Klimaschutz-Protest auch beim Münsteraner VW-Autohaus Senger
Bundesweit beklebten Greenpeace-Aktive am Samstag (5. Juni) Verbrenner mit Warnhinweisen. Die Umweltschützer*innen protestierten damit für mehr Klimaschutz und einen schnellen Verbrenner-Ausstieg bei Volkswagen. Auf dem Parkplatz des VW-Autohauses in der Hammer Straße bekleben sie ausgestellte Diesel und Benziner mit Botschaften wie „Von Wegen: Klima-Vorreiter“, „Von Wegen: just electric“ und „Von Wegen: sauber“. Die Aufkleber im DIN A3 Format waren umweltverträglich und rückstandsfrei ablösbar.
In einem offenen Brief fordern die Greenpeace-Aktiven VW-Chef Herbert Diess auf, die Entwicklung einer nächsten Verbrenner-Generation zu stoppen. „VWs Verkaufszahlen bringen die Scheinheiligkeit des Konzerns auf den Punkt“, sagt Eva Kintrup, Verkehrsexpertin der Greenpeace-Gruppe Münster. „Ein paar Elektroautos können nicht darüber hinwegtäuschen, dass Volkswagen rücksichtslos weiter Verbrenner entwickelt und noch Jahrzehnte verkaufen will.“
Greenpeace Münster nahm am VW-Autohaus Senger an der bundesweiten Aktion ihres Vereins teil. (Fotos: Greenpeace Münster)
VW ist allein durch seine produzierten Autos für über ein Prozent der weltweiten Treibhausgase verantwortlich. Aktuell will der Konzern Milliarden in die Entwicklung einer neuen Plattform investieren, auf der noch millionenfach neue Diesel und Benziner bis mindestens 2040 verkauft werden sollen. Die Proteste von Greenpeace-Aktiven fanden am Samstag bundesweit in 31 Städten statt.
2020 waren über 95 Prozent der verkauften VW-Autos klimaschädliche Verbrenner
Volkswagen vertreibt seine Hausmarke maßgeblich über den stationären Handel. Hier entscheidet sich der klimafreundliche Umstieg auf Elektroautos: Die Beratung der Händler*innen beeinflusst entscheidend, welcher Antriebstechnologie Kund*innen vertrauen. Testgespräche von Greenpeace-Aktiven vor einigen Monaten zeigten, dass die Verkehrswende in den allermeisten VW-Autohäusern noch nicht angekommen ist: Das Verkaufspersonal riet mehrheitlich zum Kauf eines Verbrenners, einige warnten sogar ausdrücklich vor dem Kauf eines elektrischen ID.3. Unterschiedliche Provisionssysteme sorgen zudem dafür, dass Verbrenner-Verkäufe für VW-Autohäuser lukrativer sind als Verkäufe von Elektroautos. So treibt der Konzern mit seinem Verbrenner-Altgeschäft die Klimakrise voran: Von weltweit rund neun Millionen verkauften Autos im Jahr 2020 verbrennen bislang noch immer über 95 Prozent Öl.
Zwei gewonnene Klimaschutz-Klagen geben den Umweltaktivist*innen Rückenwind: Nach dem jüngsten Urteil des Karlsruher Bundesverfassungsgerichts haben künftige Generationen ein Grundrecht auf wirksamen Klimaschutz. Zudem wurde der Ölkonzern Shell vergangene Woche von einem Gericht in Den Haag zu mehr Klimaschutz verpflichtet. Die Argumentation des Gerichts betrifft auch andere fossile Unternehmen wie Volkswagen: Die von VW in einem einzigen Jahr produzierten Autos verursachen über ihre Lebensdauer 582 Millionen Tonnen CO2. Das übersteigt die jährlichen Treibhausgas-Emissionen Australiens.
Bündnis „Keinen Meter den Nazis“ zeigt POE, dass Münster kein Platz für die Extreme Rechte hat
Die Rechtsradikalen bekommen in Münster weiterhin kein Bein auf den Boden. Mit ein Grund dafür ist die hohe Bereitschaft der Münsteraner*innen sich den extrem rechten Kräften klar und laut entgegenzustellen. Am Freitagnachmittag (4. Juni) beschallte die „Patriotic Opposition Europe“ (POE) überwiegend mit aufgezeichneten, sich wiederholenden Redebeiträgen stundenlang die Stubengasse. Rund 150 Münsteraner*innen versammelten sich schon eine Stunde vor der vom YouTube-Streamer Kevin Gabbe angemeldeten Kundgebung auf der Stubengasse, um gegen die Stimmungsmache der Coronaleugner*innen, Impfgegner*innen und Verschwörungstheoretiker*innen aus dem Umfeld der sich in Münster auflösenden AfD zu demonstrieren.
Es darf keinen Platz für Rassismus, rechte Hetze, Antisemitismus und soziale Ausgrenzung geben. Daher: Kein Meter der POE, kein Meter dem Rassismus, kein Meter für antisemitische Verschwörungserzählungen.
Carsten Peters
Markus Rahmsdorf, bislang eher im direkten Umfeld der AfD Münster aufgefallen, hat sich offensichtlich mit einigen wenigen Rechten aus Nordrhein-Westfalen zu einer regionalen Sektion der „Patriotic Opposition Europe Berlin“ zusammengeschlossen. Seit dem 8. April 2020 gibt es diese Facebookgruppe. Erst in den jüngeren Post taucht Markus Rahmsdorf auch persönlich in den Posts auf. Nach seiner Aussage war es am vergangenen Freitag der erste Auftritt der NRW-POE in Münster. Bislang hatte die Gruppe lediglich (erfolglos) zu Montagsspaziergängen am Dom aufgerufen oder Ende Mai die Coronaleugner*innen von „Gemeinsam für Grundrechte“ bei einer Aktion am Aassee unterstützt.
Der früher im Ordnungsdienst der AfD tätige Rahmsdorf versucht mit der POE nun in einem neuen Schafspelz rechte Propaganda in Münster zu machen. Am Freitag liefen von 16 Uhr bis 20 Uhr unaufhörlich die Lautsprecher auf dem im Kreis Steinfurt angemeldeten schwarzen Pick-Up. Obwohl die Veranstalter sich einen bürgerlich-liberalen Anstrich geben wollten, so war die Veranstaltung offiziell als Kundgebung „gegen die Impfpflicht an unseren Kindern“ angemeldet, reagierte Markus Rahmsdorf schon in seinem ersten kurzen Redebeitrag auf die gewaltige Übermacht an Gegendemonstrant*innen, die er diffamierte und sogar als „Nazis“ titulierte.
Fast vier Stunden beschallten die Rechten die Stubengasse mit Reden vom Band. Gelegentlich ergriffen auch die vier oder fünf NRW-POE-Sympathisant*innen beziehungweise deren Mitglieder, wie zum Beispiel Markus Rahmsdorf (rechts im Bild), einmal das Mikro.
Der NRW-POE und dem Streamer Kevin Gabbe war der eigene Auftritt nicht der Dokumentation wert. Während der letzten Stunde der Kundgebung wurden schon alle kritischen Kommentare auf dem Livestream bei YouTube gelöscht. Stunden später nahm Gabbe dann das gesamte Vier-Stunden-Video aus dem Netz.
