote für Unternehmen. Von 171.591 beschäftigungspflichtigen Arbeitgebern stellen nach Angaben des DGB rund 44.000 keine schwerbehinderten Menschen ein. Derzeit würden Arbeitgeber, die die Beschäftigungsquote nicht erfüllen, maximal 320 Euro pro fehlendem Arbeitsplatz pro Monat an Abgaben zahlen. „Das können die meisten aus der Portokasse begleichen“, zeigt sich Paßmann verärgert. „Wir als DGB fordern deshalb, die Ausgleichabgabe gestaffelt auf bis zu 750 Euro anzuheben, wenn die betriebliche Beschäftigungsquote schwerbehinderter Menschen unter zwei Prozent liegt“.

Robert Bange, Gewerkschaftssekretär der IG Metall, durchleuchte im Rahmen der Tagung des Arbeitskreises, die Wahlprogramme der Parteien zur Bundestagswahl und stellte fest, dass sich nur wenige Parteien mit konkreten Maßnahmen zur Verbesserung der Inklusion von Menschen mit Behinderungen geäußert haben. Vorschläge, wie die Barrierefreiheit für alle schwerbehinderten Menschen auszubauen oder die Arbeitnehmerrechte sowie eine höhere Entlohnung in Werkstätten für behinderte Menschen durchzusetzen, würden die Gewerkschafter*innen von allen gewählten Bundestagsabgeordneten im Münsterland nach der Wahl einfordern.

Auch für eine bessere Pflege will sich der DGB-Arbeitskreis einsetzen. Gemeinsam mit DGB Regionsgeschäftsführer Volker Nicolai-Koß wurde darum bei der Tagung vereinbar, im kommenden Jahr eine Pflegekonferenz mit den neu- und wiedergewählten Politiker*innen und den Sozialpartnern zu organisieren.

Quelle: Pressemitteilung des DGB Münsterland

Frauenstraße 24 wurde 1983 gerettet

Acht lange Jahre kämpfen

Nach acht „heißen Jahren“, voll des Kampfes, wurde vor 40 Jahren das Haus Frauenstraße 24 vor dem Abriss gerettet. Es bietet seitdem dauerhaft Studierenden kostengünstigen Wohnraum. Derzeit leben 21 Menschen in Wohngemeinschaften in den oberen Etagen des Hauses, dass vor 50 Jahren zunächst besetzt werden musste, damit in Münsters Stadtgesellschaft die damals (und heute immer noch) herrschende Wohnungsnot als Problem begriffen und angepackt wurde.

Wohnraummangel für Studierende

Damals, wie heute, blühte die Immobilienspekulation. „Wir wollten aber nicht Revoluzzer spielen, sondern das Problem Wohnraummangel für Studierende bekämpfen und natürlich das Haus in der Frauenstraße erhalten“, erinnert sich Bernd Uppena, der selbst jahrelang in dem als „F24“ bekannten Haus wohnte und damals „mehr Zeit in die F24 als in mein Studium gesteckt“ hatte. Nun es hat sich gelohnt. Auch die Westfälischen Nachrichten nannten kürzlich „das blau-weiße Haus, Baujahr 1905, ein Monument für Hartnäckigkeit im Kampf für die Erhaltung von kostengünstigem Wohnraum.“

Bernd Uppena, ehemaliger Haussprecher der Frauenstraße 24, koordiniert die Feierlichkeiten. (Foto: Werner Szybalski)

Landesminister zerschlägt den Knoten

Mit Unterstützung der katholischen Kirche, vieler Münsteraner*innen, darunter natürlich die insgesamt deutlich über Hundert in den Anfangsjahren dauerhaft in der F24 wohnenden Besetzer*innen, und zunehmend auch von Teilen der damaligen Ratsparteien, gelang es die F24 zu Politikum zu machen. Schließlich half das Land in Person von Christoph Zöpel. Er war damals Minister für Landes- und Stadtentwicklung (später auch Wohnen und Verkehr) des Landes Nordrhein-Westfalen: Die gemeinnützige WGM (Wohnungsgesellschaft Münsterland) kaufte das Haus und der AStA der WWU vermietet seitdem 21 Zimmer auf drei Etagen an Studierende. Zudem ist auch der sozio-kulturele Treffpunkt im Erdgeschoss als Ort für Veranstaltungen des damals gegründeten Kulturvereins sowie öffentliche Kneipe erhalten geblieben.