Auch Frank Fraune, geborener Buntrock, aus Nordwalde, der Anmelder der verschwörungsideologischen Autokorsos in Münster, stellte der POE seinen Lautsprecherwagen zur Verfügung und nahm auch an der Kundgebung teil, vermeldet Alles Münster: Für das „Keinen-Meter“-Bündnis wenig überraschend: „Die Corona-leugnenden Autokorsos von Herrn Fraune wurden von der extremen Rechten, u. a. der AfD, beworben und es nahmen regelmäßig Personen aus der extremen Rechten daran teil“, so Liza Schulze-Boysen, Sprecherin des Bündnisses, in einer Pressemitteilung. „Die Distanzierung hat Herrn Fraune sowieso niemand abgenommen. Dass er jetzt unverblümt gemeinsame Sache mit offenen Neonazis macht, überrascht uns wenig.“ Das Bündnis attestiert der Corona-leugnenden Szene seit längerem eine Offenheit für die extreme Rechte und hatte deshalb immer wieder zu Protesten aufgerufen. „Wir haben immer gesagt, dass diese Szene mit ihren (strukturell) antisemitischen Verschwörungserzählungen offen für die extreme Rechte und mit dieser inhaltlich oft auf der gleichen Wellenlänge ist“, ordnet Carsten Peters die neue Kooperation ein. Das bestätige sich nun eindeutig.
Extrem rechte Kräfte versuchen, Corona-Pandemie für ihre Zwecke zu nutzen
Das Bündnis „Keinen Meter den Nazis“ musste relativ kurzfristig zum Protest gegen den Auftritt der „Patriotic Opposition Europe“ aufrufen. Trotzdem fanden sich am Freitagnachmittag rund 150 Demonstrant*innen in Münsters Innenstadt ein, um den Rechtsextremen und Impfgegner*innen, die aber – anders als die Gegendemonstrant*innen – bei den Passant*innen oder Café-Gästen keine Unterstützung fanden. Maximal zehn POE-Sympathisant*innen nahmen an der Kundgebung teil. Münster ist, auch Dank des aktiven Bündnisses, eben kein Platz für rechte Propaganda.
In Münster ist kein Platz für Nazis und Rechtsextreme. (Fotos: Werner Szybalski)
Carsten Peters: „Nur die Fassade ist bürgerlich“
Zum Auftakt der Gegendemonstration sprach Carsten Peters vom Bündnis „Keinen Meter den Nazis“: Wir wenden uns erneut dagegen, dass in Münster wieder extrem rechte Kräfte versuchen eine Veranstaltung durchzuführen. Diesmal versuchen sie aktuelle Entwicklungen der Bekämpfung der Corona-Pandemie für ihre Zwecke zu nutzen.
Die sogenannte „Patriotic Opposition Europe“ existiert seit wenigen Jahren und hat sich aktuell an seit längerem thematisch an die Aktivitäten der verschwörungsideologischen „Corona-Leugner*innen“ dran. Die bürgerliche Fassade dieser Gruppierungen ist eben nur Fassade. Man versucht an die Sorgen von Menschen anzuknüpfen, erklärt „nicht rechts zu sein“ – das Gegenteil ist jedoch zutreffend.
Carsten Peters vom Bündnis „Keinen Meter den Nazis“.
Rahmsdorf gehört dem Umfeld der AfD Münster an und war als Security-Mann bei AfD- Wahlkampfständen eingesetzt und ist klar dem Neonazispektrum zuzurechnen. Begleitet wird er von dem Neonazi Kevin Gabbe, der bei Versammlung vorrangig als „Streamer“ mit Kamera auftritt und die heutige rechte Versammlung angemeldet. Die extrem rechte Versammlung heute hat Grabbe angemeldet. Gabbe bewegte sich im Umfeld Neonazi-Partei „Die Rechte“ und Pegida NRW. Seit gut einem Jahr ist er vor allem im Umfeld von „Querdenken“- Demos im Ruhrgebiet unterwegs.
Hier wird das politische Spektrum sichtbar, das sich bei den verschwörungsideologischen „Corona-Leugnern“ eingereiht hat. Die Münsteraner Gruppe mit dem harmlosen Namen „Gemeinsam für Grundrechte“ hat den Aufruf ebenfalls geteilt und sich den Neonazi-Aufruf zu eigen gemacht. Dort hat es nie Distanzierungen gegenüber dem extrem rechten Spektrum gegeben.
Das Vorstandsmitglied der extrem rechten Münsteraner AfD Karl-Heinz Kramer konnte bei den Autokorsos mitmachen gegen die wir ebenfalls protestiert haben. Kramer war es, der die AfD-Kommunalwahlliste verlassen musste, da er Inhalte der Nazi-partei „Der III.Weg“ geteilt hatte.
Deutlich werden damit eine politische Nähe und eine Haltung, die wir stets kritisiert haben. Formale Distanzierungen von „Extremisten“ waren eben stets nur formal. Die Rechtsoffenheit der „Corona-Leugner*innen“ war von Anfang an da.
Denn die Gedankenwelt der Verschwörungsideologen hatte stets klare Bezüge zu extrem rechtem, menschenfeindlichem Denken: Keine Solidarität mit Alten und Kranken, kein Masken-Tragen. Wer schwächer ist, wer krank ist, stirbt. Das ist im Kern eine faschistische Mentalität, eben das Recht des Stärkeren, des Gesünderen. Rücksichtnahme, Verantwortungsgefühl – das sind dort Fremdworte. Verbunden mit Verschwörungserzählungen, deren Kern letztlich antisemitisch ist. Da werden demokratisch Gesetze in der Pandemie mit dem „Ermächtigungsgesetz“ der Nazis gleichgesetzt, das den Weg in die Diktatur ebnete.
Zugleich ist es eine Umkehr, die genau zu beobachten ist: Die Relativierung des Faschismus, die Relativierung des Dritten Reiches, von Diktatur, Konzentrationslagern und Massenmord. Dem müssen wir von Anfang an konsequent entgegentreten.
Wir bleiben solidarisch. Mit den Beschäftigten in der Pflege, in den Krankenhäusern, mit den Beschäftigten des Einzelhandels, denen, denen, die für anderen da sind. Die, die dafür sorgen, dass Leben gerettet werden, die anderen helfen.
Erneut treten wir einer extrem rechten Gruppierung entgegen, die versucht hier vor Ort aktiv zu werden. Es darf keinen Platz für Rassismus, rechte Hetze, Antisemitismus und soziale Ausgrenzung geben. Daher: Kein Meter der POE, kein Meter dem Rassismus, kein Meter für antisemitische Verschwörungserzählungen.
Seit über 36 Jahren haben die Migrant*innen in Münster eine eigene politische Vertretung. Am 21. April 1985 wurde in Münster der erste Ausländerbeirat, der Vorgänger des heutigen Integrationsrates (IR), gewählt. Jeweils bei der Kommunalwahl findet auch die Wahl des IR statt. Grundsätzlich wahlberechtigt sind gemäß § 27 der Gemeindeordnung von Nordrhein-Westfalen Menschen mit ausländischer Staatsangehörigkeit, Deutsche, die die Staatsangehörigkeit durch Einbürgerung erhalten haben, sowie Menschen, deren Eltern seit acht Jahren rechtmäßig ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben und zudem ein unbefristetes Aufenthaltsrecht besitzen. In Münster waren bei der IR-Wahl am 13. September 2020 insgesamt 48.168 Menschen stimmberechtigt. 9956 Münsteraner*innen (20,67 Prozent) haben gewählt.
Zur Wahl treten keine Parteien, sondern Listen und Einzelbewerber*innen an. Insgesamt werden 18 Sitze im IR durch diese Wahl besetzt. Weitere neun Sitze werden von Ratsvertreter*innen eingenommen, die vom Rat der Stadt Münster gewählt werden. Die stärksten Gruppen im IR Münster sind die Listen „Internationale Demokraten Münster“ (ID Münster) und „Gemeinsam“, die beide vier Sitze erlangten. Auf drei Sitze im IR kommen die Parteien CDU und Grüne sowie die Listen „Anerkennung für alle Ausländer“ (AAA), „Wir sind Münster“ (WsMS) und „Gleiche Rechte-Vielfalt“.
Wechselnde Mehrheiten sind im Integrationsrat Alltag
Dr. Ömer Lütfü Yavuz
Anders als im Rat der Stadt Münster gibt es keine dauerhafte IR-Koalition. Dies wäre bei sechs Listen und drei Parteien vermutlich auch kaum machbar. Der Integrationsrat wird beratend in alle öffentlichen Vorlagen mit starken Auswirkungen auf Migrant*innen in Münster einbezogen. Zudem gehören IR-Mitglieder beziehungsweise durch ihn gewählte Personen verschiedenen kommunalen Ausschüssen und Gremien in der Stadt an.
Der Integrationsrat bekam durch das hartnäckige Wirken des damaligen IR-Vorsitzenden Dr. Ömer Lütfü Yavuz eine eigene Webseite. Auf dieser Homepage werden folgende eigene Aktivitäten aufgeführt:
Zusammenarbeit mit dem Rat und der Verwaltung
Weiterentwicklung und Umsetzung des Migrationsleitbildes 2019
Unterstützung von Migrantenvereinen und weiteren interkulturellen Akteuren
Politische Veranstaltungen
Solidarität mit Geflüchteten, Hilfe in bürokratischen Angelegenheiten
Kulturveranstaltungen: Feste / Ausstellungen / Lesungen in Muttersprachen / Zusammenarbeit mit Künstlerinnen / Künstlern
Teilnahme an Fachtagungen, Seminaren und Weiterbildungsangeboten
Zusammenarbeit mit dem Landesintegrationsrat NRW
Zusammenarbeit mit Schulen, Hochschulen und Universität
Die Unterstützung der Migrantenvereine und lokalen interkulturellen Akteur*innen ist regelmäßig auf der Tagesordnung des IR zu finden. Selbst im Coronajahr 2020 wurden insgesamt 12.535 Euro als Zuschüsse beschlossen. 27 Antragsteller*innen reichten 39 Anträge ein, die bewilligt wurden. Auf die 20 Antragsteller*innen, die nur einen Zuschuss beantragt hatten, fielen 54,53 Prozent der zur Verfügung gestellten Gelder. Sieben Vereine stellten mindestens zwei Anträge.
Mehr als jeder zehnte Euro ging 2020 an einen Verein
Spitzenreiter bei Anträgen und Bewilligungen ist der Verein AFAQ, ein „Verein für kulturelle und gesellschaftliche Zusammenarbeit“. Dieser Verein ist praktisch mit der Liste „Gemeinsam“ für den Integrationsrat angetreten. Neben Deler Saber, dem Vorsitzenden von AFAQ, ist das Gemeinsam-Mitglied Dr. Georgios Tsakalidis – auch als Beschäftigter – eng in die Vereinführung eingebunden. Die der SPD nahe stehende Beata Arabasz ist häufig bei Veranstaltungen von AFAQ dabei. Auch das vierte IR-Mitglied von Gemeinsam, Noura Brauckmann, sowie weitere Listenmitglieder treten als Vereinsverantwortliche von AFAQ auf.
Verteilung der durch den Integrationsrat Münster im Jahr 2020 bewilligten Zuschüsse an Vereinigungen. (Grafik: Werner Szybalski)
Das ehrenamtliche Engagement dieser vier aktuellen IR-Mitglieder ist sicherlich vorbildlich. Im Zusammenhang mit ihrer Mitgliedschaft im Integrationsrat ist es allerdings pikant, dass AFAQ allein 2020 fünf Anträge mit insgesamt 11,97 Prozent der Fördermittel vom IR bewilligt bekommen hat. Natürlich gilt auch im Integrationsrat, dass befangene Mitglieder über Förderantäge ihres eigenen Vereins nicht mit abstimmen dürfen. Doch auffällig ist es schon, dass wie übrigens auch schon im Jahr 2019 – also vor der Corona-Pandemie – wie aus den veröffentlichen Sitzungsprotokollen des IR hervorgeht, AFAQ mit 900 Euro die höchste Fördersumme für eine Institution durch den Integrationrat erhielt.
Im Jahr 2018, so geht aus den veröffentlichen Sitzungsprotokollen des IR hervor, erhielt der Förderverein Arabische Sprache für fünf Anträge insgesamt 2.400 Euro vom Integrationsrat bewilligt. AFAQ musste sich in dem Jahr mit dem zweiten Platz begnügen. Wie auch der Deutsch-Tamilische Sport- und Sprachentwicklungsverein erhielt AFAQ 2018 immerhin 1.200 Euro.
Münster (SMS). Wie fühlt es sich an, sein Heimatland verlassen zu müssen, weil dort Krieg und Gewalt herrschen? Wie übersteht man die Flucht? Wie fasst man Fuß in einer fremden Welt und verwirklicht dort seine Ziele? All diese Themen umfasst das Kinder- und Jugendbuch „Spuck´ die Trauer aus“, das vor wenigen Wochen auf Deutsch erschienen ist. Es hat auch durch das Engagement der Ausländerbehörde seinen Weg nach Münster gefunden.
Bewegende Geschichte über Flucht und Neuanfang
Die Hauptfigur ist Noura, die aus Syrien über den Balkan nach Deutschland flieht und in ihrer neuen Heimat eine erfolgreiche Olympia-Schwimmerin wird. „Noura erzählt von ihren Gedanken, Ängsten und Sorgen, aber auch von ihren Strategien, Rückschläge zu überwinden und dem Ungewissen zu begegnen“, so Migrationsdezernentin Christine Zeller in ihrem Vorwort zur deutschen Ausgabe.
„Uns hatten die in Münster lebenden Griechen Dr. Paraskevi Toma und Orestis Kazasidis auf die bewegende Erzählung aufmerksam gemacht“, sagt Helga Sonntag, Leiterin der Ausländerbehörde. Denn die Geschichte hat ursprünglich die griechische Autorin Marietta Kondou verfasst. Sie wurde zunächst ins Arabische übersetzt, um damit junge Menschen in den Flüchtlingslagern Griechenlands zu erreichen.
Die Projektinitiative „Mut machen“ holte die Bücher 2018 nach Münster. In Workshops halfen sie arabischsprachigen Kindern und Jugendlichen dabei, sich mit ihrer eigenen Migrationsgeschichte zu befassen – zum Beispiel in Feriensprachkursen. Aber auch deutschsprachige Kinder waren sehr interessiert an der Erzählung über Flucht und Zerstörung, Mut und Talent: Die jetzt zehnjährige Charlotte hatte als Grundschülerin an einer mehrsprachigen Lesung aus dem Buch teilgenommen – und fragte danach nach einer vollständigen Übersetzung ins Deutsche, um sich in die Geschichte vertiefen zu können. „Das hat uns alle sehr berührt“, sagt Paraskevi Toma.
Private Spenden und kommunale Zuschüsse sichern kostenfreie Verteilung an Schülerinnen und Schüler
Mittlerweile besucht Charlotte die fünfte Klasse und hält ein druckfrisches Exemplar von „Spuck´ die Trauer aus“ in den Händen. Dr. Nikola Moustakis vom Centrum für Geschichte und Kultur des östlichen Mittelmeerraums (GKM) der Westfälischen Wilhelms-Universität hat die Geschichte übersetzt, die Autorin Marion Bischoff den Text lektoriert. „Finanziert wurden die Bücher mit privaten Spenden, Zuschüssen des Integrationsrates der Stadt Münster und des Kommunalen Integrationszentrums sowie mit Beiträgen von Migrantenvereinen“, sagt Helga Sonntag, deren Behörde sich ebenfalls in der Initiative „Mut machen“ engagiert. In Münster werden die Exemplare kostenfrei an Kinder und Jugendliche verteilt, die an Workshops des Projekts teilnehmen.
Die Geschichte des Mädchen Noura hat einen realen Hintergrund: Sie ist angelehnt an das Schicksal der mittlerweile 23-jährigen Schwimmerin Yusra Mardini. Auf ihrer Flucht übers Mittelmeer im Jahr 2015 sprang sie ins Wasser, um das Boot stabil zu halten. Und schon 2016 war sie in Rio de Janeiro Mitglied des Olympischen Teams der Flüchtlingsathleten.