„Wie damals wollen wir auch heute mit unseren Aktivitäten in die Stadtgemeinschaft hineinwirken“

Bernd Uppena

Dies alles wird im Oktober gefeiert. „Wie damals wollen wir auch heute mit unseren Aktivitäten in die Stadtgemeinschaft hineinwirken“, verdeutlicht Bernd Uppena, dass das Programm zwar kulturelle Highlights (zum Beispiel die inzwischen zum zweiten Mal verschobene Lichtinstallation) enthält, aber auch Diskussionsveranstaltungen und sogar Demonstrationen umfasst. Unterstützt werden die ehemaligen hausbesetzer dabei vom AStA der WWU, dem Bündnis „Münster gehört uns allen“ (Msgua), dem Kulturverein F24, Platanenpower, dem Mieter/innen-Schutzverein, dem DGB und der LEG-Mieter*innen-Initiative Münster.


Am Donnerstag, dem 7. Oktober, wird um 19 Uhr in der Trafostation (Schlaunstr. 15) ein Parteienhearing zur Wohnungspolitik in Münster stattfinden. Zuvor iste sogar Christoph Zöpel zu Besuch in der Frauenstraße.

Am Tag darauf (Freitag, 8. Oktober) geht es um 15 Uhr auf die Straße, beziehungsweise präziser gesagt, wie vor 40 Jahren auf den Prinzipalmarkt. Mit Zelten wird auf die noch immer vorhandene Wohnraummisere in der Stadt aufmerksam gemacht. Wie diese bekämpft werden könnte, erfahren Besucher*innen am Sonntag beim Tag der offenen Tür der F24.

DGB fordert Mietenstopp

Zu hohe Mietkosten in Münster

Über 51 Prozent der Prozent der Münsteraner*innen sind von ihren Mietkosten überlastet, wie aus einer Studie im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung hervorgeht. Der DGB Münsterland fordert darum einen Mietenstopp und mehr bezahlbare Neubauwohnungen: 51,41 Prozent aller Mieterhaushalte in Münster müssen mehr als 30 Prozent ihres Einkommens für die Miete zahlen. Damit gelten diese Haushalte auf Basis einer aktuellen Studie im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung (HBS) als überbelastet durch ihre Wohnkosten. Ihnen bleibt damit zu wenig Geld für andere Lebensbereiche. Die Studie zeigt auch: Selbst wenn alle Mieterhaushalte auf Wohnungen mit angemessener Größe und Preis verteilt werden würden, fehlen in Münster rund 14.500 bezahlbare Wohnungen.

Mieten fressen Einkommen auf.

Peter Mai

„Viele Beschäftigte mit niedrigen und mittleren Einkommen müssen einen großen Teil ihrer erarbeiteten Löhne und Gehälter direkt an die Vermieter weiterreichen. Selbst bei guten Tarifabschlüssen fressen die Mieten die Einkommen zunehmend auf. Das betrifft auch die vielen Rentnerinnen und Rentnern. Deswegen fordern wir von der nächsten Bundesregierung einen sechsjährigen Mietenstopp. Die Menschen brauchen eine Atempause“ fordert der DGB-Stadtverbandsvorsitzende Peter Mai.

DGB-Stadtverbandvorstand Carsten Peters fordert die Stärkung der kommunalen Wohnungsbaugesellschaft. (Fotos: Werner Szybalski)

Politik ist gefordert

Der sechsjährige Mietenstopp müsse genutzt werden, um beim Bau bezahlbarer Wohnungen den Turbo einzuschalten. Seit 2005 habe sich die Zahl der Sozialwohnungen in Deutschland halbiert. „Diese Lücke ist nicht von heute auf morgen zu füllen. Alle politischen Ebenen – Bund, Länder und Kommunen – sind in der Pflicht, sämtliche Möglichkeiten auszuschöpfen. Bund und Länder müssen ausreichend Fördermittel für den Bau von Sozialwohnungen zur Verfügung stellen. Auf kommunaler Ebene brauchen wir eine bessere personelle Ausstattung der Bau- und Planungsämter, einen strategischen Ankauf von Flächen sowie die Stärkung der kommunalen Wohnungsbaugesellschaft. Zudem muss die Stadt ihre planungsrechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen und Investoren beim Wohnungsbau stärker auf das Gemeinwohl verpflichten“, ergänzt Stadtverbandvorstand Carsten Peters.