Auch Noura schafft es, ihr großes Talent im Schwimmen in Deutschland weiterzuverfolgen – dabei helfen ihr ihre eigene Beharrlichkeit, aber auch ihr Trainer, ihre Eltern, Freunde und ihre Schwester. „Oft genug wäre es auf ihrer Reise einfach gewesen, Ideale über Bord zu werfen und an den Widrigkeiten der Flucht zu scheitern“, betont Christine Zeller in ihrem Vorwort. „Aber Nouras Geschichte zeigt uns auch, wie wichtig es ist, nicht auf sich allein gestellt zu sein, den Alltag mit anderen zu teilen und von Menschen unterstützt zu werden.“
Foto oben: Die zehnjährige Charlotte gab die Anregung, das Kinder- und Jugendbuch „Spuck die Trauer aus“ auch auf Deutsch lesen zu können. Nun hält sie ein druckfrisches Exemplar der übersetzten Ausgabe in den Händen. (Foto: Privat)
Zehn internationale Künstler*innen zeigen am Aasee Vulven
Die Nutzung des Wewerka-Pavillon am Aasee (Kardinal-von-Galen-Ring / Annette-Allee / Aasee-Uferweg) als Vulventempel sollte auch provozieren. Doch bis auf eine kleine Kokelei an der Aufhängung eines der zehn Vulvenbilder ist bislang nichts geschehen. „Wir hatten sogar mit Vandalismus gerechnet. Doch auch die schlimmsten Befürchtungen eines älteren Ehepaares, welches beim Aufbau die Bilder betrachtete, dass hier abends Männer vor unseren Werken mastrubieren, ist offensichtlich nicht eingetreten“, erzählte Annemarie Lange, eine der zehn Künsterler*innen, die gemeinsam den Wewerka-Pavillon in ein temporäres Heiligtum für die Gesamtheit der äußeren primären weiblichen Geschlechtsorgane verwandelt haben.
Am sonnigen Montagnachmittag spazieren viele Mütter mit ihren Kindern am Wewerka-Pavillon vorbei. Sie scheinen hier auch provokante Kunst zu erwarten, wie die Antwort einer Mutter zu beweisen scheint: „Wird doch Zeit, dass unsere Weiblichkeit auch in der Kunst öffentlich gezeigt wird. Mit Sex hat das für mich nur am Rande zu tun.“ Der 24-jährige Marvin, der gemeinsam mit Annemarie Lange den Nachmittag am Aasee verbringt, hat noch keine abschließende Meinung zum Projekt: „Es ist schwer in Worte zu fassen. Zudem überlege ich noch, welche politische Dimension der Vulventempel hat.“
Dazu kann selbst Annemarie Lange ihm keine kurze Antwort geben: „Wir wollen Sichtbarkeit erzeugen. Ob dies eine feministische Aktion ist, will ich gar nicht abschließend sagen, da das ich nicht für alle aus dem temporären Kollektiv sprechen möchte und kann. Ich selber halte es für dezidiert feministisch!“ Auch Nadja Rich, die gemeinsam mit Lisa Tschorn die Gruppenausstellung Vulventempel am Wewerka-Pavillon organisiert hat, versteht im Telefoninterview das Projekt explizit politisch: „Diese Arbeiten sind schon sehr feministisch.“
Bis zum 13. Juni ist der Wewerka-Pavillon ein Vulventempel.
Keine Beziehung zur Vulva? Geht das überhaupt?
Diese Frage, die von einer guten Freundin kam, stellen sich die Künstler*innen auf ihrer Webseite zum Projekt. Diese Beziehung der Personen mit Vulva zu ihrem primären Geschlechtsteil, das häufig schamvoll als Scham bezeichnet wird, möchten die Initiatoren des Vulventempels entproblematisieren. Deshalb ist das Heiligtum, der Innenraum des Wewerka-Pavillon auch leer. „Der sakrale Bezirk ist immer vom profanen Raum getrennt; der Tempel kann bestimmten Göttern vorbehalten oder in verschiedene Bereiche aufgeteilt sein“, steht in Wikipedia. Die Künstler*innen wollen offensichtlich am Aasee dies umkehren und lassen das Innerste leer und zeigen das Heiligtum draußen. So entsteht eine direkte Beziehung zwischen den Betrachter*innen und dem Werk, ohne dass die Hohepriester*innen eingreifen können oder müssen. Der profane und der heilige Raum vermischen sich und werden eins.
So verliert auch dieses intime Körperteil ihre Verletzlichkeit. „Diese Verletzlichkeit, wie sie Vulva tragende Menschen immer wieder erfahren, ist auch Teil unserer Ausstellung. Schließlich sind es alles Originale“, unterstreicht Lisa Tschon im Telefongespräch und Nadja Rich ergänzt: „Deshalb haben wir die Verletzung des Vulventempel auch einkalkuliert.“
Nadja Rich, Lisa Tschorn, Kip Fiene, Aleka Medina Fuentes, Frederike de Graft, Theresa Hahner, Annemarie Lange, Birthe Langner, Maria Renee Morales Garcia und Yoana Tuzharova zeigen am Aasee Vulven. (Fotos: Werner Szybalski)
Wir haben gern die Dreiecksform des Wewerka-Pavillions aufgenommen. Sie symbolisieren fast unser Thema. Zudem ist für Künstler*innen der Pavillion als Bauwerk für Kunst etwas Allerheiliges.
Nadja Rich
Für eine beteiligte Künstler*in ist die Bezeichnung Vulva auch die Aneignung des eigenen Körpers, wie sie auf Vulventempel.de im Blog unter „Selbst(be)-Zeichnung“ schreibt. „So sage ich gern zu meinem Geschlechtsorgan, das so mehr ist als Porno oder peinlich, unaussprechlich, niedlich oder ein Name für eine Katze. Für mich ist diese Ausstellung gleichzeitig radikal und auch ein Versuch die Vulva und ihren Anblick zu normalisieren. Jedes Kind erkennt einen auf den Schultisch hingekritzelten Penis aber eine Vulva?“
Kollektive Ausstellung
Die zehn Bilder können und sollen den einzelnen Künstler*innen nicht zugeordnet werden. „Die Gruppe und nicht die Künstler*innen stehen im Vordergrund. Wir wollen uns nicht verstecken, wie unsere Webseite demonstriert“, erklärten Lisa Tschorn und Nadja Rich gemeinsam: „Namen zu den Bildern würden den Fokus verändern!“
Die Ausarbeitung der Ausstellung war den zehn Künstler*innen nur Dank der Unterstützung der Kunstakademie Münster sowie der Freund*innen der Kunstakademie Münster möglich. „Dafür sind wir sehr dankbar. Aber auch das Land Nordrhein-Westfalen hat mit den Coronahilfen für Künstler*innen das Projekt finanziell unterstützt“, erklärte Lisa Tschorn.
Es hängt jetzt von den konkreten Schritten und einem Perspektivwechsel der deutschen Gesellschaft ab, ob die Anerkennung des Völkermords an den Nama und Herero wirklich einer neuen Qualität von Geschichtsbewusstsein den Weg bereitet.
Thomas Siepelmeyer
Thomas Siepelmeyer, AKAFRIK Münster.
Das Abkommen mit Namibia ist geschlossen. Es hängt jetzt von den konkreten Schritten und einem Perspektivwechsel der deutschen Gesellschaft ab, ob die Anerkennung des Völkermords an den Nama und Herero wirklich einer neuen Qualität von Geschichtsbewusstsein den Weg bereitet, erklärt Thomas Siepelmeyer vom AKAFRIK, dem Arbeitskreis Afrika Münster, in einer Pressemitteilung, die hier im Wortlaut veröffentlicht ist.
Die Überschrift im (Online-Magazin Der) Spiegel heute (28. Mai 2021) gibt uns die weitere Richtung an – wenn auch vielleicht etwas unfreiwillig:
Herero und Nama: Deutschland erkennt Kolonialverbrechen in Afrika als Völkermord an
Die Verbrechen der deutschen Kolonialherrschaft in den anderen afrikanischen Kolonien, Tansania, Kamerun und Togo, sowie in den Südsee- / asiatischen Kolonialgebieten stehen weiterhin auf der Tagesordnung, und wir sollten die Kampagne mit diesen (wenn auch noch unzureichenden) Ergebnissen im Rücken verstärkt weiterführen.
Ida Hofmann, die Vertreterin der Nama, hat heute morgen auf verschiedenen ARD-Radiostationen das Ergebnis kommentiert, sie hat betont, dass es ja nicht nur um die Zeit der direkten Kampfhandlungen geht, sondern auch um die Zeit danach, als Zwangsarbeit / Vernichtung durch Arbeit, Menschenversuche durch deutsche Kolonialmediziner (zum Beispiel Hugo Bofinger) und Gefangenenschaft in den übers ganze Land verstreuten Konzentrations- und Arbeitslagern herrschten. Die gesamte Zeit der deutschen Kolonialherrschaft war vom Genozid bestimmt.
Sie hat betont, dass es die NamibierInnen waren, die in dieser Zeit die Städte gebaut, die weißen Farmen errichtet und die Straßen und Eisenbahnlinien gebaut haben – die KolonialistInnen haben sich die Früchte dieser Zwangsarbeit angeeignet.
Männer und Frauen der Herero, Witbooi- und Bethanier-Nama, welche wieder gesundet waren, mussten genauso wie zur Zeit ihrer Inhaftierung auf der Haifischinsel Zwangsarbeit im Straßen-, Wege- und Bahnbau leisten, wo sie in unmenschlicher Art weiter ausgebeutet wurden. So sind von 2014 Häftlingen aus dem Lager Haifischinsel zwischen Januar 1906 und Juni 1907 1359 während des Baues der Südbahn zwischen Lüderitzbucht und Keetmanshoop (insgesamt eine Strecke von über 300 Kilometer) verstorben. Sie wurden meistens einfach rechts und links der Strecke im Dünensand verscharrt, wie auch beim Bau der Strecke von Swakopmund und im Norden an den vielen Orten, an denen Zwangsarbeit angewandt wurde. Wind und Regen legen viele dieser Orte und der dort verscharrten Überbleibsel im Laufe der Zeit frei. Um die würdevolle Bestattung dieser und der anderen namibischen Opfer der Kolonialzeit geht es mit diesem Antrag an den Volksbund.
Von Keetmanshoop ging die Eisenbahnlinie nach Norden nach Windhoek weiter, sie wurde bis 1912 vollendet.
Karte aus Herrmann Julius Meyer – Meyers Geographischer Hand-Atlas, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=10997145
Aus den Konzentrationslagern auf der Haifischinsel sind von Historikern grausamste Praktiken dokumentiert: Skelette und abgeschnittene Köpfe mussten mit heißem Wasser und Glasscherben von den Gefangenen selbst gesäubert und dann verpackt werden, für den Versand in die Reichshauptstadt Berlin.
Lothar von Trotha. (https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=135253)
Die grausame Vernichtungsstrategie ist gut dokumentiert. Aber auch andernorts – in den Territorien der aufständischen Nama, beim Bau der Eisenbahn von Windhoek an die Küste (circa 350 Kilometer) und in Bergwerken – starben die Einwohner des heutigen Namibia (Männer wie Frauen, wie viele Photos beweisen) unter den Deutschen grausame Tode. Sie wurden erschlagen von ihren Sklaventreibern, in weiteren deutschen Konzentrationslagern ausgehungert und dann von Krankheiten und Zwangsarbeit dahingerafft.
Viele HistorikerInnen argumentieren, dass Shark Island, als Konzentrationslager bezeichnet, ein Vernichtungs- und Todeslager war. Mit der Schließung der Konzentrationslager wurden alle überlebenden Herero als ArbeiterInnen für Siedler und Siedlerinnen in der deutschen Kolonie verteilt. Von diesem Zeitpunkt an waren alle Herero über sieben Jahre gezwungen, eine Metallscheibe mit der Arbeitsregistrierungsnummer zu tragen, und es war ihnen verboten, Land oder Vieh zu besitzen, eine Notwendigkeit für eine pastorale Gesellschaft.
In späteren Jahren der Kolonie begannen die Kolonialbehörden eine neue Gewaltkampagne. Dieses Mal richtete sie sich gegen die San-Gemeinden im Nordosten der Kolonie. Da die Siedler immer weiter nach Norden und Osten vordrangen, kam es zu einem unvermeidlichen Konflikt. Im Oktober 1911 erließ der Kolonialgouverneur Theodor Seitz ein allgemeines Dekret, wonach San legal auf Sicht erschossen werden könnten, vorausgesetzt, es gebe „den geringsten Versuch, sich der Verhaftung zu widersetzen“ oder „sie versuchen, die Verhaftung durch Flucht zu verhindern, wenn befohlen wird, sich zu ergeben“. Ähnlich wie bei General von Trothas berüchtigtem Vernichtungsbefehl handelte es sich um ein allgemeines Dekret mit ausreichend Interpretationsspielraum. In Wirklichkeit konnten die Beamten, Militärs oder Farmer, die mit der Suche nach Land und der Zerstörung von Siedlungen beauftragt waren, San nach Belieben töten.
Unsere Forderungen aus diesem Abkommen für Münster sind:
alle Krieger- und Kolonialdenkmäler in Münster sind aus dem Denkmalschutz zu entlassen, da ansonsten keinerlei substantielle Veränderung an ihnen möglich ist.
Das Traindenkmal muss niedergelegt werden, dass heißt es muss massiv aus seiner jetzt beherrschenden Position gebracht werden und darf nicht mehr den Platz dominieren. Dann kann die AKAFRIK-Gedenktafel in ein neues Mahn-Ensemble eingebracht werden, dass vor allem in Zusammenarbeit mit den Nachfahren der Opfer des Genozids zu entwerfen ist. Und das auch nicht „zeitweise“, wie im Stadtratsbeschluss suggeriert, sondern für die absehbare Zukunft, dass heißt bis neue Generationen eventuell ihre dann eigenen Vorstellungen zur Nutzung der Fläche umsetzen möchten.
Die Stadt Münster muss sichtbar und deutlich mit ihrer Vergangenheit brechen, auch mit ihrer Vergangenheit bezüglich der Diskussion um das Mahnmal und den Begriff „Völkermord“.
Die Verantwortlichen für die Verschleppung der Diskussion und die Verhinderung von wegweisenden Entscheidungen seit 1982, seit die Diskussion um den Begriff „Völkermord“ auch hier vor Ort eröffnet wurde, müssen sich ihrer Verantwortung stellen.
Es steht in diesem Zusammenhang für Münster eine weitere, schon lange überfällige Entscheidung an: die Umbenennung der Universität (der Namensgeber ist der Verantwortliche sowohl für den Völkermord wie auch das Abschlachten im Boxer-Aufstand).
Das heftig umstrittene Traindenkmal in der Promenade am Ludgeriplatz. (Foto: Werner Szybalski)
Anmerkung von Thomas Siepelmeyer nach der Ablehnung des Abkommens durch die Vertretungen der Herero und Nama (2. Juni 2021, 12:26): Wer nicht unbedingt meiner Interpretation des Abkommens folgen will, sollte doch mal diese Stellungnahme des ECCHR lesen. Irgendwie denke ich, dass ich so falsch nicht liege…
272,5 Millionen Euro für Aktionär*innen ausgeschüttet
Am Donnerstag (27. Mai) fand die diesjährige Hauptversammlung der LEG Immobilien SE digital statt. Mit rund 6400 Wohnungen ist die LEG der größte Vermieter in Münster. Die Eigentümer des ehemaligen öffentlichen Wohnungsunternehmens gönnten sich ein gewaltiges Stück des Überschusses aus dem vergangenen Geschäftsjahr. 43,4 Prozent der Mieteinnahmen aus 2020 schüttet die LEG an ihre Aktionäre als Dividende aus. Die 3,78 Euro pro Aktie sind eine Steigerung der Dividende um fünf Prozent im Vergleich zu 2019. Insgesamt 272,5 Millionen Euro werden ausgezahlt. Dies sind 1885 Euro pro vermieteter LEG-Wohnung.