Die HBS hat in ihrer Studie die Daten des Mikrozensus von 2018 ausgewertet und die Wohnsituation in den 77 größten Städten Deutschlands analysiert. Die Mietbelastungsquote errechnet sich aus dem Anteil des Haushaltsnettoeinkommens, das für die Miete einschließlich der Betriebs- und Heizkosten aufgewendet werden muss. Danach haben in Münster fast 30 Prozent aller Haushalte eine Mietbelastungsquote von mehr als 40 Prozent. Über 14 Prozent müssen sogar mehr als die Hälfte ihres Einkommens für die Miete aufwenden.

Um den Forderung nach einem Mietenstopp Nachdruck zu verleihen ist der DGB Partner in einem Bündnis aus Gewerkschaften, Mieterbund und Sozialverbänden. Am Damstag, dem 19. Juni, macht das Bündnis mit einem Mietenstopp-Aktionstag bundesweit auf seine Forderungen aufmerksam. Informationen gibt es im Internet unter: www.mietenstopp.de. In Münster finden morgen aber anscheinend keine öffentlichen Aktionen zum Mietenstopp statt.

Quelle: Pressemitteilung des DGB Münsterland

Spaltung der Gesellschaft gemeinsam verhindern

Maikundgebung in Münster erklärt: „Solidarität ist Zukunft!“

Anders als im ersten Pandemiejahr nahm auch der antikapitalistische Block in diesem Jahr an der offiziellen DGB-Kundgebung auf der Stubengassein Münster teil. Im vergangen Jahr setzten sich am Maifeiertag rund 80 Antikapitalisten unter dem Motto „Der Krise solidarisch entgegentreten“ auf einer „kämpferischen Kundgebung“ (FAU Münster) in Kinderhaus unter anderem für Mieter*innen und Geflüchtete ein. In diesem Jahr marschierten sie – angeführt von der Roten Kapelle – gemeinsam mit dem DGB vom Servatiiplatz zum Kundgebungsgelände. Der DGB Münsterland freute sich auf Facebook „über 350 begeisterten Teilnehmer*innen“ und erklärte: „[G]ewerkschaftliche Stärke, Geschlossenheit und Solidarität [sind] wichtige Eckpfeiler unserer Demokratie.“ Auch Bundesumweltministerin Svenja Schulze und ihr Mann Andrea Arcais (beide SPD) nahmen an der Kundgebung teil.

Weder Prominenz noch Linke auf der Bühne

Die Redner*innenliste auf der Stubengasse war lokal dominiert. Zunächst sprachen der DGB-Stadtverbandsvorsitzende Peter Mai und ein Vertreter der DGB-Jugend. Maria Salinas, umstrittene (siehe unten) Vorsitzende des Integrationsrates der Stadt Münster, warb für ein interkulturelles Wachstum und Helge Adolphs von der Gewerkschaft Nahrung Genuss Gaststätten Münsterland (NGG) sorgte sich um die Tausenden mit ungewisser Zukunft. Anne Sandner, Hauptamtliche beim DGB, bezeichnete die zeitgleich am Aasee versammelten Impfgegner als rücksichtlos und egoistisch. Alle Beiträge standen unter dem Motto „Solidarität ist Zukunft!“.

Der Vorsitzende der Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) in ver.di Münsterland und Betreiber der Facebookseite „Münstersche Volkszeitung“, Dr. Frank Biermann, zeigte sich auf seinem privaten Facebookaccount begeistert von den Reden. „[D]ie Redner:innen wußten durchweg zu überzeugen, schmerzlich vermißt wurde das internationale Kulturprogramm im Anschluß an die Kundgebung, das coronabedingt nicht durchgeführt werden konnte. Und bei den Traditionalisten mag auch ein wenig der Magen geknurrt haben, die traditionelle DGB-Erbsensuppe mit oder ohne Wursteinlage konnte in diesem Jahr nicht ausgegeben werden.“

Die DGB-Jugend, die Jusos sowie die Linke standen ganz vorn an der Bühne. (Foto: Werner Szybalski)