„Bis zum 6. Juni diesen Jahres zahlen wir LEG-Mieter*innen, dies hat der Deutsche Mieterbund NRW berechnet, unsere Miete ausschließlich in die Taschen der LEG-Aktionär*innen“, erklärte Mats Reißberg, Initiator einer Protestdemonstration von LEG-Mieter*innen am Tag der Hauptversammlung in Geist und vor der LEG-Niederlassung an der Hammer Straße. Jeden Monat flossen im vergangenen Jahr 157 Euro aus jeder Wohnungsmiete der LEG in die Taschen der Eigentümer. Laut Geschäftsbericht des Unternehmens, dessen Durchschnittsmiete in Quadratmeter von 2013 bis 2020 um satte 17 Prozent stieg, gab die LEG in 2020 aber nur 24,8 Prozent für Bewirtschaftung iher Immobilien aus. Nur 19 Prozent des Überschusses wurden reinvestiert, obwohl Wohnraum nicht nur in Münster, sondern überall im Land fehlt.
Mats Reißberg, Sprecher der LEG-Mieter*innen-Initiative Geist und Organisator der Demonstration gegen die LEG Immobilien SE, erlebt gerade zu Hause an der Kolmarstraße persönlich, was die Modernisierungen für Auswirkungen auf die LEG-Mieter*innen haben. (Fotos: Werner Szybalski)
Forderung nach bezahlbaren Mieten
Die Demonstrant*innen fordern eine Neuausrichtung der Geschäftspolitik ihres Vermieters in Richtung sozialer und nachhaltiger Wohnungswirtschaft mit bezahlbaren Mieten. „Die Mieten, nicht nur in Münster, sind einfach zu hoch und steigen zu schnell“, betonte Mats Reißberg, der von der LEG erwarte, dass auch in Münster wieder gebaut würde: „Aber natürlich auch Wohnungen für Menschen mit geringem Einkommen und endlich wieder öffentlich geförderten Wohnungsbau.“
Pavel Volodarsky, LEG-Mieter aus Kinderhaus, berichtete von den negativen Veränderungen im Mietverhältnis, nachdem das Land Nordrhein-Westfalen die kommunalen und landeseigenen Unternehmen der LEG privatisiert hatte.
Neben der Senkung der Dividenden fordern die demonstrierenden Mieter*innen bessere und schnellere Serviceleistungen bei Schäden, weniger Mietkosten hoch treibende Modernisierungen dafür bessere Instandhaltung der Wohnungen, der Häuser und des Umfeldes sowie eine ordentliche, überprüfbare Nebenkostenabrechnung.
Pavel Volodarsky, LEG-Mieter in Kinderhaus, erklärte: „Die Betreuung der Mieter*innen ist immer schlechter geworden. Ich habe früher schon bei der heutigen LEG-Tochter WGM gewohnt. Damals fühlten Mieter*innen sich aufgehoben und als Vertragspartner*innen akzeptiert. Davon sind wir heute weit entfernt.“
Demonstration für mehr Rechte und geringere Mieten
Am Donnerstag (27. Mai) gehen die LEG-Mieter*innen in Münster wieder auf die Straße. Anlass ist die an diesem Tag stattfindende Hauptversammlung des Vermieters LEG Immobilien SE, der eine gegenüber dem Vorjahr um fünf Prozent höhere Dividendenausschüttung an die Aktionäre beschließen will. Die LEG-Mieter*innen-Initiative Münster wird um 17 Uhr an der Kolmarstraße in Geist, wo die LEG derzeit Modernisierungen durchführen lässt, mit einer Kundgebung starten. Dann zieht ein Demonstrationszug hinüber zur LEG-Niederlassung Münster an der Hammer Straße 226. Auch dort sollen Redner*innen das Wort ergreifen.
Ist das noch LEGal?
Am Vorabend (Mittwoch, 26. Mai, um 18.15 Uhr) findet online unter dem Motto „Ist das noch LEGal?“ eine landesweite öffentliche Kritische Vorabendkonferenz zur LEG Aktionärsversammlung statt. Auch aus Münster werden Teilnehmer*innen dabei sein.
Demo LEG – es reicht! am Freitag, 14. Mai, in Berg Fidel. (Fotos: Werner Szybalski)
Wohnraum zu angemessenen und bezahlbaren Mieten
Im Aufruf betonen die Organisatoren, dass Wohnen ein Menschenrecht ist. Die Situation vieler Mieter*innen – auch in Münster – ist inzwischen aber so schlecht, dass prekäre Verhältnisse drohen. Alle Menschen sind auf eine Wohnung angewiesen. Zigtausende in unserer Stadt wollen oder können sich keine Wohnung im Eigenbesitz leisten. Die Klimakrise kann zudem nur bewältigt werden, wenn die Menschen zusammenrücken und gemeinsam in möglichst wenig Fläche versiegelden Häusern und Wohnanlagen leben.
Die Corona-Pandemie hat die Situation verschärft und zudem deutlich gemacht, warum die Menschen eine Wohnung benötigen, in der das Leben auch lebenswert ist. Dazu bedarf es genügend Wohnraum für alle Münsteraner*innen – dies zu angemessenen und bezahlbaren Mieten.
Die größte Vermieterin in Münster ist die LEG Immobilien SE mit Sitz in Düsseldorf. Der heutige LEG-Aktienkonzern entstand durch Privatisierung ehemaliger öffentlicher, teilweise kommunaler, regionaler und gemeinnütziger Wohnungsunternehmen. In Münster gehörten unter anderem die Wohnungsgesellschaften WGM (Wohnungsgesellschaft Münsterland) und GWN (Gemeinnützige Wohnungsgesellschaft Nordwestdeutschland) dazu. Aber auch viele ehemalige Wohnungen für Postler*innen, Bahner*innen oder Ärzt*innen sowie medizinisches Personal werden heute in Münster von der LEG vermietet.
Mieter*innen zahlen die Zeche
Der Aktienmarkt setzt seine dort notierten Immobilienkonzerne erheblich unter Druck. Die Dividenden der und damit auch die Mieten bei den börsennotierten Wohnungsunternehmen gehen durch die Decke. Der größte deutsche Wohnungskonzern Vonovia mit Sitz in Bochum, auch Wohnungsbesitzer in Münster, hob im Coronajahr 2020 die Mieten um 3,1 Prozent auf 6,95 Euro pro Quadratmeter an. Die Dividendenausschüttung an die Aktionäre fiel in diesem Jahr um 7,6 Prozent höher ist als im vergangenen Jahr. Auch die LEG, die am 27 Mai ihre Hauptversammlung abhält, will die Dividende gegenüber dem Vorcoronajahr um fünf Prozent steigern. Dies alles aus den Taschen der Mieter*innen und der Kommunen, die für viele Mieter*innen die Zeche zahlen.
Diese Entwicklung muss gestoppt werden, denn die Wohnungskonzerne müssen für diese hohen Dividenden alle – leider teilweise auch rechtlich fragliche – Mittel nutzen, um ihre Kapitaleigner zufriedenzustellen. Wer darunter leidet ist klar – alles geht zu Lasten der Wohnqualität und der Portemonnaies der Mieter*innen. Deshalb fordern wir die Mieten zu senken statt Dividenden zu erhöhen, die Häuser und Wohnungen auf Kosten der Unternehmen zu sanieren und nur im Einvernehmen mit den Mieter*innen zu modernisieren und die Rechte der Mieter*innen umfassend zu stärken.
Am Tag der Aktionärsversammlung der LEG Immobilien SE, Donnerstag, dem 27. Mai 2021, demonstrieren LEG-Mieter*innen zunächst um 17 Uhr an der Kolmarstraße und später (ab 18 uhr) vor der LEG-Niederlassung Münster an der Hammer Straße 226.
Am Donnerstag (20. Mai 2021) musste sich der Nottulner Gynäkologe Detlef Merchel vor dem Amtsgericht Coesfeld für seine aufklärerischen Informationen auf der Webseite seiner Praxis zum Schwangerschaftsabbruch verantworten. Die Staatsanwaltschaft warf dem Arzt, der in seiner Praxis auch Schwangerschaftsabbrüche vornimmt, vor, mit den Information über die von ihm angewandten Methoden gegen den § 219a des Strafgesetzbuches (Verbot der Werbung für den Schwangerschaftsabbruch) zu verstoßen. „Früher durfte ich informieren, aber nicht schreiben, dass ich es mache. Heute darf ich schreiben, dass ich es mache, aber nicht informieren“, zitieren die Westfälischen Nachrichten den Frauenarzt, der sich mit dieser Situation nicht zufrieden gibt. Deshalb lehnte er die Einstellung des Verfahrens gegen Auflagen ab – er wollte ein Urteil. Dieses bekam er. 20 Tagessätze à 150 Euro, also 3000 Euro, soll Detlef Merchel zahlen. Ob er und sein Münsteraner Anwalt Wilhelm Achelpöhler das Urteil akzeptieren, entscheidet sich in der Woche nach Pfingsten.
Solidarität mit Merchel – 70 Demonstrant*innen vor dem Amtsgericht
Gynäkologe Detlef Merchel aus Nottuln.
Rund 70 Menschen versammelten sich am Donnerstagvormittag schon eineinhalb Stunden vor Prozessbeginn vor dem Amtsgericht Coesfeld, um ihre Solidarität mit Detlef Merchel zu bekunden und um für die Abschaffung der Paragrafen 218 und 219 StGB zu demonstrieren.
Detlef Merchel freute sich über die breite Unterstützung. Unter anderem das Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung, Die Linke Coesfeld, Frauen e.V. Kreis Coesfeld, pro familia Münster (und aus anderen Orten), die Grünen Nottuln, der Arbeitskreis Frauengesundheit in Medizin, Psychotherapie und Gesellschaft e.V. (AKF), die Jungen Liberalen Münster, die Kritischen Mediziner*innen Münster und viele Feminist*innen zeigten in Coesfeld Flagge.
In den Redebeiträgen vor dem Amtsgericht wurde von Vertreterinnen aus Politik und Praxis die Existenz des § 219a StGB deutlich kritisiert wurde. Dessen Abschaffung wurde von der Demonstration gefordert. Viele juristische, medizinische und feministische Organisationen möchten das Verbot über die angebotene medizinische Leistung des Schwangerschaftsabbruchs und die zur Anwendung kommenden Methoden zu informieren, gekippt wissen. Redner*innen dankten Detlef Merchel und auch den in anderweitigen Verfahren verfolgten Ärztinnen Kristina Hänel und Bettina Gaber für ihren Mut und ihre Zivilcourage. Beide standen schon wegen einer §219a-Anklage vor Gericht. Auch sie wurden verurteilt, kämpfen aber auch juristisch noch weiter.
Weg mit dem § 219a, damit Schwangere sich informieren bekommen, wurde in Coesfeld gefordert. (Fotos: Werner Szybalski)
Verfassungsbeschwerde ist in Karlsruhe eingereicht
Kristina Hänel, die ebenfalls wegen § 219a verurteilt wurde und gegen den Paragraphen Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe eingereicht hat, ließ in Coesfeld ein Grußwort verlesen. „Unfassbar“ sei es, so Hänel, dass Mediziner*innen in Deutschland von hohen Geldstrafen und sogar Gefängnis bedroht seien, nur weil sie nach ihrem Berufsverständnis und Ethos handelten und ihrem Aufklärungsauftrag nachkämen.
Vertreterinnen von pro familia berichteten von den negativen Folgen des Gesetzes für die Beratungspraxis: Immer weniger Ärzt*innen erklärten sich bereit, einen Schwangerschaftsabbruch durchzuführen, und Patient*innen könnten sich nicht gut informieren.
Die grüne Landtagsabgeordnete Josefine Paul aus Münster und Sonja Krämer-Gembalczyk vom Kreisverband der Linken in Coesfeld sprachen sich auf der Kundgebung für die Streichung des § 219a StGB aus.
Ärzt*innen und ungewollt Schwangere leiden unter dem § 219a.
Christine Schmidt, Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung Münster
Für das Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung Münster kritisiert Sprecherin Christine Schmidt das Coesfelder Urteil: „Ärzt*innen und ungewollt Schwangere leiden unter dem § 219a. Es wird Zeit, das Klima der Stigmatisierung, die Kriminalisierung des Abbruchs und die schlechte Versorgungslage zu beenden. Dafür demonstrieren wir nicht nur hier in Coesfeld, sondern notfalls auch in Karlsruhe.“
Auf dem Radweg vor dem Amtsgericht versammelten sich die Demonstrant*innen.
Berufung oder Revision ist möglich
„Wir haben noch nicht entschieden, ob wir Berufung oder Revision beantragen werden. Wahrscheinlich legen wir aber zunächst Rechtsmittel ein, um so die Zeit für die einzureichende Begründung hinzuzugewinnen“, erklärte mir gegenüber der Münsteraner Rechtsanwalt Wilhelm Achelpöhler. Er hatte in der Verhandlung damit argumentiert, dass „Verbreitung der Wahrheit nicht bestraft werden kann.“ Schließlich sei die Kenntnis der Wahrheit die Voraussetzung von Freiheit. Um eine Entscheidung treffen zu können, müssten ungewollt schwangere Frauen die Möglichkeit zur Information haben. Anders könnten diesee ihr Persönlichkeitsrecht, zu dem auch die Durchführung eines nicht strafbaren Schwangerschaftsabbruchs gehöre, kaum wahrnehmen.
Die Berliner Tageszeitung „taz“ schrieb zum Prozess in Coesfeld: „Mit dem Urteil folgt das Gericht im Münsterland der Linie von zwei Urteilen höherer Instanzen in Berlin und Frankfurt / Main aus jüngerer Vergangenheit. Die dortigen Richter*innen hatten bejaht, dass Ärzt*innen nach Paragraf 219a verbotene „Werbung“ betreiben, wenn sie auf ihrer Homepage mitteilen, dass sie Schwangerschaftsabbrüche durchführen, darüber hinaus aber auch weiterführende Informationen liefern. Ersteres ist seit der Reform des Paragrafen im Jahr 2019 erlaubt, letzteres nicht.
Beim Verfahren gegen die Berliner Gynäkologin Bettina Gaber hatten die Worte „medikamentös“ und „narkosefrei“ als solch eine zusätzliche Information für eine Verurteilung gereicht. Auch das Oberlandesgericht Frankfurt urteilte im Revisionsverfahren gegen die Ärztin Kristina Hänel, dass nach der Reform des Paragrafen 219a solche sachlichen Informationen nicht mehr gestattet seien.
IG Fahrradstadt demonstriert mit rund 150 Menschen gegen Flyover
Am Mittwoch (19. Mai) berät der Hauptausschuss für den Rat der Stadt Münster über die Vorlage V/0156/2020 (Flyover Aegidiitor: Radverkehrsbrücke zwischen Promenade und Bismarckallee – Förderantragsverfahren für das Programm „Förderung innovativer Projekte zur Verbesserung des Radverkehrs in Deutschland“). Heute (18. Mai) um 17 Uhr zeigten rund 100 Demonstrant*innen auf der Kreuzung Weseler Straße / Aegidiistraße / Adenauerallee wie lebenswert Münsters Innenstadt wäre, wenn es keinen Autoverkehr gäbe. Für 32 Minuten blockierten die Demonstrant*innen die Kreuzung. Sie positionierten sich damit gegen die Verwirklichung der Fahrradbrücke zwischen Promenade und Bismarckallee.