`solid macht die Grenzziehung deutlich

Doch abgesehen von diesen pandemiebedingten Ausfällen schien auch ein großer Teil der Versammlung wenig interessiert an den offiziellen Ausführungen. Nur der Kern vor der kleinen Bühne schien den Worten der Redner*innen tatsächlich zu lauschen. Dies dürfte daran gelegen haben, dass knapp die Hälfte der Teilnehmer*innen mit dem systemkonformen Kurs des Deutschen Gewerkschaftsbundes hadert. So wurde von ROSA („An die Arbeit – Let´s chose Communism“) bis zur Linksjugend [´solid] („Die Grenzen verlaufen nicht zwischen innen & außen, sondern zwischen oben & unten“) in der Zuhörerschaft deutlich radikaler der gesellschaftliche Wandel gefordert, als von den Redner*innen auf der Bühne. Die anarchosyndikalistsche Gewerkschaft FAU Münster hatte den „Kampftag der Arbeiter*innenklasse […] ausgiebig begangen.“ Schon am Vorabend, der Walpurgisnacht, hatte die FAU zur Kundgebung „Patriarchat und Kapitalismus verhexen“ zu den Aaseekugeln geladen. Nach der Teilnahme am 1. Mai in Münster ging es nach Dortmund, um gemeinsam mit insgesamt 700 Anarchist*innen aus dem Ruhrgebiet, Siegen, Krefeld, Koblenz und Bielefeld gemeinsam den 1. Mai zu begehen.

Die Arnachosyndikalisten zeigten auf der Stubengassen Flagge und verteilten ihre 1.-Mai-Sonderausgabe ihrer Zeitung „Direkte Aktion“. (Foto: Werner Szybalski)

Migrant*innen protestieren

Nur beim Kulturprogramm fehlten die Vereinigungen der Migrant*innen. Besonders präsent waren auf der Stubengasse die Kurd*innen, die auf ihre Unterdrückung in der Türkei aufmerksam machten. Auch ODAK war gut sichtbar. Etwas kleiner fielen die Protestplakate der Deutsch-Bulgarischen Elterninititiative „Jan Bibijan“ e.V. aus. Sie richteten sich direkt an die Vorsitzende des Intergrationsrates, Maria Salinas, die sich aktuell auch Rassismusvorwürfen aus dem kleinen Kreis ihrer Stellvertreter*innen im Vorstand des Integrationsrates stellen muss. (siehe hierzu auch meinen Beitrag „Knatsch im Integrationsrat“ auf Die Wiedertäufer.)

Der 1. Vorsitzende der Elterninitiative, Ulf Georgiew, fühlt sich aktuell von Stadt und Integrationsrat benachteiligt, weil die Elterninitiative angeblich keine oder nur reduzierte Förderung vom Integrationsrat unter Vorsitz von Maria Salinas erhalte und weil – nach eigener Aussage – die Stadt Münster ihnen für Veranstaltungen keine öffenlichen Plätze zur Verfügung stelle. Am 1. Mai forderten sie genau dies und auch die „Öffnung der Schulen für muttersprachlichen Unterricht.“

Das DKGZ Münster forderte Solidarität mit den in der Türkei verfolgten Kurden. (Foto: Werner Szybalski)

Internationale Solidarität

Am Vortag des 1. Mai hatte der DGB Münsterland auf Facebook verkündet, dass die internationale Solidarität lebe. „Mit starken Delegationen aus beiden Ländern haben wir heute – vor dem Tag der Arbeit – den Interregionalen Gewerkschaftsrat Münsterland-Achterhoek-Twente (IGR MAT) gegründet. Gemeinsam mit vielen ehrenamtlichen Kolleginen und Kollegen aus DGB und unseren niederländischen Partnerdachverbänden FNV und CNV wollen wir die grenzüberschreitende Zusammenarbeit verbessern und uns u.a. für gute Arbeitsbedingungen der Grenzpendler_innen einsetzen. Der Gründung voraus gegangen sind nun vier Jahre der intensiven Zusammenarbeit. Aus anfänglichen Austauschen wurden regelmäßige Treffen und gemeinsame Aktionen sowie die Einbettung der Gewerkschaften in die EUREGIO Gronau …u nd nun: ein festes Gremium der Zusammenarbeit! We zijn happy! Auf gute Zusammenarbeit! Samen voor een sociaal Europa!“

Rund 350 Teilnehmer*innen kamen zur DGB-Kundgebung auf der Stubengasse. (Foto: Werner Szybalski)