Der angedachte Flyover zwischen Promenade und Bismarckallee soll rund zehn Millionen Euro kosten. (Foto: Stadt Münster)
Stadt ist mit 600.000 Euro dabei
Das Projekt mit den enormen Fördermitteln vom Bund (acht Millionen) und Land NRW (1,4 Millionen) müsste mit 600.000 Euro von der Stadt Münster mitfinanziert werden. Dieses Geld könnte auch für andere freiwillige Aufgaben der Stadt ausgegeben werden, wenn der Hauptausschuss sich morgen gegen die vom Stadtbaurat Robin Denstorff eingebrachte Vorlage ausspricht.
Auf der Kundgebung sprachen sich die Redner aber nicht nur wegen der hohen Finanzausgaben gegen das geplante Bauprojekt aus. Steffen Lambrecht von Fridays for Future Münster: „Münsters Verwaltungsspitze verfolgt das Ziel, Platz auf den Fahrbahnen für Einpendler*innen mit dem Auto zu machen.“ Er forderte, dass in Münster Rad- und Fußverkehr auch und gerade dann zu fördern sei, wenn dabei der Autoverkehr zurückgedrängt wird. Die Verkehrsemissionen in der Stadt würden auf hohem Niveau stagnieren: „Autoanzahl pro Kopf und gefahrene Auto-Kilometer in der regionalen Betrachtung steigen. Wir sind leider noch immer eine Autostadt!“
Auch Anwohner*innen sind gegen den Flyover. (Foto: Werner Szybalski)
Klimagerechtigkeit und eine ökologische Verkehrswende
Lambrecht erklärte für Fridays for Future Münster: „Nein zum Flyover, nein zu Leuchturmprojekten, nein zu einer autogerechten Radverkehrsförderung. Wir fordern Klimagerechtigkeit und eine ökologische Verkehrswende!“
Rüdiger Sagel
Auch der ehemalige Ratsherr Rüdiger Sagel sprach sich klar gegen die Brücke aus: „Dieses Prestigeprojekt Flyover ist kontraproduktiv. Der vierspurige Autoverkehr durch Münsters Innenstadt wird sogar beschleunigt! Es nutzt nur dem Autoverkehr. Damit Autos hier mit oftmals sogar mehr als 50 km/h am Aasee entlang düsen können.“ Er verwies auf die Berichterstattung in den Westfälischen Nachrichten (€) und erklärte: „Man geht sogar soweit, durch Verfälschung des ursprünglichen Gutachtens ins Gegenteil, den gesamten Stadtrat täuschen zu wollen. Dieses Projekt ist verkehrstechnisch unbegründet und daher unsinnig. Ökologisch ist es sowieso nicht, denn Bäume in der unter Denkmalschutz stehenden Promenade sollen abgeholzt werden.“
Er forderte Grüne und SPD auf, morgen die Vorlage im Hauptausschuss abzulehnen und schlug vor: „Beschließt eine grüne, ökologische Verbindung zwischen Altstadt, Promenade und Aasee. Schafft eine Stadt, die für Menschen und nicht für Autos gemacht ist.“
Auf dem Boden bleiben
Konstantin Kubina, von den Kundgebungsorganisatoren IG Fahrradstadt Münster, erklärte: „Durch die Brücke wird die Bevorrechtigung des Kfz.-Verkehrs manifestiert.“ Er verdeutliche, dass die Sperraktion 32 Minuten dauere, weil die Fahrradpendler an dieser Kreuzung monatlich genau so lange auf grünes Licht warten müssten. Der Overfly würde nur von rund 2600 Radfahrer*innen genutzt werden, was weniger als zehn Prozent der Fahrradverkehrs in diesem Bereich ausmachen würde.
Konstantin Kubina von der IG Fahrradstadt Münster bezeichnete den Overfly als überteuertes Leuchtturmprojekt. (Foto: Werner Szybalski)
Die IG Fahrradstadt Münster forderte:
Der gesamte Abschnitt ab der Scharnhorststraße bis hin zur Promenaden-Querung muss für den MIV (motorisierter Individualverkehr) gesperrt werden. Die Durchfahrt für Busse muss ermöglicht werden und die Ampeln sollen entfernt werden.
Die Aegidiistraße, die Straße Am Kanonengraben und die Adenauerallee sowie dieses Teilstück der Weseler Straße soll als Fahrradstraße deklariert werden. Damit entsteht mit den bestehenden Fahrradstraßen Annette-Allee und Bismarckallee ein komfortables Netz von Fahrradstraßen im Herzen der Stadt.
Der Durchgangsverkehr in Pluggendorf kann mit intelligenten Einbahnstraßenlösungen rausgehalten werden.
„Leuchttürme gehören an die Küste. Für eine Stadt, die sich dreht, müssen sich alle trauen, dem Kfz.-Raum wegzunehmen – und ansonsten auf dem Boden bleiben“, so Konstantin Kubina, der betonte: „Das Problem ist nicht, dass die Stadt die Situation für ein paar tausend Radfahrende mit fragwürdigen Mitteln verbessern will. Das Problem ist, dass sie nichts gegen die alltägliche Blechlawine tut.“
In einer Pressemitteilung der Stadt Münster wird kund getan, dass die Entscheidung über den „Flyover“ verschoben wurde, Die Mitteilung im Wortlaut:
Politik verschiebt „Flyover“-Entscheidung
Münster (SMS). In Vertretung für den Rat der Stadt Münster hat der Hauptausschuss heute (Mittwoch, 19. mai 2021) Beschlüsse zum Fahrradbrücken-Projekt „Flyover“ getroffen. Der Flyover soll nach früheren Vorschlägen der Verwaltung die Verbindung Promenade – Bismarckallee mit einer Fahrradbrücke über die Weseler Straße stärken.
Im Frühjahr 2020 hatte der Haupt- und Finanzausschuss das Projekt bereits grundsätzlich begrüßt und die Verwaltung beauftragt, auch alternative Linienführungen zu prüfen. Die entsprechend parallel geprüfte Y-Variante mit einer Verzweigung auf der Brücke in Richtung Adenauerallee / Promenade soll, so der aktuelle politische Beschluss, nicht weiter verfolgt werden.
Der Rat folgte einem Antrag der Fraktionen von Bündnis 90/Die Grünen, der SPD, Volt und der FDP und beschloss, dass zunächst ein Gesamtkonzept für den Knotenpunkt Aegidiitor erarbeitet werden soll, welches eine wesentliche Verbessserung aller Wegebeziehungen der ebenerdigen Rad-, Fuß- und ÖPNv-Verkehrsführung vorsieht. Zudem soll dieses Gesamtkonzept auch den motorisierten Individualverkehr berücksichtigen und Varianten sowohl mit wie auch ohne Flyover ausloten. Planungen, die den Flyover isoliert betrachten, sollen bis dahin pausieren. Ergänzend setzten Bündnis90/Die Grünen, SPD, Volt, Die Linke und Die Partei/ÖDP sich mit einem Änderungsantrag durch, der die Umwandlung der Aegidiistraße zu einer Fahrradstraße mit hoher Fußverkehrsqualität in das Plankonzept integriert wissen will.
Aufgrund der vom Landtag festgestellten Pandemielage ersetzte die Hauptausschussitzung am Mittwoch die Sitzung des Rates. Dieses Vorgehen fand die gesetzlich vorgesehene Zustimmung von mehr als zwei Dritteln der Ratsmitglieder und folgte einer entsprechenden Empfehlung des Ältestenrates. Die Sitzung fand im Congress-Saal der Halle Münsterland statt.